Gelsenkirchen. „Sie bomben uns in Grund und Boden“: Gelsenkirchener Jürgen Hansen berichtet Schreckliches aus der Ukraine. Nie wurde Hilfe dringender gebraucht.

Jürgen Hansen ist ein Mann der klaren Worte. Und die aktuelle Lage in der Ukraine will der 65-Jährige, der dort seit Beginn des russischen Angriffskrieges humanitäre Hilfe leistet, nicht schönreden. „Sie bomben uns in Grund und Boden“, sagt der Gelsenkirchener. „Die gesamte Kriegsführung Moskaus zieht aktuell einzig und alleine auf Terror und Zerstörung der Infrastruktur.“

Das bekommt Hansen auch in Switlowodsk zu spüren, dort, wo er seine Residenz hat, dort, wo er sich eigentlich nach seinem Berufsleben zur Ruhe setzen wollte. Nur wenige Kilometer entfernt schlagen die Raketen aktuell ein. „Ich habe zuletzt mehr Zeit im Kartoffelbunker verbracht als draußen“, erzählt Hansen, der in Gelsenkirchen für die SPD im Stadtrat sitzt. Es gebe keine Eisenbahnknotenpunkte, keine bedeutenden Straßenkreuzungen, die nicht beschossen würden.

In Krementschuk, der nächstgelegenen Großstadt, wo Hansen aufgrund seines Engagements mittlerweile einen Ehrenorden erhalten hat, wurden seinen Informationen zufolge mittlerweile drei von vier Fernheizkraftwerken zerschossen. Und eine Reparatur ist nicht möglich. „Es fehlt an Ersatzteilen, es fehlt an allem“, sagt er. Aufgrund der Zerstörungen der Energie-Infrastruktur komme es auch bei ihm in Switlowodsk zu massiven Stromausfällen. „Zuletzt hatten wir bei uns nur noch zwei Stunden am Tag Strom.“

Auch Krankenhäuser müssen dort ohne Strom auskommen, wo Gelsenkirchener Jürgen Hansen Hilfe leistet

Hansen interpretiert Putins Flächenbombardement als ein Ventil für den „inneren Druck, der auf Putin wirkt“. Denn dass die ukrainische Armee weiterhin große Erfolge erziele, sie unbestritten. Der Druck komme jedoch nur von den Eliten und Intellektuellen Russlands. „Das einfache Volk macht noch bei allem mit. Aber auch hier wächst der Ärger, wenn von den 300.000 Soldaten, die durch die Teilmobilmachung aktiviert werden, am Ende nur noch 100.000 übrigbleiben. Die werden verheizt“, sagt Hansen.

Gelsenkirchener Jürgen Hansen leistet in der Ukraine Hilfe. „Sie bomben uns in Grund und Boden“, sagt er über die aktuelle Kriegsstrategie Russlands.
Gelsenkirchener Jürgen Hansen leistet in der Ukraine Hilfe. „Sie bomben uns in Grund und Boden“, sagt er über die aktuelle Kriegsstrategie Russlands. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Doch auch wenn es nur ein Akt der Verzweiflung zu sein scheint: Für die Zivilbevölkerung ist die „Taktik der verbrannten Erde“, die auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Wladimir Putin vorwirft, fatal. Ein Beispiel: Vier Krankenhäuser gibt es in Krementschuk, darunter ein Kinderkrankenhaus. Und auch sie müssen laut Hansen inzwischen größtenteils ohne Elektrizität auskommen. „Die OP-Säle laufen noch durch Notstromaggregate. Aber die Krankenhäuser werden im Winter kalt und dunkel bleiben.“

Hilfe aus Gelsenkirchen für die Ukraine: Von den anfänglichen Spendenwellen ist jetzt nicht mehr viel zu spüren

Hansen, der mittlerweile wieder mit einem vollgepackten Wagen in die Zentralukraine gefahren ist, war aufgrund der aktuellen Notlage vergangene Woche für kurze Zeit wieder in Gelsenkirchen, um mehr Unterstützung zu mobilisieren. Denn von der anfänglichen Spendenwelle für die Ukraine sei jetzt, ausgerechnet jetzt, wo die Bevölkerung so leiden müsse, nur noch wenig zu spüren.

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„Ich habe großes Verständnis dafür, dass man auch in Deutschland Angst hat wegen der hohen Preise, dass man auch hier nicht weiß, wie man noch spenden soll, wenn alles teurer wird“, sagt Hansen. „Aber ich bitte darum, sich einmal in eine ukrainische Familie hineinzudenken, der man gerade das Haus weggeschossen hat, die jetzt in einer Schule leben muss und nicht mehr hat als eine Plastik-Tüte mit einigen Habseligkeiten. Und das, obwohl der eisige ukrainische Winter vor der Tür steht und man nicht weiß, wie die Schule beheizt werden soll.“

Hilferuf aus der Ukraine an die Gelsenkirchener: „Bitte lasst uns nicht alleine! Wir brauchen die Hilfe!“

Gerade jetzt sei es deshalb wichtig, für die Menschen zu spenden – warme Anziehsachen für alle Altersklassen, warme Decken, Lebensmittel, idealerweise Konserven. Aber, wenn sie sich auftreiben lassen, auch Notstromaggregate mit einer Leistung von mindestens 50 kW. „Ich bitte dringend darum, dass die Menschen jetzt nicht nachlassen. Bitte lasst uns nicht alleine! Wir brauchen die Hilfe!“, appelliert Hansen eindringlich – und gibt ein Versprechen: „Ich war an der Front und werde auch wieder hinfahren. Ich werde dafür sorgen, dass die Dinge auch dort ankommen, wo sie am dringendsten gebraucht werden.“

Während Hansen darauf hofft, dass er der Hilfsbereitschaft der Leute mal einen Schub geben kann, versucht er gleichzeitig, weitere Hilfskonvois in Zusammenarbeit mit Vereinen aus ganz anderen Regionen NRWs zu organisieren. Gemeinsam mit der Gelsenkirchener Tiertafel, „Von Herzen helfen für Mensch & Tier – Niederkrüchten“ und dem Verein „Lohmar hilft“ versucht er, eine „große Winter-Aktion“ zu starten.

Wer in Gelsenkirchen Hilfsgüter abzugeben hat, kann die Spenden weiterhin samstags von 10 bis 17 Uhr an der Gelsenkirchener Georgskirche (Franz-Bielefeld-Straße 38) abgeben. Auch Geldspenden werden entgegengenommen. Das Konto von Jürgen Hansens Task Force Flüchtlingshilfe: IBAN DE 69 4205 0001 0101 1753 45 (Sparkasse Gelsenkirchen).