Gelsenkirchen. Nach Wein von der Emscher auch ein Strand an der renaturierten Emscher? Vielleicht im Nordsternpark? Wie die Idee zu Flussumbau und IGA passt.
Noch ist der „Emscherstrand“ nicht viel mehr als ein „Gedankenspiel“, wie man bei der Emschergenossenschaft betont – eingebracht von Ulrich Paetzel, Vorstandsvorsitzender von Lippeverband und Emschergenossenschaft. Er hatte Ende August im Gespräch mit der WAZ verkündet: Im Idealfall solle in den kommenden zehn Jahren ein Strandabschnitt an der Emscher realisiert werden. Mit Sand, mit Aufenthaltsqualität. Angelegt werden könne er in Oberhausen am Holtener Bruch und/oder auch am Nordsternpark in Gelsenkirchen. In Oberhausen hat der Vorschlag durchaus für Aufsehen und positive Reaktionen gesorgt. Und in Gelsenkirchen? Wird die Idee natürlich auch begrüßt.
Nach dem Wein von der Emscher ein Fluss-Strand für Gelsenkirchen?
„Wir müssen auch immer wieder verrückte Ideen entwickeln, um die Menschen für unsere Themen zu begeistern“, sagte der ehemalige Hertener Bürgermeister Paetzel. Dazu gehören zweifellos die neuen Weinberge im „Emschertal“, aber eben auch mögliche Strandabschnitte wie der im Nordsternpark.
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Der wird samt Zukunftsinsel 2027 Kernstück der IGA, der Internationalen Gartenausstellung in Gelsenkirchen. Die Stadt arbeitet intensiv an der Umsetzung ihres Masterplans, ab 2023 soll es an die bauliche Realisierung der Wettbewerbsideen für die Emscherinsel, das neue IGA-Entree am Amphitheater und das Kohlebunkerensemble gehen. Die Strandpläne ließen sich separat davon realisieren, betont Ilias Abawi, Sprecher der Emschergenossenschaft. „Alles, was wir machen, ist unabhängig von anderen Formaten wie zum Beispiel der IGA.“
Allein in Gelsenkirchen wurden 878 Millionen Euro investiert
Kleiner Rückblick: Fast 170 Jahre lang war die Emscher bekanntlich eine Kloake und Abwasserfluss für den Norden des Reviers, für seine Menschen, die Industrie. Drei Jahrzehnte hat der über fünf Milliarden Euro teure Umbau gedauert. Seit Anfang 2022 gilt die Emscher auf ihren gut 83 Kilometern von der Quelle bis zur Mündung als abwasserfrei. Schmutz und Dreck fließen zwischen Dortmund und Dinslaken nun durch den mächtigen AKE, den Abwasserkanal Emscher. Allein in Gelsenkirchen wurden 878 Millionen Euro in den Kanalbau und Pumpwerke investiert. Der Fluss wurde in Teilen des Oberlaufs bereits renaturiert. Die Zuläufe – in Gelsenkirchen beispielsweise Hüller- und Sellmannsbach, Resser, Leither oder Schwarzbach – werden mit Millionenaufwand in halbwegs naturnahe Bäche zurückverwandelt.
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Also alles im Fluss? Nicht wirklich. Auch weil man sich ein Stück weit von gängigen Strand-Vorstellungen lösen muss. An der Lippe in Hamm hat der Lippeverband schon einen 500 Meter langen Strand verwirklicht. Doch anders als dort wird am Emscherstrand baden nicht möglich sein. Dafür sei die Emscher, trotz aller Renaturierung, zu lange industriell belastet gewesen, sagte Paetzel im Interview. Die strengen Vorgaben für die Badewasserqualität seien nicht zu erreichen – was Abawi noch einmal bestätigt. „Erstmal müssen wir das Gewässersystem gesund kriegen. Im Moment ist es nur abwasserfrei. Über eine Zugänglichkeit muss später entschieden werden. Die Frage bleibt, ob es sinnvoll ist, die Menschen wirklich in die Emscher zu lassen.“
Wenig Platz, um dem Fluss neuen Raum zu verschaffen
In Oberhausen-Holten soll der Fluss künftig durch eine neu gestaltete Auenlandschaft fließen. Dort gibt es den Platz, um der Emscher Raum zu verschaffen. Anders in Gelsenkirchen, wo sie auf 8,3 Kilometern hoch eingedeicht durchs Stadtgebiet fließt – und das, bis auf Resser Mark, meist dicht an Industrie, Straßenläufen und Bebauung entlang. Hinzu kommt: Längs der Deiche laufen etliche Rohrleitungen, beispielsweise die jüngst erst erneuerte Kokereigasleitung aus Bottrop.
Renaturierung wird auch den Hochwasserschutz verbessern
Bis 2027 soll die Renaturierung der begradigten Emscher abgeschlossen sein. Dazu gehört, dass zwischen den bis zu acht Meter hohen Deichen auch der Flusslauf in Gelsenkirchen soweit möglich umgestaltet wird, „allein schon aus Gründen des Hochwasserschutzes“, wie Abawi betont. Die Betonsohlschalen werden entfernt, die Böschungen flacher und vielseitiger gestaltet. Wo es möglich ist, soll das „Gewässer naturnah modelliert“ werden. Um die Flusssysteme von Emscher und Lippe besser auf die Folgen von Klimaveränderung und Hochwasser vorzubereiten, gibt der Verband laut Abawi in den kommenden 15 Jahren gut 500 Millionen Euro aus.
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Längs der Emscher in Gelsenkirchen gilt dabei auch in Zukunft: Nur gucken, nicht anfassen. Weite Teile des Flusslaufs werden eingezäunt bleiben. Der Kontakt mit dem Wasser wird an den Zuläufen ermöglicht, zum Beispiel am Sellmannsbach. Im dortigen „blauen Klassenzimmer“ soll das zurückkehrende Leben an und im Wasser künftig erfahrbar werden.
Nach dem Umbau ist übrigens vor dem Umbau: Nach der IGA wird der Rhein-Herne-Kanal in Gelsenkirchen zur Baustelle: Der Kanalbereich zwischen den Kilometern 24,450 und 28,747, der Brücke an der Kurt-Schumacher-Straße und dem Hafen Grimberg an der Herner Stadtgrenze soll deutlich verbreitert werden.