Gelsenkirchen. In Radspeichen riss sich eine Dreijährige in Gelsenkirchen den Mittelfinger ab. Wie Handchirurgen am Marienhospital den Finger retteten.
Es war ein Alptraum für die Eltern: Die dreijährige Sina (Name von der Redaktion geändert) schreit plötzlich laut auf, hockt mit stark blutender Hand auf dem Boden. Sie kann die Finger kaum bewegen, der Mittelfinger hängt leblos nur noch an einem Hautlappen.
Das kleine Mädchen hatte neugierig in die Speichen des Heimtrainingsrads des großen Bruders gegriffen, der wohl gerade trainierte. So schildern es die Eltern, Genaueres wissen die Ärzte nicht, als das geschockte Mädchen mit ihren Eltern am Abend in die Notaufnahme des Marienhospitals Gelsenkirchen kommt.
Gelsenkirchener Chirurgen operierten bis Mitternacht, um Finger der Dreijährigen zu retten
Die Ärzte stellen bei der Untersuchung fest: Der Mittelfinger ist subtotal abgerissen. Genauer gesagt: Alle drei Fingerglieder sind gebrochen, die Gefäß- und Nervenversorgung ist unterbrochen, Seitenbänder und Beugesehnen sind defekt, das Mittelgelenk ist aufgerissen mit Knorpelverletzung und auch die Strecksehne ist nicht mehr intakt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass der Finger zu retten ist.
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Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Und deshalb bereitet das orthopädische Chirurgenteam umgehend den Operationssaal vor. Drei Stunden lang wird das kleine Mädchen, das sich schon hier als erstaunlich tapfer erweist, operiert.
Sören Leymann, Oberarzt der Unfallchirurgie und Handchirurg im Haus erklärt: „Wir wollten das Mädchen nicht nur notversorgen. Unser Plan war, dem Kind die Chance auf eine gute Fingerfunktion zu geben, mögliche Nachoperationen bis hin zur Handverschmälerung zu ersparen und dem Mädchen auf die Art mögliche Stigmatisierungen zu ersparen“.
Das Hauptziel ist, den Finger in ganzer Länge und möglichst großer Beweglichkeit zu erhalten. Die Durchblutung – die Hauptvoraussetzung für den Erhalt – funktioniert bereits störungsfrei. Noch stabilisieren Drähte die Gelenke, auf der einen Seite hat Sina* auch wieder Gefühl, auf der anderen Fingerseite aber waren die Nerven nicht zu retten. Da auch die Haut verletzt war, musste teilweise Kunsthaut implantiert werden. „Aber die Haut wächst bei Kindern problemlos nach, da habe ich keine Bedenken“, versichert Leymann.
Seit dem Unfall Anfang September kommt Sina mit der Mutter zwei bis dreimal je Woche in die Klinik, um den Genesungsprozess zu kontrollieren und den Verband zu wechseln. Pink soll die oberste Schicht sein, hat sie dem Doktor gezeigt. Ihr Deutsch ist noch nicht so gut, dass sie es auch in Worte fassen kann.
Während der Arzt ihre Hand begutachtet, prüft, wie gut sie alles bewegen kann und sich freut, wie gut durchblutet und im Grundgelenk bereits gut beweglich der Finger ist, schaut sie still zu. Auf die Frage, ob es wehtut, schüttelt sie wieder tapfer den Kopf.
Feine Drähte stabilisieren den Mittelfinger der dreijährigen Gelsenkirchenerin
„Inwieweit die Bewegung nach Rekonstruktion der beiden anderen Gelenke wiederhergestellt werden kann, ist allerdings erst nach Entfernung der aktuell noch einliegenden Drähte und einer aufwendigen, ergotherapeutischen Bearbeitung der Gelenke beurteilbar, frühestens in acht Wochen“, erklärt Sören Leyman. Der Oberarzt ist sicher, dass Sina die notwendige Ergotherapie durchziehen wird: „Die Familie hat bisher jeden Kontrolltermin eingehalten, obwohl es offenbar zeitlich nicht leicht ist für sie. Das wird auch so bleiben. Das Interesse, den ganzen Finger zu erhalten, ist groß.“
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Aus seiner Praxis und seinen Erfahrungen im Ausland weiß er: In vielen Kulturen kann schon ein fehlendes Fingerglied als großer Makel angesehen werden. Und wenn ein Finger abgenommen werden muss bei einem Kind, habe das häufig zudem eine noch auffälligere Handverschmälerung zur Folge.