Gelsenkirchen. Die EM-Partien sind ausgelost. Gelsenkirchen bekommt ein „Hochrisikospiel“. So sieht das Sicherheitskonzept der Polizei aus.

36 Jahre nach der ersten Europameisterschaft in Deutschland und 18 Jahre nach der WM 2006 gibt es wieder eine sportliche Großveranstaltung in Deutschland – die Fußball-EM vom 14. Juni bis zum 14. Juli 2024. Bei der UEFA Euro 2024 wird es binnen eines Monats 51 Fußballspiele in zehn bundesdeutschen Großstädten geben. Über 2,5 Millionen Besucher aus dem In- und Ausland werden in die Stadien strömen. Darunter auch in die Arena auf Schalke. Peter Both, Leitender Polizeidirektor in Gelsenkirchen, äußert sich nach der Auslosung der EM-Partien über Duelle mit „Blackbox“-Charakter und mögliche Anschlagsszenarien an den örtlichen Hotspots im Norden und Süden der Stadt.

„Wir haben richtig Bock auf die EM, die Vorfreude ist riesig“, sagt Peter Both auf die Frage nach der Stimmung in der Belegschaft. Diese gute Grundstimmung gehe zurück auf die überaus positiven Erfahrungen von der WM 2006. Das Gros der Fans seien fröhliche und friedlich feiernde Menschen gewesen, nur kleinere Gruppen hätten der Polizei mehr Arbeit und Stress bereitet.

Gelsenkirchener Polizei richtet sich auf Massenandrang von englischen Fans ein

Die Polizei sieht Fußballfans „nicht als Bedrohung“, propagiert rundweg eine Willkommenskultur. Die Behörde schaut Peter Both zufolge aber auch nicht naiv auf einen möglichen Massenandrang, der traditionsgemäß mit den Spielen der Engländer einhergeht. Zuletzt haben sich die Sicherheitsbehörden in Wembley dazu noch ausgetauscht. Demnach zieht ein Gruppenspiel der „Three Lions“ gut und gerne „50.000 bis 80.000 Fans“ nach sich. Da sich die Stadion-Kontingente in der Regel auf 10.000 Tickets beschränken, bleiben „jede Menge Anhänger übrig“, die die Straßen und Plätze, Cafés und Lokale in Gelsenkirchen bevölkern würden. Damit erhöht sich auch das Risikopotenzial.

Peter Both ist Leitender Polizeidirektor in Gelsenkirchen.  Er plant die Sicherheitsmaßnahmen für die Fußball-EM 2024.
Peter Both ist Leitender Polizeidirektor in Gelsenkirchen. Er plant die Sicherheitsmaßnahmen für die Fußball-EM 2024. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Innerstädtische Flächen wie der Heinrich-König-Platz (HKP) in der Altstadt oder die Domplatte in Buer, beide sind als Fanzonen in der Planung vorgesehen, geben eine solche Kapazität nicht her, ebenso wenig wie Fanzone Nummer drei, der Nordsternpark, das Maximum aller liegt bei 4000 respektive 7000 Besuchern. Deshalb, sagt Peter Both, werde man den englischen Fans auf der Trabrennbahn mit einem Fassungsvermögen von deutlich über 10.000 Menschen „ein zweites Angebot machen“. Eine weitere, generelle Anlaufstelle (für Public Viewing) ist das Amphitheater am Kanal (maximal 7000 Zuschauer).

Pufferzonen in der Gelsenkirchener Arena - Serbische Fans eine „Blackbox“ für Polizei

Ein zusätzliches „Blackbox“-Problem zu lösen, hat die Polizei mit serbischen Fans. England spielt am 16. Juni in Gelsenkirchen gegen Serbien. Die Partie gilt als „Hochrisikospiel“, weshalb die Ticketkontingente für dieses Spiel reduziert werden, um an den Rändern der Blocks „Pufferzonen“ zu schaffen. Both zufolge fehlten der Polizei „Erfahrungswerte“ zur serbischen Anhängerschar. Beispielsweise über die in etwa zu erwartende Zahl serbischer Fans oder die Existenz eines gewaltbereiten Kerns. Es sei außerdem zu erwarten, dass die serbischen Anhänger ihre Mannschaft auch beim Spiel in Gelsenkirchen mit Pyrotechnik unterstützen wollten. Zwischen den szenekundigen Beamten in Serbien und in Gelsenkirchen gebe es deshalb zu all diesen Fragen einen „intensiven Informationsaustausch“.

