Gelsenkirchen. Tim Frommeyer steht an der Spitze der Polizei Gelsenkirchen. Extremismus, Schalker Ultras, Social Media, Freizeit – so tickt der Neue.
Dem „sehr herzlichen Willkommen“ in Gelsenkirchen für Tim Frommeyer nach seiner Vereidigung als neuer Polizeipräsident von Gelsenkirchen folgt jetzt jede Menge Arbeit: „Mein Terminkalender ist rappelvoll“, sagt der 43-jährige Jurist beim Antrittsinterview und lacht. Ein Termin jagt gerade den nächsten, viele davon sind behördeninterne Treffen, dazu gesellen sich schon jetzt eine ganze Reihe von repräsentativen Anlässen. Klar – jeder will den neuen Spitzenbeamten kennenlernen, auf den Gelsenkirchen wegen einer langen und offenbar schwierigen Kandidatensuche gut anderthalb Jahre hat warten müssen.
„Eintauchen“ nennt Tim Frommeyer das, was er nach etwas mehr als einer Woche in Amt und Würden in erster Linie macht. Fast 900 Beamte und Mitarbeitende hat das Polizeipräsidium Gelsenkirchen, etliche Abteilungen und Fachbereiche. Diese Strukturen gilt es, kennenzulernen und ihre Abläufe zu durchdringen. Ihm sind alle Bereiche polizeilicher Arbeit gleich wichtig, Verkehr ebenso wie Jugendgewalt und Clan-Kriminalität oder die Diskussion um die Wiedereröffnung der Horster Wache für die Bürgerinnen und Bürger.
Eintauchen in die Gelsenkirchener Stadtgesellschaft: Quartierstreffen mit Bezirksbürgermeistern
Ähnlich hält er es mit der hiesigen Stadtgesellschaft. Dem neuen Polizei-Chef ist es vor allem wichtig, dass die Schnittstellen zwischen Präsidium und Rathaus gut funktionieren. „Ich bin ein starker Verfechter von organisatorischen Prozessen und dem Thema Personalentwicklung.“ Für ihn werde das ein Schwerpunkt sein, gemeinsam mit Fachleuten zu schauen, wie gut man da aufgestellt sei und wo man sich weiterentwickeln könne. Ziel: „Potenziale heben“. Quartiersbesuche gemeinsam mit Bezirksbürgermeistern oder Bezirksbeamten inklusive.
Als „Vorteil“ dabei betrachtet er seine Erfahrung durch seine früheren Tätigkeiten innerhalb der Stadtverwaltungen von Dortmund und Schwerte: „Ich kann gut nachvollziehen, was es bedeutet, eine gute Kooperation beispielsweise zwischen dem Jugendhilfedienst und der Kriminalpolizei zu haben oder etwa zwischen Ordnungsdienst und Polizei bei Großveranstaltungen.“ Sicherheit ist für Frommeyer die Summe aus einem gut vernetzten Zusammenspiel vieler städtischer Abteilungen mit der Polizei – von der Sozialverwaltung über die Ordnungsverwaltung bis hin zur Feuerwehr. Sein Credo: „Eine sichere Stadt ist auch eine attraktive Stadt für die Wirtschaft.“
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Ein Schwerpunkt seiner Arbeit bildet auch die Fußball-EM 2024, die ein friedliches Fest und ein Magnet für Gelsenkirchen werden soll. Als „große Herausforderung“ für die Polizei bezeichnet Frommeyer das Thema Sicherheit beim Hochrisikospiel zwischen England und Serbien – es birgt aufgrund der Fangefüge viel Gewaltpotenzial. Seinem Gefühl nach ist „die Polizei von ihrer Struktur her gut aufgestellt und deutlich vor der Lage.“ Soll vermitteln: Die Polizei ist auf alle Eventualitäten vorbereitet. Zusammen mit der Stadt werde man eine Kooperation aus einem Guss hinkriegen, äußert sich Frommeyer zuversichtlich.
