Gelsenkirchen-Buer. Mit Leucht-Effekten gegen Depression: Wie das fünftägige Festival Gelsenkirchen beleben will. Künstler schaffen Einzigartiges für Buer.
Energiekrise, Inflation, steigende Zinsen: Es gibt derzeit viele Gründe zu sparen. Für die Stadt Gelsenkirchen wird umgekehrt ein Schuh draus: In dunklen Zeiten von Krieg und (wirtschaftlicher) Depression drückt sie auf den Lichtschalter – und lädt zur 4. Ausgabe des Licht-Kunst-Festivals „Goldstücke“ in der City von Buer: Von Mittwoch, 28. September, bis Sonntag, 2. Oktober, sollen die Besuchenden im warmen Schein der (Open-Air-)Projektionen baden können mit dem Bewusstsein, etwas Einzigartiges zu erleben.
Denn was da an zehn Standorten von nationalen und internationalen Kunstschaffenden unter dem Motto „Texturen der Stadt“ präsentiert wird, ist zum allergrößten Teil speziell für das Spektakel rund um Fußgängerzone, Goldbergpark und Kunstmuseum entwickelt oder bearbeitet worden. Sprich: So wie in Buer wird es das Publikum nie wieder sehen.
Vierte Ausgabe der Gelsenkirchener „Goldstücke“ kommt mit einigen Neuerungen daher
Im vierten Jahr kommen die „Goldstücke“ gleich mit mehreren Neuerungen daher: „Es gibt neue Veranstaltungsorte, erstmals liegt die künstlerische Leitung in den Händen einer Kuratorin, und wir haben an der Ophofstraße 19 ein Festivalzentrum“, wo Interessierte Kunstschaffende treffen, Arbeiten erleben, etwas trinken und essen und sich über Kulturangebote in der Stadt informieren können, kündigte Kulturreferats-Leiterin Andrea Lamest jetzt bei der Vorstellung des Programms in der Schauburg an.
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Das Kino an der Horster Straße 6 ist zum ersten Mal dabei. Deren historisches Kassenhäuschen im Eingangsbereich wird von „Molitor & Kuzmin“ aus Köln zu einem ortsspezifischen Kunstwerk umgestaltet. Unter dem Titel „Times goes by“ wird das Wort „Zeit“ in seiner Bedeutung buchstäblich in vielerlei Hinsicht beleuchtet, so Kuratorin Bettina Pelz.
Italienerin widmet sich Zerfall von Plastik, Kolumbianerin der Photosynthese
Neu ist auch das leerstehende einstige „Gelsenfruit“-Lokal an der Ophofstraße 19, in dem Martina Dal Brollo aus Italien die Spuren von Gebrauch und Zerfall verschiedener Plastikmaterialien per Kamera, Filter und Projektion sichtbar macht („Polarized View“).
Ebenso Premiere hat das leerstehende Lokal von „Egons Laden“ an der Hagenstraße 32: Dort sind „Bewegte Kacheln“ von Camila Mejia (Kolumbien) zu sehen, die mit Hilfe von aufgenommenen Photosynthese-Prozessen eine Serie von Animationen schafft, abgestimmt zur Musik von Soundkünstler Erik Wälz aus Bremen.
In Gelsenkirchener St.-Urbanus-Kirche treten Licht, Kunst und Raum in einen Dialog
Nebenan in der Galerie „Werkstatt“ an der Hagenstraße 34 experimentiert Lucija Klauz aus Slowenien unterdessen mit digitaler Fotografie („Reflection Synonyms II“). Auf Fotostreifzügen durch Gelsenkirchen gesammeltes Material übersetzt sie in animierte Objekte, die als Projektionen zu sehen sind.
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Als Veranstaltungsorte etabliert hat sich unterdessen die St.-Urbanus-Kirche, in der Kurt Laurenz Theinert aus Stuttgart Bilder aus Licht entwirft („Augenblick verweile doch“). Live begleitet wird er in der jeweils 30-minütigen Performance von Musikschaffenden aus Gelsenkirchen. „So treten Licht, Klang und Raum in einen Dialog“, erläuterte Kuratorin Pelz.
Robinienhof in Gelsenkirchen-Buer wird zum begehbaren Lichtbild
Dem Stammpublikum vertraut sein dürfte auch die Sparkasse an der Nienhofstraße 1 bis 5, wo Lars Meess-Olsohn aus Velbert sein großformatiges Kreis-Objekt „Goldstück“ präsentiert. Einen Münzwurf entfernt verwandelt das Künstlerkollektiv „Groll Berndt Seltmann“ den Robinienhof und die -passage mit Projektionen, Schatten- und Klangbildern in ein begehbares Lichtbild („Tentakulum“).