Die Domplatte im Norden der Stadt ist als kleinere Fanzone vorgesehen, als Treffpunkt der Fans der Nationalmannschaften von Spanien und Portugal, der HKP im Süden für die Anhänger der anderen Nationen, die in Gelsenkirchen spielen. Geplant ist ebenso schon, wo die jeweiligen Fußballfans in der Gelsenkirchener Arena ihren Platz finden werden. Die Südkurve ist beispielsweise reserviert für Anhänger von England und Italien, die Nordkurve für Portugal, Spanien und Serbien. Lesen Sie auch:Die deutschen Gegner im Kurzporträt

EM in Gelsenkirchen: Aufgestockte Gefangenensammelstellen für Krawallmacher

Problematisch wird es aus Sicht der Polizei, wenn „Ticketkontingente nicht vollständig abgenommen werden“. Dann nämlich bekomme die jeweils andere Nation den Zuschlag. „Die Fans verteilen sich dann in den anderen Blocks“. Beispielsweise entlang der Geraden. Was den Sicherheitskräften im Fall von Krawallen und Tumulten zusätzliche Brennpunkte bescheren könnte, die es zu entschärfen und zu befrieden gilt. An die Adresse möglicher Problemfans richtete der Beamte seine mit Witz verpackte Warnung: „Die Polizei bietet solchen Leuten in den Gefangenensammelstellen Kost und Logis frei Haus an.“ Für die EM werden größere Kapazitäten bereitgestellt, um Unruhestifter und Krawallmacher in Gewahrsam zu nehmen – allein für das Einzugsgebiet Gelsenkirchens „im dreistelligen Bereich“.

Die Gelsenkirchener Trabrennbahn bietet Platz für mehr als 10.000 fußballbegeisterte Zuschauer.  Große Fan-Ströme, wie sie beispielsweise bei Spielen der Engländer zu erwarten sind, sollen hier eine Möglichkeit zum Public Viewing bekommen.
Die Gelsenkirchener Trabrennbahn bietet Platz für mehr als 10.000 fußballbegeisterte Zuschauer. Große Fan-Ströme, wie sie beispielsweise bei Spielen der Engländer zu erwarten sind, sollen hier eine Möglichkeit zum Public Viewing bekommen. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Verstärkung erhalten die örtlichen Polizeibehörden dafür und für weitere Aufgaben von den 14 Bereitschaftspolizei-Standorten, Polizistinnen und Polizisten aus ganz NRW unterstützen das Präsidium Gelsenkirchen, beispielsweise aus Bochum, Recklinghausen oder Münster.

Abriegelungen der Fanzonen und Personenkontrollen: Entscheidung steht noch aus

Die Arena auf Schalke wird mit einem Zaun im Radius von mehreren Hundert Metern um das Stadion abgeriegelt. Zutritt nur mit entsprechender Berechtigung. Der im Sperrkreis liegende Parkplatz P1 ist für die Schar der Medienvertreter reserviert, die Schalker Geschäftsstelle bleibt von der Umzäunung unberührt, ebenso wie die Kurt-Schumacher-Straße als Verkehrsschlagader oder die Parkzonen D und E. Wie sieht es aber mit Absperrungen und Zugangs- oder Taschenkontrollen im Zuge von möglichen Anschlagsszenarien aus an Fanzonen und Public-Viewing-Plätzen aus? Lesen Sie auch:EM 2024 in Gelsenkirchen: „Arbeit wird brutal hart“

„Wir sind auf solche Ereignisse vorbereitet“, sagt Peter Both ohne nähere Details nennen zu können, sie unterliegen der Geheimhaltung. Ihm zufolge ist über Absperrungen und Personenkontrollen an den öffentlichen Fußball-Treffpunkten noch keine abschließende Entscheidung gefallen. Die Zuständigkeit dafür liege bei der Stadt. Eine Anfrage der Redaktion dazu blieb bislang noch unbeantwortet.

Der leitende Polizeidirektor verweist in dem Zusammenhang darauf, dass eine hermetische Abriegelung ohnehin nicht machbar und auch kein guter Ansatz sei. „Wir können Gelsenkirchen nicht zu einem Hochsicherheitstrakt machen. Man darf sich von einer abstrakten Gefahr nicht die Freude am Fußball nehmen lassen darf. Das Leben geht weiter“.