Gelsenkirchen. 44 Projekte bis 2026 stehen im Gelsenkirchener Zukunftsprogramm Radverkehr. Was zuerst angegangen wird – und warum Streit programmiert ist.
Für die Stadt ist es ein „großer Wurf“ mit Blick auf die Fahrradfreundlichkeit in Gelsenkirchen: das neue „Zukunftsprogramm Radverkehr“. Es bündelt 44 Projekte, die in den nächsten fünf Jahren das Leben von Radfahrern leichter machen sollen – und das von Autofahrern auch mal schwerer. „Wir können den verfügbaren Straßenraum eben nur einmal verteilen“, sagt Stadtbaurat Christoph Heidenreich. Die Mobilitätswende verlange es allerdings, Radlern, aber auch Fußgängern und öffentlichen Verkehrsmitteln, mehr Platz einzuräumen. „Da gehört es eben dazu, dass auch mal ein Parkplatz wegfallen muss.“ Zum Thema:Gelsenkirchen: Wo es die besten Parkmöglichkeiten gibt
Radverkehr: Diese Projekte plant die Stadt Gelsenkirchen fürs Jahr 2022
Streit ist also programmiert, wenn es um die einzelnen Maßnahmen geht. „Zündstoff gibt es durchaus, aber eher im Kleinen“, glaubt Heidenreich. „Im Großen und Ganzen finden es doch alle gut, wenn man besser mit dem Rad durch die Stadt kommt“. Und das soll zum Beispiel an der Hiberniastraße gelingen. Sie ist laut Mobilitätsmanager Stefan Behrens ein erstes „Highlight-Projekt“ für 2022/2023. Dort soll eine Fahrspur durch einen gesicherten, 2,50 Meter breiten Radfahrstreifen ersetzt werden. Laut Stadt erfolgt so ein „wichtiger Lückenschluss“ zwischen Rotthauser Straße und Ringstraße.
Ebenfalls schon im nächsten Jahr soll vor dem Rathaus Buer eine Sammelabstellanlage, eine sogenannte „DeinRadschloss“-Box, aufgestellt werden. In Ückendorf soll 2022 eine Fahrradzone im Bereich zwischen der Bochumer Straße und der Ückendorfer Straße eingerichtet werden. Die Zone ist dann nur noch für Fußgänger und Radfahrer zugelassen. An der Hüller Straße in Bulmke-Hüllen soll nächstes Jahr ein Schutzstreifen für Radfahrer entstehen, die beschädigten Geh- und Radwege an der Münsterstraße in der Resser Mark sowie Auf dem Bettau am Altstadt-Friedhof sollen erneuert werden. Die Horster Straße soll zudem einen Verbindungsweg vom Bahnübergang zum Reiterverein bekommen.
Gelsenkirchener Grünen kritisieren das „Zukunftsprogramm Radverkehr“
Zahlreiche weitere Projekte sollen dann bis 2026 folgen. Jährlich sollen dafür rund 1,6 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Nicht alle im Katalog aufgeführten Projekte sollen durch diesen Finanzrahmen bewältigt werden, manche sind auch Teil von ohnehin eingeplanten Straßensanierungen, die aus einem anderen Topf bezahlt werden. Für die Gelsenkirchener Grünen ist genau das auch ein Problem. „Viele neue Planungen bietet das Zukunftsprogramm leider nicht. Etliche Radwege sind Teil von bereits geplanten Straßenbaumaßnahmen“, sagt der Grünen-Ratsherr Mirco Kranefeld, Vorsitzender des Verkehrsausschusses.
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Seine Fraktion bezeichnet das Programm zwar als „Schritt in die richtige Richtung“ – so freut sich Kranefeld zum Beispiel über eine fahrradfreundlichere östliche Innenstadt rund um die Weberstraße und einen Radweg auf der Feldmarkstraße. Mehr Mut und mehr Geld hätte die Stadt aus Sicht der Fraktion dennoch in das Programm stecken können.
Warum Gelsenkirchen nicht schon viel mehr auf baulich abgetrennte Radwege setzt
„Wir vermissen zum Beispiel eine direkte Nord-Süd-Radverbindung“, sagt Birgit Wehrhöfer, verkehrspolitische Sprecherin der Grünen. Zudem sei das Programm nicht auskömmlich finanziert. Die Grünen fordern, dass 3 Millionen Euro im Jahreshaushalt für die Radinfrastruktur berücksichtigt werden. Zudem kritisiert die Fraktion, dass im Zukunftsprogramm oft nur vage von Radverkehrsanlagen gesprochen werde. „Reine Schutzstreifen wie aktuell auf der De-la-Chevallerie-Straße bieten nach unserer Erfahrung leider kaum Sicherheit für Radfahrende“, so Wehrhöfer. Die Verwaltung müsse mutiger planen und häufiger auf baulich abgetrennte Radwege setzten.
Für Mobilitätsmanager Stefan Behrens wäre es nicht seriös, nun schon für jede Maßnahme zu konkretisieren, wie der Bereich für die Radfahrer genau aussehen wird. „Einige Projekte liegen so weit in der Zukunft, dass wir noch nicht angeben können, was dort explizit gemacht wird.“ Zudem, ergänzt Stadtbaurat Christoph Heidenreich, sei das Zukunftsprogramm nicht als abschließende einmalige Aufstellung zu verstehen. „Es ist ein Papier, das wir kontinuierlich fortschreiben werden.“ So ließen sich aktuelle Entwicklungen aufnehmen und berücksichtigen.
Von Gelsenkirchen-Zentrum nach Buer: Nord-Süd-Verbindung ist langfristiges Ziel
Und die weiterhin nicht berücksichtige direkte Nord-Süd-Verbindung? „Das ist durchaus ein Ziel von uns, aber da muss die Verkehrswende insgesamt weiter vorangeschritten sein“, sagt der Planungs- und Umweltdezernent. Aktuell würde man mit so einer Verbindung laut Heidenreich Verkehrsstau provozieren. „Wir haben aber gute Alternativen geschaffen: eine Nord-Süd-Radroute West und eine Nord-Süd-Route Ost.“ Beide Verbindungen hätten einen „Qualitätsvorteil“ und seien im Vergleich zur Fahrt über die Kurt-Schumacher-Straße nur unwesentlich länger. Mobilitätsmanager Behrend: „Das sind keine Alibi-Verbindungen, sondern wirklich gute Radwege.“
Der Politik präsentiert
Das Zukunftsprogramm knüpft an die Programmplanung Radverkehr an, die Ende 2019 erstmals aufgelegt wurde-
Das Programm wurde bereits den Bezirksvertretungen vorgestellt. Am 18. November wurd es noch dem Ausschuss für Verkehr und Mobilitätsentwicklung sowie am 23. November dem Ausschuss für Umwelt, Nachhaltigkeit und Klimaschutz präsentiert.
Die Stadt arbeitet aktuell auch noch an dem „Masterplan Mobilität“. „Der Masterplan und das Radverkehrsprogramm sollen sich gegenseitig befruchten“, sagt Stadtbaurat Christoph Heidenreich.