Streit zwischen Schalker Ultras und Polizei: Polizei-Chef macht Gesprächsangebot
Die Hand reichen möchte Tim Frommeyer der organisierten Schalker Ultraszene. Dem 43-Jährigen, fußballtechnisch in der verbotenen Stadt Dortmund sozialisiert, ist bewusst, welch dicke Bretter man bohren muss, um mit ihr – standortunabhängig – überhaupt in Kontakt zu treten. Gleichwohl will er den Ultras Gesprächsangebote machen – trotz aller herrschenden Vorbehalte und abgelehnter Treffen von Ultraseiten. „Mir ist es wichtig, dass wir an jeder Ecke, sofern möglich, Feuer herausnehmen“, sagt Frommeyer. Die bislang getroffenen Bewertungen und Entscheidungen von Polizei und Verein erachtet er als richtig. Vorausgesetzt, dass die Rahmenbedingungen sich nicht signifikant änderten, wolle er diese Marschroute auch fortsetzen. Sein Versprechen: Neue Entwicklungen werde die Polizei objektiv neu bewerten.
Zuletzt hatte es Streit um das sogenannte Problemfenster in der Schalker Arena gegeben. Die Polizei hatte dem durch den FC Schalke 04 vorgelegten Sicherheitskonzept vor der Partie gegen Holstein Kiel nicht zugestimmt, weil die anlässlich einer Choreografie geplanten Banner der Ultras Gelsenkirchen die Leitstellen (Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste) an der Ecke zur Nordkurve verdeckt hätten. Ähnlich viel Zündstoff im Vorfeld gab es für eine geplante Aktion von Gästefans zum Start der Rückrunde im Spiel gegen den HSV.
Gelsenkirchener Polizeipräsident zum Erstarken der Rechten: Werden klare demokratische Zeichen setzen
Mit Sorge beobachtet der neue Polizeipräsident das Erstarken der Rechten in Deutschland. Mit Blick auf das enttarnte Geheimtreffen von Rechtsextremen und Politikern in Potsdam macht Tim Frommeyer seine Grundhaltung in neuer amtlicher Funktion klar. „Ich werde mich nicht zu Parteien äußern, die durch demokratische Wahlen legitimiert worden sind.“ Gleichwohl kündigte der Präsident an, „jede Form von Extremismus und Radikalismus mit allen Mitteln zu bekämpfen.“ Die Gelsenkirchener Polizei werde, kündigte der Familienvater für seine Amtszeit an, „ganz klare demokratische Zeichen setzen“.
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Postings in sozialen Medien: Gelsenkirchens Polizeipräsident lässt lieber der Behörde den Vortritt
Vorgängerin Britta Zur, heute Beigeordnete in Düsseldorf, hat dafür in ihrer Gelsenkirchener Zeit sehr ausgiebig soziale Medien genutzt und tut dies heute noch in der Landeshauptstadt überaus eifrig – über offizielle wie auch private Kanäle. Frommeyer findet dies gut und richtig, sieht sich selbst aber nicht in der Rolle, mit persönlichen Postings in die Öffentlichkeit zu treten. Dafür aber die Polizeibehörde selbst über X, ehemals Twitter, Facebook oder Instagram. Die Begründung liefert der Jurist in einem Atemzug hinterher: „Ich möchte, dass die Polizei stärker wahrgenommen wird und nicht ich.“
Er ist Polizeipräsident, seine Frau ist Ärztin, daheim zwei Kinder im Grundschulalter – wie findet man da Ruhe und Entspannung? „Ganz klar“, sagt Tim Frommeyer, „indem ich Zeit mit meiner Frau und den Kindern verbringe, ich bin ein absoluter Familienmensch.“ Seiner Vorliebe für Basketball, Fitnesstraining oder Schwimmen hofft der 43-Jährige trotz eines vollen Terminkalenders und großer Verantwortung halbwegs regelmäßig nachgehen zu können.