Gelsenkirchen. Bitteres Urteil für den Hochschulstandort: Eine Studie zeigt die Unzufriedenheit von WH-Studis die in Gelsenkirchen wohnen – und bietet Lösungen.

Schlechte Noten für den Hochschulstandort Gelsenkirchen: Studierende der Westfälischen Hochschule (WH), die in Gelsenkirchen wohnen, sind einer aktuellen Umfrage zufolge auf vielen Ebenen unzufrieden mit ihrem Studien- und Wohnort. Der öffentliche Nahverkehr, Radwege, Gastronomie, Ausgehmöglichkeiten und berufliche Optionen: All das wird von den Befragten durchweg negativ eingeschätzt. Allerdings gibt es auch viele konstruktive Vorschläge, wie es besser werden kann.

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Adressiert wurden für die Studie, die vom Hamburger Forschungs- und Beratungsbüro „Economic Trends Research“ (ESR) durchgeführt und im vergangenen Wirtschaftsausschuss vorgestellt wurde, die etwa 1200 WH-Studierenden, die statistischen Erhebungen zufolge in Gelsenkirchen wohnen. 55 von ihnen nahmen am Ende an der Online-Umfrage der Forscher teil – eine kleine Stichprobe, die laut ESR-Volkswirt Dr. Hugo Winters dennoch ein klares Stimmungsbild ermöglicht. Und das lautet: „Das, was die Studierenden brauchen und suchen, scheinen sie in Gelsenkirchen mehrheitlich nicht vorzufinden.“

Wenig Jobs und Ausgehmöglichkeiten für Studierende in Gelsenkirchen

Am positivsten bewerteten die Studierenden die Grünflächen und Einkaufsmöglichkeiten in Gelsenkirchen, hier waren etwa 60 Prozent eher zufrieden mit dem Angebot. Am schlechtesten schnitten dagegen Aspekte wie die beruflichen Möglichkeiten und die Ausgehmöglichkeiten ab. Hier fanden nur unter 20 Prozent der Befragten das Angebot eher gut, bei den Ausgehmöglichkeiten sogar nur knapp 13 Prozent. 42 Prozent der Befragten verbringen ihre Freizeit deshalb lieber nicht in Gelsenkirchen.

Gefragt wurden die Studierenden auch nach ihren Verbesserungsvorschlägen. Knapp drei Viertel der Befragten schlugen eine Verbesserung des Freizeitangebots vor, etwas über die Hälfte der WH-Studis würden sich über einen Ausbau des ÖPNV und ein Ausbau des Radwegenetzes freuen. Die bessere Anbindung der WH ist auch immer wieder ein Thema in der Politik. Dass die Hochschule ans Straßenbahnnetz angeschlossen werden könnte, ist nach einem an dieser Stelle wenig optimistischen Gutachten aber erst einmal vom Tisch. Zum Thema: Straßenbahnausbau Gelsenkirchen: Empfehlung für diesen Plan

Kooperation zwischen Wirtschaft und Westfälischer Hochschule: Die falschen Branchen

Untersucht haben die Hamburger auch, wie die Verbindungen zwischen Westfälischer Hochschule und lokaler Wirtschaft sind – auch hier mit einem bestürzenden Ergebnis. „Das Potenzial ist dort gering, wo klassische Wirtschaftsbereiche für Hochschulabsolventen wären“, sagte Prof. Michael Bräuninger von ESR im Ausschuss.

Denn die meisten Arbeitsplätze in Gelsenkirchen gibt es mit rund 16.820 Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen – kein klassisches Feld für die WH mit ihren vor allem technischen Studiengängen, auch wenn es hier immer wieder Kooperationen gibt. Anders sähe es im Bereich der forschungsintensiven Industrien aus. „Unternehmen mit solchen Arbeitsplätzen sind wichtige Anknüpfungspunkte für die Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Einrichtungen“, erläutert ETR in der Studie. Doch hier ist der Beschäftigungsanteil in Gelsenkirchen mit nur rund 2000 Personen äußerst gering – das Schlusslicht im Ruhrgebiet. Zwischen 2010 und 2021 gab es hier sogar einen Rückgang um fast 1200 Beschäftigte.

Hochschulstandort Gelsenkirchen: So kann es besser werden

Doch ETR zeigte nicht nur die Defizite auf, sondern auch zahlreiche Möglichkeiten, wie die Kooperationsmöglichkeiten zwischen heimischer Wirtschaft und WH sowie das studentische Leben besser werden können. Besonders hoben die Forscher dabei die Notwendigkeit eines – vor Ort bereits 2015 thematisierten – Gründerzentrums in unmittelbarer Nähe zum Campus hervor. „Das bietet erhebliche Potenziale“, meinte Bräuninger. Denn zwar gebe es immer wieder vielversprechende Ausgründungen aus der Hochschule – nur würden viele Start-ups dann eben nicht in Gelsenkirchen bleiben. Zum Thema: Faktencheck: Das bieten fünf Gelsenkirchener Start-ups

„Das Verhältnis zwischen Hochschule und Stadt auf neue Beine gestellt“: Gelsenkirchens Wirtschaftsförderungsdezernent Simon Nowack.
„Das Verhältnis zwischen Hochschule und Stadt auf neue Beine gestellt“: Gelsenkirchens Wirtschaftsförderungsdezernent Simon Nowack. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Den „Königsweg“, um Gelsenkirchen zu einem attraktiveren Hochschulstandort zu machen, gebe es nicht, ergänzte Hugo Winters. Jedoch seien der Fantasie keine Grenzen gesetzt: Von Willkommenskampagnen für Studierende in beiden Gelsenkirchener Innenstädten über leerstehende Ladenlokale, die für studentische Projekte verfügbar gemacht werden könnten, bis zu studentischen Wohnprojekten im Campusumfeld, einem Schnellbus zwischen City und Campus oder der gezielten Förderung von Praktika in der lokalen Wirtschaft. Und gar engere Kooperationen zwischen dem Kunstmuseum in Buer und der Hochschule seien denkbar – schließlich setze man dort auf kinetische Kunst: „Wenn man so viel Ingenieurwissenschaften am Campus betreibt, ist da eine Verbindung doch naheliegend“, regte Winters an.

Im Blick behalten müsse man bei all dem, dass man so auch für Studierende anderer Unis attraktiver werden könnte. Denn oftmals würden Studierende in der dichten Hochschullandschaft im Ruhrgebiet nicht unbedingt in der Stadt wohnen, in der sie auch studieren.

Stadt Gelsenkirchen: Verhältnis zur Hochschule auf neue Beine gestellt

„In dem Moment, wo wir die Westfälische Hochschule stärken, machen wir auch die Stadt stark“, sagte Wirtschaftsförderungsdezernent Simon Nowack im Anschluss des Vortrags – und betonte zugleich, dass man bereits auf dem Weg sei, um Gelsenkirchen als Hochschulstandort für Studierende und Unternehmen attraktiver zu machen. „Wir haben das Verhältnis zwischen Hochschule und Stadt im vergangenen halben Jahr noch mal auf neue Beine gestellt“, sagte Nowack. In regelmäßigen Telefonaten mit WH-Präsident Bernd Kriegesmann seien „viele tolle Ideen“ entstanden. „Wenn sich diese realisieren lassen, dann können wir vieles von dem umsetzen, was Sie vorgeschlagen haben“, sagte Nowack in Richtung ETR.