Gelsenkirchen. Gelsenkirchens neue Solardach-Förderung ist beliebt. Was kann die Stadt sonst fürs Klima tun? Ein Paket liegt nun vor – und sorgt für Kritik.
- Gelsenkirchen hat Ende April eine neue Solardach-Förderung gestartet. Doch die Gelder könnten schon im August aufgebraucht sein.
- Ein Maßnahmenpaket zum Klimaschutzkonzept 2030/2050 schlägt nun vor, Förderungen wie das Photovoltaik-Programm langfristig aufrechtzuerhalten.
- Zig weitere Maßnahmen werden in dem Gutachten vorgeschlagen. Doch die Grünen und „Fridays for Future“ kritisieren das Papier – und fordern die Stadt zum schnelleren Handeln auf.
Das Interesse an der Solardach-Förderung der Stadt Gelsenkirchen ist hoch: Obwohl das Programm erst Ende April 2022 gestartet ist, könnte das Geld schon bald aufgebracht sein. Hat die Stadt ihre Möglichkeiten zum Vorankommen bei der Energiewende damit schon ausgeschöpft? Und das, obwohl sie Photovoltaik auf Dächern energiepolitisch als ihre „zentrale Herausforderung“ bezeichnet? So jedenfalls heißt es aktuell zu einem Maßnahmenpaket des neuen Klimakonzepts 2030/2050, das jüngst vorgestellt wurde – und von „Fridays for Future“ und den Grünen bereits deutlich kritisiert wird.
Gelsenkirchener Solardach-Fördertopf könnte bereits im August aufgebraucht sein
Doch zunächst zu der Förderung der Stadt: Drei städtische Klima-Förderprogramme gibt es aktuell, eines für Dachbegrünung und Entsiegelung von Schottergärten, eines zum Austausch von Kohleheizungen und schließlich das Photovoltaik-Programm. Während aktuell kaum Anträge für die beiden erstgenannten Programme eingehen, erfährt das PV-Programm großes Interesse: 34 Anträge wurden nach Angaben der Stadt bereits bewilligt, 18 sind in Bearbeitung. Lesen Sie auch: Gelsenkirchen: So viel Geld gibt’s für Dach-Solaranlagen
Für alle Förderprogramme zusammen stehen 130.000 Euro zur Verfügung. Die Förderhöhe der PV-Anträge liegt laut Stadt im Durchschnitt bei zirka 1000 Euro, maximal möglich sind 2000 Euro. Unter der Annahme, dass fortlaufend im gleichen Tempo Anträge eingehen wie in den ersten sechs Wochen seit Bestehen des Programms, „wäre der Fördertopf in zirka zehn Wochen, nur durch die PV-Anträge bereits ausgeschöpft“, heißt es seitens der Stadt. Daher empfehle es sich, die Anträge frühzeitig auf den Weg zu bringen.
Gutachter empfiehlt, Klima-Förderung in Gelsenkirchen langfristig zu sichern
„Nicht ausschließen“ möchte Stadtbaurat Christoph Heidenreich, dass der Fördertopf deswegen noch mal mit neuen Geldern gefüllt wird, wie er auf Nachfrage mitteilt. Dass die Förderprogramme „möglichst langfristig“ gesichert werden sollten, empfiehlt auch ein Gutachterbüro in einem Paket von rund 40 Maßnahmen, das derzeit den politischen Gremien in Gelsenkirchen vorgestellt wird.
Jene Maßnahmen sollen Hauptbestandteil des Klimaschutzkonzeptes 2030/2050 sein, das bereits seit einigen Jahren erarbeitet wird und immer wieder von Vertretern der Stadtverwaltung angeführt wird, wenn man nach Gelsenkirchens Klimaschutz-Agenda für die nächsten Jahre fragt.
Umwelt- und Baudezernent Christoph Heidenreich wollte die Liste der Maßnahmen nach eigener Aussage „der Politik noch unbedingt vor der Sommerpause zur Verfügung stellen, damit sie auch die Chance hat, sich damit in Ruhe zu beschäftigen.“ Mit dem, was jetzt auf dem Tisch liegt und der Herangehensweise der Stadt sind jedoch nicht alle zufrieden.
