Gelsenkirchen. Raubzüge von Jugendlichen beherrschen die Schlagzeilen in Gelsenkirchen. Nach ersten Festnahmen sagt die Polizei: „Wir haben die Richtigen.“
Raubzüge in Serie von Jugendlichen sorgten für erschütternde Schlagzeilen und haben Gelsenkirchen überregional in den Fokus gerückt – bis hinauf ins Innenministerium. Mit Blick auf ein ereignisreiches Jahr spricht der Leitende Polizeidirektor Peter Both über Fahndungserfolge und neue Erkenntnisse, über Schnittmengen mit Gewalttätern an Schulen sowie über ungelöste Probleme mit der organisierten Fanszene des FC Schalke 04 – dort stößt die Polizei auf eine „Mauer des Schweigens“.
Herr Both, was war oder ist aus polizeilicher Sicht das beherrschende Thema in diesem Jahr?
Peter Both: Eindeutig die vielen Raubzüge von Jugendlichen auf Jugendliche. Das hat uns als Behörde nach dem Sommer stark beschäftigt. Wir haben sehr früh auf diesen negativen Trend reagiert und eine Ermittlungskommission eingerichtet. Gut 20 Kräfte waren und sind in der Stadt mit der Aufklärung dieser Straftaten betraut und präsent, darunter sind zivile Beamte und Beamtinnen und Beamte der Bereitschaftspolizei. Dadurch konnten wir die Zahl neuer Raubzüge aus einem jugendlichen Täterfeld massiv nach unten drücken.
Es hat erste Festnahmen gegeben, was ist Stand der Ermittlungen?
Polizei beklagt „herben Vertrauensbruch“ durch Schalker FansEs sind bereits zwei Haftbefehle gegen zwei Jugendliche vollstreckt worden. Das ist ein ungewöhnlicher Vorgang, denn um die Gefährdung und das weitere Abgleiten von bereits belasteten jungen Menschen zu verhindern, sollte U-Haft nach Möglichkeit vermieden werden. Aber ab einer bestimmten Schwelle krimineller Energie geht es nicht mehr anders. Zuletzt sind ein 15-Jähriger und ein 17-Jähriger festgenommen worden. Wir sind mit unseren Ermittlungen allerdings längst noch nicht am Ende, wir hören ja nicht auf. Stand jetzt, reden wir von 47 Tatverdächtigen. Ich kann sagen: Wir haben die Richtigen erwischt.“ Ich möchte an dieser Stelle hinzufügen, dass ich mich maßlos über die vielen negativen Kommentare in den sozialen Netzwerken zur Arbeit der Polizei insgesamt geärgert habe, gerade von selbst ernannten Experten wie ehemaligen Hochschulprofessoren der Ruhr-Uni. Es hat den Anschein, als ob da draußen wie bei der deutschen Fußball-Nationalmannschaft Tausende Trainer sitzen, die besser zu wissen glauben, wie Polizeiarbeit geht. Wir machen und können es, und wir machen es gut. Die Experten sind wir. Das haben auch die schnellen Festnahmen nach dem versuchten Tötungsdelikt im Lohmühlenpark gezeigt. Eine überragende Arbeit der Kriminalpolizei.
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Aus welchem Umfeld kommen die Tatverdächtigen?
Es handelt sich um Heranwachsende im Alter von zwölf bis unter 20 Jahren. Sie kommen aus schwierigen sozialen Verhältnissen, nicht wenige sind polizeibekannt und vorher schon durch Gewaltdelikte wie gefährliche Körperverletzung oder räuberischen Diebstahl aufgefallen.
Wie haben die Eltern der tatverdächtigen Jugendlichen reagiert, waren sie überrascht oder ungerührt?
Die Eltern wissen um die kriminellen Karrieren ihrer Sprösslinge. Es ist schließlich nicht das erste Mal gewesen, dass ihre Kinder in Begleitung von Polizeikräften nach Hause gebracht wurden. So traurig es ist: Hier ist keine Sozialkontrolle mehr zu erwarten. Zumal bei unter 14-Jährigen strafrechtlich keine Handlungsmöglichkeiten bestehen.
Gewalttätige Übergriffe hat es auch an Gelsenkirchener Schulen gegeben, wie bewertet die Polizei das?
Körperverletzungen und Gewalt im Umfeld von Schulen sind äußerst besorgniserregend. Nach unseren Erkenntnissen gibt es Schnittmengen mit der Täterschaft, die für Raubzüge auf Jugendliche verantwortlich gemacht wird. Um solche Taten einzudämmen und ihnen künftig entgegenzuwirken, ist ein runder Tisch mit vielen Beteiligten gebildet worden, um gemeinsam über Strategien zur Sicherheit von Schulen, Lehrkräften und der Schülerschaft sprechen. Die zentrale Botschaft aber ist: Schule muss ohne Polizei funktionieren. Wenn Sicherheitsdienste für Ordnung sorgen müssen, dann läuft etwas gewaltig schief. Die Polizei ist präsent, sie sieht sich an Schulen aber nicht in der A-Position. Das ist nicht Kern unserer Aufgabe. Schulen, Lehrer, Schüler, sie alle müssen gestärkt werden. Es gilt, mit der Prävention in die Familien zu kommen.