Gelsenkirchen. Warum die Polizei Gelsenkirchen über einen Vertrauensverlust zu Schalke-Fans spricht. Teil zwei des WAZ-Interviews mit Behördenleiter Peter Both.

Raubzüge in Serie von Jugendlichen sorgten für erschütternde Schlagzeilen und haben Gelsenkirchen überregional in den Fokus gerückt – bis hinauf ins Innenministerium. Mit Blick auf ein ereignisreiches Jahr spricht der Leitende Polizeidirektor Peter Both über Fahndungserfolge und neue Erkenntnisse, über Schnittmengen mit Gewalttätern an Schulen sowie über ungelöste Probleme mit der organisierten Fanszene des FC Schalke 04 – dort stößt die Polizei auf eine „Mauer des Schweigens“. Der zweite Teil des Interviews:

Herr Both, Sicherheit ist in einer fußballverrückten Stadt wie Gelsenkirchen auch auf dem Sportplatz ein großes Thema. Stichwort Choreographie-Verbot wegen des Einschleusens verbotener Pyrotechnik beim Freiburg-Spiel oder Fan-Märsche wie gegen Bochum. Wie sieht es an der Fußballfront aus?

Peter Both: Schalke ist als Veranstalter für die Sicherheit in der Arena verantwortlich. Basis für ein friedliches Fußballfest ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Beteiligten. Grundsätzlich ist der Austausch mit Schalke über Frau Rühl-Hamers als Zuständige bei S04 großartig. Aber: Leider spielt die organisierte Fanszene nicht mit. Die Partie gegen Freiburg bedeutete eindeutig einen herben Vertrauensbruch. Und auch der unangemeldete Marsch von Hunderten Schalke-Fans über die Kurt-Schumacher-Straße, die vor dem Spiel gegen Bochum eine Stunde lang blockiert war, war denkbar ungeeignet, an dem Verhältnis etwas zu ändern.

Das bedeutet?

Das geht so nicht. Wir sind weit entfernt davon, gelebte Fan-Kultur verbieten zu wollen. Ich bin selber aktiver Stadiongänger in meiner Freizeit und liebe das Stadionerlebnis. Aber dazu bedarf es der Bereitschaft von Ultras und Co., sich mit uns an einen Tisch zu setzen und über geplante Fan-Aktionen vor, während oder nach den Spielen offen und ehrlich zu reden. Wenn bald zehn Jahre nach dem Polizei-Einsatz beim Spiel gegen Paok Saloniki immer noch die Devise gilt: Mit der Polizei redet man nicht, dann werden wir nie eine Lösung finden. Für die Polizei kann ich sagen: Ich glaube fest daran, dass es in der Arena wieder Choreographien geben wird – wir müssen das Ziel nur gemeinsam erreichen.

Ein Blick voraus auf die EM 2024 und auf die vier Spiele, die in Gelsenkirchen stattfinden. Sie sind für die Organisation der Sicherheit zuständig. Was ist Stand der Vorbereitungen?

Die Vorbereitung laufen, wir sind schon recht weit, jetzt nach der WM in Qatar werden die Planungen noch massiver in den Fokus rücken. NRW wird mit vier von insgesamt bundesweit zehn Stadien bei der Euro 2024 vertreten sein. Neben Dortmund, Düsseldorf und Köln auch Gelsenkirchen, wo in der Arena drei Vorrundenspiele und ein Achtelfinale ausgetragen werden. Eine 75-köpfige Delegation der UEFA hat die Stadt besucht. Themen waren dabei Fan-Villages und Public Viewing, Meeting-Points und Absperrungen rund um die Arena – der sogenannte letzte Kilometer, ab dem man nur noch mit einer Akkreditierung näher ans Stadion gelangt.

Welche Standorte erscheinen als geeignet als Treffpunkte für Fans oder für ein öffentliches Public-Viewing und woher verläuft die Bannmeile?

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Die WM von 2006 dient uns bei den Planungen als eine Art Blaupause. Allerdings muss man berücksichtigen, dass Europa sich verändert hat. Die Wahrscheinlichkeit für Spiel-Paarungen mit Risiko-Fans ist größer geworden, beispielsweise bei einer Paarung wie England gegen Holland. Letztlich schlauer sind wir erst nach der Auslosung im Dezember 2023. Aus polizeilicher Sicht ist es dennoch ratsam, mehr als eine Örtlichkeit als Treffpunkt für die verschiedenen Fan-Lager zu haben. In der Diskussion sind der Nordsternpark und die Trabrennbahn Gelsenkirchen als Orte für Public Viewing und Fan-Villages.

Und wo würde eine Sperrzone herlaufen?

Klar ist – und das brauchte einige Überzeugungsarbeit gegenüber dem Fußballverband – dass Hauptverkehrsachsen wie die Kurt-Schumacher-Straße, die Emil-Zimmermann- und die Willy-Brandt-Allee für den Verkehr frei bleiben müssen. Die Sperrzone wird wohl den Umkreis von Gelsenwasser-Parkplatz, Charly-Neumann-Brücke und Schalke Geschäftsstelle erfassen.

Kommen wir zu Ihnen. Sie leiten seit etwa einem halben Jahr das Polizeipräsidium Gelsenkirchen übergangsweise. Ein neuer Polizeipräsident oder eine neue Polizeipräsidentin ist noch nicht in Sicht. Würden Sie es machen, wenn Innenminister Herbert Reul Sie fragte?

Die kommissarische Vertretungsarbeit mache ich gerne, das Polizeipräsidium Gelsenkirchen ist eine tolle Behörde. Ich hänge am Revier und den Menschen, meine Frau und meine Familie kommen aus Gelsenkirchen. Um die Frage in der Fußballsprache zu beantworten: Mich hat noch niemand gefragt, außerdem bin ich ja für die Euro 2024 eingekauft worden. Insofern stellt sich nicht die Frage, ob ich es mache.

Also nicht gekommen, um zu bleiben?

Im Gegenteil. Ich habe zu meinem Antritt in Gelsenkirchen gesagt, das ich bleibe, bis Schalke wieder aufgestiegen ist. Jetzt überlege ich, dass ich erst gehe, wenn Schalke Deutscher Meister wird.