Gelsenkirchen. Ein Vater will seine Kinder per Fahrrad zur Schule bringen, die Stadt blockt ab. „Absurd“ findet das die Politik – und will etwas ändern.
Die Grünen sind „fassungslos“, die FDP spricht von einem „absurden, bürgerunfreundlichen und widersprüchlichen Vorgang“: Kurz nachdem die WAZ Gelsenkirchen online über Björn Sengotta und seinen „Zwang“ zum Elterntaxi berichtet hatte, meldeten sich beide Parteien mit deutlichen Reaktionen zu Wort.
Sengotta möchte seine drei Kinder mit dem Fahrrad zur Schule bringen und hat deshalb bei Schule und Bildungsreferat nachgefragt, ob es möglich wäre, Fahrradständer auf dem Schulgelände aufzustellen. Der Familienvater erhielt jedoch eine Absage: Man wolle Grundschulkinder, die erst in der vierten Klasse das Jugendverkehrstraining absolvieren, nicht animieren, per Fahrrad zur Schule zu kommen.
Grüne Gelsenkirchen: Die Stadt behindert die wichtige Verkehrswende aktiv selbst
Für Bernd Rudde, grünes Mitglied im Verkehrsausschuss, ist das ein Scheinargument. „Viele Kinder würden vermutlich von ihren Eltern begleitet werden, so wie auch die Kinder von Herrn Sengotta.“ Außerdem würden nicht nur die Kinder, sondern auch Lehrkräfte und andere Beschäftigte von Fahrradständern profitieren. Die Stadt behindere auf diese Weise „die wichtige Verkehrswende aktiv, indem sie selbst passionierten Radfahrer*innen nicht nur hier Steine in den Weg legt und hier sogar ausdrücklich vom Rad als Verkehrsmittel abrät.
Ähnlich empört zeigt sich die FDP-Fraktionsvorsitzende Susanne Cichos. „Diese Absage an Menschen, die aktiv etwas zum Klimaschutz beitragen möchten, die ihre Kinder sehr früh ans Radfahren gewöhnen möchten, stimmt mich traurig“, so die Politikerin.
FDP Gelsenkirchen kritisiert Stadt: „Verwaltung möchte eigene Konzepte nicht leben“
„Seit Jahren hören wir uns die Klagen der unterschiedlichsten Studien an: Unsere Kinder sind zu dick, zu bewegungsarm, zu unsportlich. Elterntaxis erhöhen die Unfallgefahr vor den Schulen und: Wir brauchen die Mobilitätswende, müssen gegen den Klimawandel vorgehen.“ Jetzt mache eine Familie alles richtig, müsste eigentlich als Vorbild gefeiert werden, aber erhalte stattdessen von der Verwaltung eine „fast arrogant anmutende Antwort.“
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„Wo bleibt da der Elternwille?“, fragt Cichos. „Auf welcher rechtlichen Grundlage möchte man in Gelsenkirchen Eltern verbieten, ihre Kinder mit dem Fahrrad zur Schule zu begleiten?“ Die Aussage der Stadt, dass die Verkehrsschule in der vierten Klasse und die damit verbundene Radfahrprüfung „für die aktive Teilnahme als Fahrradfahrer im Straßenverkehr erforderlich und wichtig ist“ sei nicht korrekt. Es gäbe keine gesetzliche Vorschrift, wonach die Radfahrprüfung Voraussetzung für die Teilnahme am Straßenverkehr bedeute.
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„Die Verwaltung geht zur Zeit mit ihrem Klima- und Mobilitätskonzept auf Werbetour durch die Stadt, predigt die Verkehrswende“, ergänzt Thorsten Garbe, umweltpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Das sei auch richtig und wichtig. Allerdings erwecke die Haltung gegenüber der Familie Sengotta den Eindruck, „dass die Verwaltung ihre eigenen Konzepte nicht leben möchte“, so Garbe.
Keine Fahrradständer an Grundschulen in Gelsenkirchen: Grüne und FDP planen Anträge
Die Grünen und die FDP wollen nun in den Beratungen zum Haushalt 2022 Anträge einbringen, um die Situation für Menschen wie Björn Sengotta und seine Kinder zu ändern. „Im laufenden Haushaltsverfahren haben wir beantragt, dass alle weiterführenden Schulen Fahrradabstellanlagen für Lehrkräfte und Schüler*innen bestenfalls mit Ladepunkten für E-Bikes sowie einfachen Werkzeugen zur Reparatur bekommen sollen. Nach dem ernüchternden Bericht über Herrn Sengotta werden wir nun beraten, ob wir den Antrag auf Grundschulen ausweiten können“, kündigte David Fischer, bildungspolitischer Sprecher der Grünen, an.
Auch die FDP hat einen Haushaltsantrag zu der Problematik vorbereitet. Sie bittet um Errichtung von Fahrrad- und Rollerabstellmöglichkeiten an der Grundschule am Erzbach. Dafür möchten die Liberalen 7000 Euro in den Haushalt einstellen.