Kritik der Gelsenkirchener Grünen: „Ein Maßnahmenpaket mit vielen Fragezeichen“
„Wir müssen endlich ins konkrete Handeln kommen“, fordert etwa Patrick Jedamzik, der für die Grünen im Umweltausschuss sitzt. „Bei gleichbleibendem Verbrauch werde Gelsenkirchen bis Ende des Jahrzehnts sein Budget an CO2-Emissionen aufgebraucht haben, das im Hinblick auf das im Pariser Klimaabkommen vereinbarte 1,5-Grad-Ziel noch zur Verfügung steht. „Wer dieses Ziel ernst nimmt, muss jetzt Antworten darauf geben, wie der CO2-Ausstoß schnell reduziert werden soll“, meint Neu-Ratsherr Jedamzik. „Im Sommer 2022 sind wir aber gerade einmal so weit, ein Maßnahmenpaket mit vielen Fragezeichen vorzufinden, in dem ein großer Teil der Projekte noch weitere Planungen und Konkretisierungen erfordert.“
Ähnlich sehen es die Klimaaktivisten von „Fridays for Future“ (FFF), die den aktuellen Stand bei der Ausarbeitung des Klimakonzeptes für nicht ambitioniert genug halten. „Es gibt da jetzt eine Liste von Maßnahmen, die vielleicht etwas erreichen können – und vielleicht ist es ja am Ende Klimaneutralität“, kritisiert FFF-Sprecher Jan Bretinger, dessen Ortsgruppe auch im Klimabeirat der Stadt sitzt und dort gemeinsam mit Politik und Verwaltung über das Klimaschutzprogramm der Stadt berät.
Die Stadt weiß aus Bretingers Sicht nicht, was sie klimapolitisch überhaupt konkret erreichen will. „Es fehlt ein Ziel!“ Zudem werde bei viel zu wenig vorgeschlagenen Maßnahmen angegeben, was diese bewirken können. Der ganze Vorgang habe das übliche Tempo von Verwaltungsvorgängen, „business as usual“, sagt Jan Bretinger. Dies passe nicht mit dazu, dass die Stadt 2019 den Klimanotstand ausgerufen hat. Die Notwendigkeit, möglichst schnell zu handeln, sei weiterhin nicht erkennbar.
Stadt Gelsenkirchen zum Klimaschutz: „Wir handeln längst“
Die Stadt dagegen findet: Der Maßnahmenkatalog bestätigt die Verwaltung sogar schon auf vielen Ebenen. „Es wird vieles angeregt, was wir schon machen. Wir handeln längst. Bei vielen Maßnahmen wird es darum gehen, sie zu verstetigen oder auszubauen“, sagt Thomas Bernhard, Leiter des Umweltreferats – und meint damit unter anderem die angesprochenen Förderprogramme für PV und Co, Energieeinsparungsprojekte in Kitas und Schulen oder etwa die in Zusammenarbeit mit der Verbraucherzentrale realisierte Energieberatung.
Aber was will man denn nun konkret erreichen? Und was taugen die vorgeschlagenen Maßnahmen? Auch in Gelsenkirchen sei weiterhin das Ziel, die Klimaneutralität bis 2045, das Ziel der Bundesregierung, zu erreichen. „Das ist der Anspruch“, sagt Bernhard. „Klar ist aber, dass dafür noch ganz viel passieren muss. Nur ist der Handlungsspielraum einer Kommune da auch begrenzt.“
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Gelsenkirchen selbst könne nur einen kleinen Teil selbst beeinflussen. „In vielen Bereichen sind wir darauf angewiesen, dass die EU, die Bundespolitik und das Land die Rahmenbedingungen setzen und andere Akteure mitmachen – Unternehmen, die Stadtgesellschaft, letztlich jede Bürgerin und jeder Bürger.“ Das macht es laut Bernhard schwer, konkret zu benennen, wie viel die einzelnen Maßnahmen wirklich zur CO2-Einsparung beitragen können. Wichtig sei hier aber, dass sich die Stadt selbst als Klima-Vorbild begreift, um auf andere abzufärben – womit Bernhard einen Kernaspekt des Gutachtens benennt.