Gelsenkirchen. Ideen für die Nutzung des Zentralbadgeländes in Gelsenkirchen gibt es viele. Was den Berufskollegs und Entscheidern besonders wichtig ist.
Politik, Wirtschaft und Bildungsverwaltung sind sich eigentlich einig: Bei den sanierungsbedürftigen Berufskollegs (BKs) muss sich endlich etwas tun, und zwar schnell. Angesichts des extremen Fachkräftemangels bundesweit und der zugleich extrem hohen Zahl jugendlicher Zuwanderer in Gelsenkirchen liegt es nahe, diese Möglichkeiten so gut und vor allem so schnell wie möglich zu nutzen. Nicht ganz so einig ist man sich allerdings mit dem Weg dorthin. Bei der Ankündigung zum „Plan B“ für das Gelände des ehemaligen Zentralbades Anfang Mai, das nun nicht mehr für die Polizeihochschule frei gehalten werden muss, war von einer Zeitschiene von 20 Jahren für die komplette Neuaufstellung der drei Berufskollegs die Rede. Eine Zahl, die nicht nur den drei Schulleitern Unbehagen bereitet.
Start möglichst mit dem Berufskolleg Technik und Gestaltung
In einer Sondersitzung Ende Juni sollen die Bildungsausschussmitglieder nun gestaltend mitwirken an der Umsetzung der Ergebnisse des Entwicklungsgutachtens für die lokalen Berufskollegs. Selbst gestaltend aktiv werden: „Die Möglichkeit hatten wir ja lange nicht. Aber es ist wunderbar“, kommentiert Ulrich Jacob, bildungspolitischer Sprecher der SPD, die Entwicklung. Der Vorschlag des Gutachters, in einer zentralen Einheit die beruflichen Fachschulen und die Beruflichen Gymnasien aller drei BKs gemeinsam anzusiedeln, erscheine ausgesprochen sinnvoll. Ein abschließendes Statement könne es erst am Ende der Debatte in der Sondersitzung geben, so Jacob. Man müsse sich allerdings ehrlich machen, und die Profile wirklich schärfen. Den Anfang sollte nach Einschätzung seiner Fraktion und des Gutachters das BK Technik und Gestaltung machen, da hier die Restlaufzeit der Gebäude die geringste sei.
Fischer: „Drehtürmodell braucht auch räumliche Nähe“
Die Profile sieht David Fischer, bildungspolitischer Sprecher der Grünen, indes längst hinreichend geschärft. Das von den Berufskollegs dringend eingeforderte Drehtürmodell werde von ihnen systemisch längst nach Kräften gelebt. Aber um Auszubildenden wirklich die Möglichkeit zu geben, sich im Vorfeld umfassend zu orientieren, welche Fachbereiche die richtigen für sie sind und sich auch kurzfristig umentscheiden zu können, „braucht es die räumliche Nähe, zumindest die Nachbarschaft. Mit dem Fahrtweg nach Buer ist das kaum zu vereinbaren“, so Fischer. Damit müsste das BK am Goldberg im Stadtsüden angesiedelt werden. Bis zur Realisierung müsse allerdings die Sanierung der Altgebäude weitergehen, so Fischer.
Lesen Sie dazu den Kommentar:Berufskollegs brauchen dringend Vorfahrt
Die Präsentation der im Hintergrund von der Verwaltung entwickelten Pläne und Ideen zu Möglichkeiten des Bildungscampus auf dem Zentralbadgelände habe die Grünen aber sehr überrascht. Die Grünen hätten bei den Dialogrunden mit der Politik zu den Ergebnissen des Gutachtens aufgrund der kurzfristigen Einladung nur einmal teilnehmen können. Auch die CDU sei nur einmal dabei gewesen aufgrund einer parallelen Sitzung des Ältestenrats, klagt Fischer.
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Markus Karl, bildungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, will das Denken nicht auf BKs beschränken, sondern fordert eine Innovationsgemeinschaft mit Unternehmen, Wissenschaft und Bildung. „Wir müssen weiter denken, den Standort nicht singulär denken, sondern die ganze Achse bis zum übervollen Wissenschaftspark mitdenken. Auf der Achse liegt auch etwa das alte Amtsgericht und auch die Bahnhofstraße.“ Dennoch: Binnen der nächsten zehn Jahre müsste der Umbau der BKs auch seiner Meinung nach fertiggestellt sein.
Nur mit entsprechender Schule vor Ort bilden Betriebe auch aus
Die drei Leiter der BKs, Uwe Krakau (btg), Ralf Niebisch (Goldberg) und Gorden Skorzik (Königstraße), indes sind sich einig: Nur durch geografische Nähe ist das komplette Drehtürmodell wirklich umsetzbar. Alle drei Leitungen bestätigten dies auf WAZ-Nachfrage. Vor allem aber müsse es darum gehen, jetzt mit einem Kolleg schnell zu starten und die anderen direkt folgen zu lassen, betont Schulformsprecher Uwe Krakau.
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Alle beruflichen Gymnasien und Fachschulen in einem Gebäude zu zentralisieren, sei eine sehr gute Idee, versichert auch Krakau. Damit könne Gelsenkirchen ein Alleinstellungsmerkmal in der Region gewinnen. „Man muss alles tun, um Ausbildung hier vor Ort zu ermöglichen, das haben in den Dialogrunden Wirtschaft, Gewerkschaften und Schulen und Arbeitsagentur bestätigt. Gibt es kein passendes schulisches Angebot hier, bieten auch die Betriebe die Ausbildung nicht mehr an“, versichert Krakau. Daher plädiert er – ähnlich wie Skorzik – dafür, auch kleinere Lerngruppen zu erhalten. Im Technikbereich gebe es viele Berufe mit geringer Azubi-Zahl, die aber teilweise fachübergreifend gemeinsam unterrichtet werden könnten.
Neustart noch in der eigenen Amtszeit erleben
Aber auch Gorden Skorzik hat Bedenken: „Es ist wichtig, dass jetzt schnell ein Stein bewegt wird, um anzufangen. Unsere große Sorge ist, dass jetzt ein erster Schritt getan wird und dann alles wieder stoppt.“ Ralf Niebisch vom BK am Goldberg, an dem man seit zehn Jahren auf den Start umfassender Sanierung jenseits von Schadstoffbeseitigung wartet, hofft trotzdem, den Neustart noch in der eigenen Amtszeit erleben zu können.
„Gerade Verwaltungsmitarbeiter werden dringend gesucht, da ist das Ausbildungsangebot besonders wichtig“, bekräftigt Krakau den Bedarf. Man könne sich auch vorstellen, Heranwachsende ähnlich der Vorbereitung auf den Polizeidienst an der Königsstraße am BK auf eine Verwaltungsausbildung vorzubereiten.