Gelsenkirchen. Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel. Beim Großeinsatz im Gelsenkirchener Bahnhofsviertel stehen Gastro-Betriebe im Visier. Was der Zoll erlebt.
Es ist ein großer Aufschlag, der Großeinsatz des Zolls im Bahnhofsviertel in Gelsenkirchen: Punkt 18 Uhr fluten 90 Einsatzkräfte von Zoll und Polizei gleichzeitig am Dienstagabend, 5. März, ein halbes Dutzend Ladenlokale zwischen Neustadtplatz und Südausgang am Verkehrsdrehkreuz. Unterstützt werden die Beamten von städtischen Lebensmittelkontrolleurinnen. Auch zwei Hundeführer mit ihren Diensthunden sind im Einsatz.
Im Visier des Zolls: Sechs Restaurants im Südviertel des Gelsenkirchener Hauptbahnhofes
Die Staatsmacht unter der Federführung des für Gelsenkirchen zuständigen Hauptzollamtes Dortmund zeigt massiv Präsenz. Und das aus gutem Grund. Die große Zahl der Einsatzkräfte dient sowohl dem Schutz der Kontrolleure als auch dazu, potenziellen Aggressionen vorzubeugen sowie Fluchtversuche zu verhindern. Die Polizei riegelt beispielsweise die Vorder- und Hinterausgänge der Lokale ab. Bei früheren Kontrollen mit weniger Kräften waren die Einsätze mitunter nicht so ruhig verlaufen. Zu Stoßzeiten sind Beamte in Lokalen auf rund 100 Personen gestoßen, nicht selten kippte die Stimmung, haben sich Gäste mit Mitarbeitenden solidarisiert. Tumult-Lagen auf engem Raum - keine Option für die Polizei.
Zeitgleich geprüft werden ab 18 Uhr sechs Betriebe, die meisten Schnellrestaurants. Der Fokus liegt auf möglichen illegalen Arbeitsverhältnissen (Schwarzarbeit), Verstöße gegen das Mindestlohngesetz und ähnliche Delikten. In der Vergangenheit sind in den Betrieben nach Behördenangaben häufiger Verstöße wie etwa illegale Aufenthalte in Deutschland aufgedeckt worden.
40 Mitarbeitende nehmen die Zollbeamten genauer unter die Lupe, erfassen Personalien auf Bögen, checken per Computer-Scan oder mit Expertenaugen Ausweise auf Fälschungsmerkmale, sichten Stundenzettel und Arbeitserlaubnis oder unterziehen Kellnernde, Kochende und Co. einer gezielten Befragung. Einsatzleiter Markus Funke und sein Team sind Routiniers. Allenfalls ein müdes Lächeln huscht ihnen übers Gesicht, wenn, wie am Dienstagabend, wieder einmal jemand ausgerechnet am Kontrolltag angeblich „seinen ersten Arbeitstag“ hat und trotz geltender Sofort-Anmeldepflicht im Gastro-Gewerbe seitens des Arbeitgebers noch gar nicht aktenkundig geworden ist. Der Abgleich mit der Rentenversicherung dauert nur Sekunden per PC.
Geschäftsführer: „Alle Mitarbeiter sind offiziell beschäftigt. Es gibt nur ein kleines Problem mit der Anmeldung.“
Da ist zum Beispiel ein junger Mann, er ist nervös, fahrig. Er arbeitet zwar frisch in dem großen Betrieb im Bahnhofsviertel, weiß aber angeblich gar nicht, was er im Monat verdient - ein erster Verdachtsfall. Minuten später schwebt der Geschäftsführer herein. Er verbreitet die Nachricht, dass „alle Mitarbeiter ordnungsgemäß beschäftigt sind“. Überzeugungsarbeit soll dabei ein prall gefüllter DIN A4-Umschlag leisten, der angeblich alle Dokumente enthalte. Er hält das Kuvert demonstrativ hoch.
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Die Zollbeamtin, die gerade den jungen Mann befragt, kontert prompt: „Prima, dann können wir die Unterlagen ja mitnehmen und gleich durchschauen.“ Die Hand mit dem Umschlag zuckt zurück. Der Geschäftsführer lächelt und sagt: Es gebe da noch „kleines Problem mit der Anmeldung“, das sei aber ganz sicher schnell zu beheben. Der Termin mit dem Steuerberater ist - ausgerechnet: „Morgen früh“. So ein Zufall.
Solche Ausreden bekommt der Zoll von Schwarzarbeitern zu hören: Schnell mal das eigene Essen gemacht
Situationen wie diese sind für den Zoll eher die Regel als die Ausnahme. „Wir erleben es immer wieder, dass Personen, die gerade noch Salat gewaschen oder Fleisch zubereitet haben, ihre Schürze in die Ecke schmeißen, sich fix an einen Tisch setzen und sich als Gäste ausgeben“, erzählt Einsatzleiter Markus Funke aus dem Nähkästchen. Die Nervenstarken unter den Schummlern tischen den Beamten dann ziemlich abenteuerliche Geschichten auf. Etwa, dass man sich als „Freund des Besitzers schnell mal eigenhändig etwas zu essen“ mache. Um den Betrieb nicht aufzuhalten oder so.
Der Zoll setzt diesem Gebaren Aufklärungsteams entgegen. Beamte in Zivil, die das Geschäftstreiben vor der Kontrolle beobachten und die Protagonisten entsprechend zu identifizieren wissen. Das hilft, aber nicht immer, wie Zollbeamte berichten. Denn im Nachgang schließen Richter es nicht aus, dass es tatsächlich so gewesen sein könnte. Heißt: keine Strafe.
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Bei einem Viertel der kontrollierten Gastro-Mitarbeiter in Gelsenkirchen wird der Zoll fündig
Bei fast einem Viertel der 40 überprüften Personen in den sechs Restaurant-Betrieben wird der Zoll am Ende fündig. Zuoberst auf der Liste steht eine Straftat: nicht gezahlte Sozialversicherungsbeiträge. Mögliches Strafmaß: bis zu fünf Jahre Gefängnis oder eine hohe Geldstrafe. Dazu kommen fünf Sofortmeldeverstöße, zweimal fehlende Stundenbelege und ein Verstoß gegen die Arbeitsgenehmigungsvorschriften - bei all dem werden Bußgelder fällig.
Unter dem Strich seien die Funde vielleicht „nicht gerade spektakulär“, sagt Einsatzleiter Markus Funke nach Ende des Großeinsatzes im Gelsenkirchener Bahnhofssüdviertel. „Manchmal ist keine große Ausbeute auch eine gute Ausbeute, zeigt es doch: Der Staat funktioniert, die Kontrollen wirken.“
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