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Eine Lichtlandschaft erwartet unterdessen die Besucher des Goldbergparks: In den „Goldbergvariationen“ von „Hartung/Trenz“ (Köln/München) avanciert das Grün zur Leinwand für eine großformatige Textcollage, die den „Goldbergvariationen“ von Bach gewidmet ist. Gegenüber, vor dem Rathaus an der De-la-Chevallerie-Straße, blühen derweil „Lichtblumen“ von Ingo Wendt. Der Pfälzer belebt die Grünfläche vor dem einstigen Ratskeller mit bewegten Lichtbildern.
Berlinerin nutzt in Gelsenkirchen rotes Laserlicht für eine vergängliche Skulptur
Das Kunstmuseum an der Horster Straße 5 bis 7 präsentiert im Kunstraum „Lightwave“ von Margareta Hesse: Die Berlinerin nutzt rotes Laserlicht als künstlerisches Material, um per Laser-Projektoren und Umlenkspiegeln eine Skulptur aus Licht zu erzeugen – für die Augen der Besucher unbedenklich, versteht sich.
Auf die Außenfassade der Alten Villa projiziert die Kölnerin Gudrun Barenbrock „Endless Cities“ – Foto- und Filmaufnahmen, die Gelsenkirchen aus der Straßenbahn oder von einem Schiff aus zeigen und die in der Collage auf Silhouetten anderer Städte treffen. Die kinetische Sammlung des Kunstmuseums ist während des Festivals geöffnet.
„Walking Acts“ verzaubern City von Gelsenkirchen-Buer mit Licht und Poesie
Ebenfalls wieder mit dabei sind die beliebten „Walking Acts“ an wechselnden Orten der City: Die Formation „Up to dance“ bringt mit fantasievollen Kostümen und leuchtenden Effekten Licht ins Dunkel. Und: Am Freitag, 30. September, öffnen viele Geschäfte bis 21 Uhr zum „Late Light Shopping“.
Dass die künstlerische Leitung erstmals in die Hände einer Kuratorin gelegt wurde, unterstreicht den künstlerischen Anspruch der Lichtspiele: Nachdem in den vergangenen Jahren immer mal wieder Kritik laut geworden war, das Festival gleiche zu sehr ähnlichen Veranstaltungen in Essen oder Dortmund, entschied man sich, den Fokus deutlicher auf die Kunst zu setzen.
Gelsenkirchener „Goldstücke“ bleiben niederschwellig und kostenlos
Abgehobenheit brauche deshalb aber niemand zu fürchten, stellte Kulturreferats-Leiterin Andrea Lamest klar: „Die ,Goldstücke’ bleiben niederschwellig und kostenlos.“ Es gehe darum, Kultur in die Stadt zu bringen und, so Bernd Lukas vom Vorstand des Sponsors Sparkasse, mit etwas so „Besonderem, Einzigartigem, das über die Grenzen Gelsenkirchens hinaus wirkt, die Lebensqualität vor Ort zu erhöhen.“
Um sich des unausgesprochenen Verdachts der „Energieverschwendung“ zu erwehren, stellten die Verantwortlichen klar: „Unsere zwölf Projektoren haben einen sehr hohen Wirkungsgrad und eine sehr hohe Lichtausbeute bei einem geringen Energieverbrauch“, so Frank Derksen als Geschäftsführer der gleichnamigen Lichttechnik-Firma und Sponsor. Stadtsprecher Martin Schulmann brachte die Diskussion zum Thema Energiesparen schließlich so auf den Punkt: „Je mehr Besucher kommen, desto mehr Strom und Gas wird in deren Wohnungen eingespart – weil sie nicht zu Hause sind.“
Online-Kunstkatalog stellt erstmals Lichtkunst-Arbeiten vor
Das Lichtkunst-Festival „Goldstücke“ findet von von Mittwoch, 28. September, bis Sonntag, 2. Oktober, jeweils nach Einbruch der Dunkelheit rund um die Fußgängerzone in Buer, im Goldbergpark sowie im und vor dem Kunstmuseum an der Horster Straße 5-7 statt. Der Eintritt ist frei.
Erstmals wird ein ausführlicher Online-Kunstkatalog zu allen Werken aufgelegt (www.goldstuecke.net), der mindestens bis zum Start der „Goldstücke“ 2023 abrufbar bleiben soll.
Der Einsatz so genannter „Cicerones“ zur Erläuterung der künstlerischen Arbeiten ist noch unklar – weil das Personal fehlt. Interessierte können sich per Mail melden unter info@goldstuecke.net