Gelsenkirchen. Gelsenkirchens Sonderstellung in Sachen Schrotthäuser und Integration wird endlich honoriert. Warum das aus Sicht der Stadt aber nicht ausreicht.
Schon Alt-OB Frank Baranowski, aber insbesondere die derzeitige Oberbürgermeisterin Karin Welge hätten sich die „Hacken wund gelaufen“, um bei Bund und Land auf die spezielle Situation Gelsenkirchens in Sachen Armut, Zuwanderung und Problemimmobilien aufmerksam zu machen, sagte Bezirksbürgermeister Thomas Fath bei der Vorstellung der neuen städtischen Strategie „zur Wahrung des sozialen Friedens und Stärkung des Zusammenhalts in Gelsenkirchener Quartieren“.
Die millionenschwere „Zukunftspartnerschaft“ zwischen Stadt und Land, durch die Schrotthäuser im großen Stil aus dem Stadtbild verschwinden sollen, ist hier aber durchaus als Zäsur zu verstehen: Die Verwaltung verspricht sich von diesem „Dekadenprojekt“, die Stadt „in Teilen neu zu denken und zu bauen“ und ihre „Narben zu schließen“, wie es Welge bereits selbst vor kurzer Zeit formulierte.
Mit der Unterstützung sei es damit aber nicht getan, appellierten die Vertreter aus Stadt und Politik bei der Vorstellung von „Vielfalt lebendig gestalten“ – und forderten, folgende drei gesetzliche Änderungen auf Bundes- oder Landesebene anzugehen:
- „Eine Änderung des Zwangsversteigerungsgesetzes ist dringend nötig!“, sagte Hans-Joachim Olbering, Leiter des Referats für Sicherheit und Ordnung der Stadt. Die aktuelle Gesetzeslage sieht vor, dass bei Zwangsversteigerungen nur zehn Prozent des Verkehrswertes als Sicherheitsleistung sofort zu bezahlen sind, der Rest bis Fristablauf. Bis ein zwangsversteigertes Haus wieder unter den Hammer kommt, vergeht dann meist mindestens ein Jahr. Dieses System wird in Gelsenkirchen systematisch ausgenutzt, um mit Schrotthäusern Profit zu machen. Lesen Sie dazu:Gelbes Haus: So läuft das Geschäft mit Schrotthäusern
- „Gelsenkirchen leistet über Gebühr Integrationsleistungen, die überhaupt nicht gewertet werden, an keiner Stelle, überhaupt nicht und in keiner Form honoriert werden“, sprach Integrationsdezernentin Anne Heselhaus Klartext. Berücksichtigt werden müsse bei der Verteilung von Geflüchteten nach der sogenannten FlüAG-Quote, der Quote nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz, auch der Zuzug von Menschen aufgrund von Arbeitsaufnahme oder Familiennachzug. Berücksichtigt wird das in einer anderen Quote, jener nach der Wohnsitzauflage. Diese Quote wird von Gelsenkirchen massiv übererfüllt – nach der FlüAG-Regelung allerdings muss die Stadt noch immer hunderte Menschen aufnehmen.
- „Ich bin es leid, dass wir finanziert werden über Förderprojekte und Programme“, sagte Stadträtin Anne Heselhaus zudem. Gerade im Bereich Integration bräuchte es eine „strukturierte, institutionelle Förderung“ mit einem geringeren bürokratischen Aufwand, also ohne Ausschreibungen und komplizierte Förderrichtlinien. Es sei schädlich, dass viele Programme nur über einen bestimmten Zeitraum laufen und für diese in Folge nur befristet eingestelltes Personal eingestellt werden könne.