Gelsenkirchen. Der Sozialindex stuft Schulen nach ihren „Herausforderungen“ ein. In Gelsenkirchen gibt es Kritik an den Einstufungen und dem Instrument.

Der schulscharfe Sozialindex der Landesregierung sollte eigentlich die knappen personellen Ressourcen für Schulen entsprechend der Bildungsvoraussetzungen gerechter verteilen helfen. Umso erstaunlicher ist die nun veröffentlichte Einstufung der Gelsenkirchener weiterführenden Schulen in eine Skala von eins bis neun.

Stufe eins steht für keine besonderen Herausforderungen, Stufe neun für extreme Herausforderungen. Die Stufe neun erreicht in Gelsenkirchen allein die Hauptschule Grillostraße, die Gesamtschule Ückendorf ist bei „sechs“ eingestuft; oberes Mittelfeld quasi.

Überraschende Einstufung bei Gesamtschulen

Auch die Gesamtschule Horst hat mit der Stufe drei eine eher überraschende Einstufung erhalten, die Gesamtschule Buer-Mitte und Erle landeten bei Stufe vier, das Berger Feld ebenfalls in drei. Als Kriterien für die Einstufungen nennt das Ministerium Kinder- und Jugendarmut, berechnet nach der SGB-II-Quote der Minderjährigen im geschätzten Einzugsbereich der Grundschule, den Anteil der Schülerinnen und Schüler mit vorwiegend nicht deutscher Familiensprache, den Anteil von Kindern, die selbst zugezogen und somit kaum Sprachkenntnisse haben sowie den Anteil der Kinder mit Förderbedarf.

SGB-II-Quote in der Schülerschaft nicht nur aus dem Bezirk geschlossen

Dass man dennoch bei der Gesamtschule Ückendorf (GSÜ) nur zu einer Einstufung in „sechs“ kam, scheint gelinde gesagt erstaunlich. GSÜ-Leiter Achim Elvert sieht die Ursache in einer falschen Annahme: der Index nimmt als Basis die SGB-II-Quote im Grundschulbezirk. In Ückendorf werden also auch die Schüler aus durchaus bildungsnahen und wohlhabenden Familien in geografischer Nähe einbezogen. Wenn die Kinder aus der Grundschule Stehpanstraße aber in ein Gymnasium in einem anderen Bezirk wechseln – was keine Ausnahme ist – nehmen sie quasi ein SGB-II-Bonus an die andere Schule mit.

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„Der angenommene SGB-II-Bezug der Schülerschaft, die aus Datenschutzgründen nicht konkret abgefragt werden darf, wird nicht berücksichtigt. Der vermutete SGB-II-Bezug macht aber 50 Prozent der Einstufungskriterien aus“, erklärt Elvert. Eigentlich hatte die GSÜ mit ihrem Sechser-Status sogar eine Stelle weniger zugebilligt bekommen als vor dem Wechsel zum schulscharfen Sozialindex.

Landesweit keine einzige Gesamtschule in Stufe acht oder neun

Dank Aufrundung und Ortskenntnis der Bezirksregierung konnte dies jedoch verhindert werden. Die Stadtverwaltung wurde von der Einstufung der Schulen übrigens ebenso überrascht wie die Bildungspolitiker. „Man hat uns als ortskundiger Schulträger überhaupt nicht einbezogen bei der Einstufung“, äußerte Bildungsreferatsleiter Klaus Rostek im Ausschuss seinen Unmut.

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Tatsächlich ist erstaunlich, dass landesweit keine einzige Gesamtschule die Stufen acht oder neun erreicht, lediglich elf Hauptschulen und 18 Grundschulen sind es landesweit – von 4.158 Schulen. Eine von vier „Neunern“ im Hauptschulbereich ist die Gelsenkirchener Hauptschule Grillostraße, deren extrem starken Herausforderungen unter anderem angesichts der starken Zu- und Abwanderung in der Schülerschaft unbestritten ist.

Vier Grundschulen in Stufe acht einsortiert

In Stufe acht stehen vier Gelsenkirchener Grundschulen. Bei den weiterführenden Schulen erkennt der schulscharfe Sozialindex nur noch bei der Hauptschule am Dahlbusch eine hohe Belastung, die eine Einstufung in „sieben“ rechtfertigt, bei den Grundschulen sind es vier Gelsenkirchener. Die Gymnasien in der Stadt rangieren zwischen Stufe eins (AvD) und vier (Grillo).

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Im Bildungsausschuss hatte die SPD den Sozialindex per Dringlichkeitsantrag auf die Tagesordnung gehoben, weil man von der Veröffentlichung der Einstufungen auch bei weiterführenden Schulen überrascht worden war. Ulrich Jacobs (SPD) äußerte die Befürchtung, dass die Einstufung von Eltern als Ranking in Bezug auf die Qualität der Schule missverstanden werden könnte. Zudem wolle man wissen, ob eine Evaluation und gegebenenfalls Nachjustierung der Kriterien geplant sei.

Veröffentlichung soll Transparenz schaffen

Schulamtsdirektorin Petra Bommert als Vertreterin der Bezirksregierung betonte, dass es ausschließlich um Transparenz gehe bei der Veröffentlichung. Ob es Auswirkungen auf die – als einzige bereits seit längerem erfolgte – Grundschulwahl nach der Veröffentlichung gab, könne man nicht einschätzen.

Markus Hogrebe, Leiter der Gesamtschule Horst, hält ebenfalls negative Effekte durch die Veröffentlichung für denkbar, weil sich bestehende Vorurteile gegen Schulen dadurch verfestigen könnten. Ohnehin hielte er für zielführender, wenn statt der Kategorisierung die Belastungen etwa durch Förderbedarf, Internationale Förderklassen und Mehrklassenbildung gerechter verteilt würden auf alle Schulformen.