Gelsenkirchen. Mit einer ukrainischen Stadt sind die Verbindungen sehr eng. Kommt eine feste Städtepartnerschaft, wie sie vom Bundespräsidenten gefordert wird?

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj haben bei ihrem Zusammentreffen am 25. Oktober dazu aufgerufen, mehr deutsch-ukrainische Städtepartnerschaften ins Leben zu rufen. Indem man auf diese Weise zusammenrücke, trage man „entscheidend dazu bei, unser gemeinsames Europa aufzubauen und zu stärken“, heißt es in einem gemeinsamen Appell. So könne eine Basis zur zukünftigen EU-Mitgliedschaft der Ukraine geschaffen werden. Wie diese Verbindungen entstehen können, lässt sich am Beispiel Gelsenkirchens demonstrieren.

Denn: „Zwischen der Stadt Gelsenkirchen und der Stadt Krementschuk in der Zentralukraine besteht seit Ausbruch des Ukraine-Krieges eine funktionierende, faktische Partnerschaft“, heißt es auf Nachfrage deutlich seitens der Stadt. Die Beziehungen zu Krementschuk gehen maßgeblich zurück auf die Initiativen des Gelsenkirchener Stadtverordneten Jürgen Hansen (SPD), der seit Beginn des russischen Angriffskrieges humanitäre Hilfe in Switlowodsk, nur wenige Kilometer entfernt von der 220.000-Einwohner-Stadt Krementschuk, leistet.

Seit Hilfskonvoi im März ist die Beziehung zwischen Gelsenkirchen und Krementschuk gefestigt

Hansen, der in die Krisensitzungen der dortigen Stadtverwaltung einbezogen wird und von der ukrainischen Großstadt aufgrund seiner Unterstützung bereits geehrt wurde, hatte Anfang März die ersten Hilfstransporte aus Gelsenkirchen an der rumänisch-ukrainischen entgegengenommen. Damals waren drei Fahrzeuge der Feuerwehr sowie Transporter des Deutschen Roten Kreuzes sowie ein Bus des Gelsenkirchener Busunternehmens Nickel voll beladen mit Medikamenten, Feldbetten und mehr unterwegs.

Jürgen Hansen (beige Hose) brachte gemeinsam mit der Feuerwehr Gelsenkirchen, dem DRK, der Tiertafel und dem Busunternehmen Nickel Anfang März erste Spenden aus Gelsenkirchen in die Ukraine. Es folgten zahlreiche weitere Hilfskonvois.
Jürgen Hansen (beige Hose) brachte gemeinsam mit der Feuerwehr Gelsenkirchen, dem DRK, der Tiertafel und dem Busunternehmen Nickel Anfang März erste Spenden aus Gelsenkirchen in die Ukraine. Es folgten zahlreiche weitere Hilfskonvois. © Privat | Jürgen Hansen

Der Transport nach Krementschuk glückte zwar, unter anderem aufgrund der chaotischen Lage an der Grenze sah die Stadt Gelsenkirchen künftig jedoch von der direkten Beteiligung an Hilfskonvois ab. Jürgen Hansen, der auch Vorsitzender des Vereins „Task Force Flüchtlingshilfe“ in Gelsenkirchen ist, koordinierte folgend jedoch mit Unterstützung mehrerer Organisationen zahlreiche weitere Hilfskonvois. Unter anderem gelang es ihm und seinen Unterstützern dabei, Rettungswagen für die Ukraine zu organisieren.

Gelsenkirchen: Über eine formale ukrainische Städtepartnerschaft später beraten

Seit dem ersten Hilfskonvoi stehen Gelsenkirchen und Krementschuk regelmäßig im Austausch. Wie die Stadt mitteilt, hätten sich „Oberbürgermeisterin Karin Welge und Stadtdirektor Luidger Wolterhoff in den vergangenen Wochen in zwei Videokonferenzen mit der Stadtspitze der Stadt Krementschuk ausgetauscht, um aus erster Hand zu erfahren, welche Unterstützung in der momentanen Situation in der Ukraine sinnvoll sein kann“. Dieser direkte Kontakt solle in den kommenden Monaten fortgesetzt werden.

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Um eine offizielle Städtepartnerschaft handele es sich dabei zwar noch nicht. Aber, so heißt es aus dem Hans-Sachs-Haus: „Der Stadt Gelsenkirchen ist diese praktische und sehr zielgerichtete Hilfe, die bei den Menschen in der Ukraine auch tatsächlich ankommt, in der derzeit so bedrückenden Lage für die Ukraine wichtiger als der bloße Austausch von Urkunden und Absichtserklärungen, die unmittelbar keine Wirkung für die vom Krieg betroffenen Menschen entfalten.“ Über eine formale Städtepartnerschaft könne dann immer noch beraten werden, wenn es die politische Situation in der Ukraine zulasse.

Unterschiedliche Beziehungen zu den sechs Gelsenkirchener Partnerstädten

Gelsenkirchen hat aktuell sechs offizielle Partnerstädte, die jeweils mit unterschiedlicher Intensität gepflegt werden. Diese Städte sind Büyükçekmece (Türkei, seit 2004), Cottbus (Brandenburg, seit 1995), Newcastle upon Tyne (England, seit 1948), Olsztyn/Allenstein (Polen, seit 1992), Schachty (Russland, 1989) und Zenica (Bosnien und Herzegowina, seit 1969).

Die Partnerschaft zu Schachty besteht trotz des russischen Angriffskriegs weiter, das Verhältnis zur 240.000-Einwohner-Stadt im Donezbecken war jedoch schon zuvor keine besonders lebendige. Oberbürgermeisterin Welge wendete sich Anfang März mit einem Brief und Friedensappell an die Bürgermeisterin der russischen Partnerschaft und verurteilte darin den russischen Angriffskrieg deutlich. Die Städtepartnerschaft mit dem türkischen Büyükcekmece etwa wird dagegen jetzt mit einer 42-köpfigen Delegation aus Gelsenkirchen am 3. November belebt und gepflegt.

In Zusammenarbeit mit der Ehrenamtsagentur informiert die Stadt Gelsenkirchen über ihre Homepage regelmäßig, welche Möglichkeiten die Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener haben, um mit Sach- und Geldspenden den Menschen in Krementschuk und der Ukraine zu helfen. Infos unter: ehrenamt.gelsenkirchen.de/de/Projekte/Ukrainehilfe/