Gelsenkirchen. Gelsenkirchen ist beim IW-Regionalranking zur wirtschaftlichen Entwicklung erneut Schlusslicht. Die Gründe und der (pessimistische) Ausblick.

Wieder einmal Schlusslicht: Gelsenkirchen ist beim aktuellen Regionalranking des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) auf dem letzten Platz gelandet. Während die Region insgesamt Boden gutmachen kann, ist die Emscherstadt, was die wirtschaftliche Entwicklung angeht, weiter abgeschlagen auf Rang 400. Hanno Kempermann, Geschäftsführer der IW Consult, ordnet die Gründe im Kurz-Interview ein.

Warum kommt Gelsenkirchen einfach nicht von den letzten Plätzen weg? Welche Hauptgründe gibt es?

Die Wirtschaftsstruktur ist schwach und verbessert sich nicht wesentlich. Ein wichtiger Indikator dafür ist die gemeindliche Steuerkraft, die u. a. die Gewerbesteuereinnahmen abbildet. Hier liegt Gelsenkirchen im Niveau auf Rang 396 und in der Dynamik auf Platz 384. Gelsenkirchen hat von sehr niedrigem Niveau weiter den Anschluss verloren. Das liegt unter anderem auch an den sehr hohen Gewerbesteuerhebesätzen, die die Stadt unattraktiv für Neuansiedlungen machen. Hier muss eine Lösung für die Altschuldenproblematik gefunden werden. Zudem wandern die Fachkräfte der Zukunft, also 25-30-Jährige ab. Das ist ein Alarmsignal für die zukünftige Performance Gelsenkirchens.

Hanno Kempermann, Geschäftsführer der Institut der deutschen Wirtschaft Köln Consult GmbH: „Fachkräfte der Zukunft wandern ab. Das ist ein Alarmsignal für die zukünftige Performance Gelsenkirchens.“
Hanno Kempermann, Geschäftsführer der Institut der deutschen Wirtschaft Köln Consult GmbH: „Fachkräfte der Zukunft wandern ab. Das ist ein Alarmsignal für die zukünftige Performance Gelsenkirchens.“ © IW | iw

Es ging im IW-Regionalranking dieses Mal auch um die Erholung nach Corona. Ist der Branchenmix in Gelsenkirchen besonders anfällig für Corona gewesen?

Nein, vor allem industriegeprägte Regionen haben unter Corona gelitten, dienstleistungsgeprägte Städte eher weniger. Das ist auch ein Grund, warum viele Ruhrgebietsstädte wie Dortmund, Essen, Bochum und Mülheim, in denen die Industrieprägung in den letzten Jahren zurückgegangen ist, sehr gute Plätze in der Dynamik erzielen. Leider gelang dies Gelsenkirchen nicht. Neben der sinkenden Steuerkraft nahm die Nettoabwanderung der Jungen zu. Auch der Dienstleistungsbereich wird nicht stärker: Sowohl die wissensintensiven Dienstleistungen als auch der Anteil der hochqualifizierten Beschäftigten fallen nicht positiv auf. Das wäre allerdings für eine urbane Region erwartbar. Lesen Sie auch: Ranking: Gelsenkirchen und Duisburg werden die Ersten sein

Bei dem Dynamik-Ranking ist Gelsenkirchen immerhin nicht auf den untersten Plätzen. Gibt es für Gelsenkirchen auch einen positiven Ausblick?

Die Prognose ist leider auch nicht wahnsinnig gut. Gelsenkirchen fehlen Forschung, Innovation und High-Tech-Gründungen, in allen drei Indikatoren steht die Stadt weit hinten. Auch der Immobilienmarkt zeigt so gut wie keine Aufwärtstendenzen. Andere Regionen im Ruhrgebiet haben da deutlich bessere Voraussetzungen, zum Beispiel Bochum, Dortmund und Essen.