Gelsenkirchen. Ein Traditionsunternehmen in Gelsenkirchen weniger: Im kommenden Jahr werden fast 80 Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren. Das sind die Gründe.
Eine bittere Nachricht für Gelsenkirchen: Das Werk von Seilspezialist Bridon schließt Ende 2023 – das gab der belgische Mutterkonzern Bekaert auf seiner Homepage bekannt. 77 Mitarbeiter sind von dem Aus betroffen. Baekert will nach eigenen Angaben künftig den Fokus auf die Seilproduktion in Großbritannien richten und sich mehr auf Segmente mit höherer und lukrativerer Wachstumsperspektive konzentrieren.
Großauftrag Leverkusener Brücke weggebrochen: „Das hätte unser Werk und die Mitarbeiter für ganze zwei Jahre abgesichert“
Konkreter über die Hintergründe der Schließung lässt sich IGM-Gewerkschaftssekretär Ralf Goller aus: „Neben dem weggebrochenen Geschäft mit Russland ist für das Aus des Seilwerks maßgeblich verantwortlich, dass uns ein Großauftrag entzogen worden ist. Wir können die Seile für die neue Leverkusener Rheinbrücke schlichtweg nicht komplett in der erforderlichen Norm herstellen. Dieser Auftrag hätte unser Werk und die Mitarbeiter für ganze zwei Jahre abgesichert.“
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Hinein spielt nach Meinung Gollers auch ein „massiver Investitionsstau“, um perspektivisch konkurrenzfähig am Markt zu bleiben. Der Maschinenpark des Gelsenkirchener Produktionsbetriebes sei stark veraltet, weshalb der Standort rote Zahlen schreibe. Zuletzt hatten die Mitarbeiter nach Gewerkschaftsangaben schon „zweieinhalb Stunden pro Woche unentgeltlich gearbeitet“.
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Mit der Konzernführung ist laut Goller vereinbart worden, dass keine Kündigung vor dem 1. Juli 2023 ausgesprochen wird. „So hat die Belegschaft Zeit, sich umzuorientieren. Es ist trotzdem bitter. Nach Küppersbusch, die nach Essen umgezogen sind, ereilt nun das zweite Gelsenkirchener Traditionsunternehmen das Aus“, sagt der Funktionär.
Gelsenkirchener Werk sei nicht mehr wettbewerbsfähig
Das Management bedauere „die persönlichen Folgen der Restrukturierungsmaßnahmen“ und werde „sorgfältig die Möglichkeiten zur Milderung der sozialen Auswirkungen für die betroffenen Mitarbeiter prüfen“, heißt es in einer Pressemitteilung des Unternehmens.
Es sei aber nun mal so, dass die Wettbewerbsposition des Gelsenkirchener Werks „unter Druck geraten“ sei und das aktuelle Geschäftsniveau nicht mehr die Möglichkeit biete, eine finanziell nachhaltige Leistung zu erwirtschaften, heißt es in der Begründung der Entscheidung, „das defizitäre Werk zu schließen“. Stattdessen sollen nun alle europäischen Fertigungsaktivitäten für Stahldrahtseile in den englischen Werken in Doncaster und Newcastle zusammengefasst werden.
Gelsenkirchens Wirtschaftsdezernent bedauert die Schließung des Bridon-Werks
Mit großem Bedauern reagierte nun auch Gelsenkirchens Wirtschaftsdezernent Simon Nowack (CDU) auf die Entscheidung, das Gelsenkirchener Werk zu schließen. „Dass sich das Unternehmen nun aus Gelsenkirchen zurückzieht, bedauert die Stadtverwaltung sehr. Das angekündigte Ende eines Gelsenkirchener Traditionsunternehmens mit Wurzeln in der Bergbauindustrie bedeutet für Mitarbeiter und den Standort einen Einschnitt. Wir hoffen, dass durch den entsprechenden Vorlauf kein Mitarbeiter ins Bergfreie fällt. Mit der Geschäftsführung befindet sich die Wirtschaftsförderung im Austausch, auch über mögliche Folgenutzungen für das Firmengelände.“, so Nowack gegenüber der WAZ.
Zur Historie der Seilerei am Standort Gelsenkirchen
Begonnen hat alles mit der 1853 gegründeten Thyssen Draht AG, die 1994 in Schalkeseil GmbH umbenannt wurde, 1995 Bridon Thyssen Seile GmbH hieß, dann neun Jahre lang die Firmenbezeichnung BTS Drahtseile GmbH trug und seit dem Jahr 2004 als Bridon International GmbH zur britischen Bridon-Gruppe gehört. Im Jahr 2008 folgte die Übernahme durch den Finanzinvestor Melrose PLC.
Im Gelsenkirchener Werk werden Spezial-Seile ab einem Durchmesser von 50 bis maximal 310 Millimeter hergestellt. Das Stückgewicht der Seile kann bis 340 Tonnen (netto) beziehungsweise 370 Tonnen (brutto) betragen.