Gelsenkirchen. Die Langzeitfolgen von Covid-19-Erkrankungen sind immer noch schwer einschätzbar. Lungenexperte Dr. Firat vom Bergmannsheil Buer erklärt, warum.
330 Patienten mit einer Covid-19-Erkrankung haben Dr. Ali-Ekber Firat und sein Team im vergangenen Jahr im Bergmannsheil therapiert, 300 waren es bis jetzt auch bereits in diesem Jahr. Die Patienten sind aufgrund des Impfschutzes bei den meisten Senioren jetzt jünger als im vergangenen Jahr. Der Alters-Schwerpunkt bei den Covid-Patienten in der Klinik liege jetzt eher zwischen 45 und 65 Jahren.
Aktuell gibt es auch deutlich weniger schwere Verläufe; nur drei Patienten müssen zur Zeit auf der Intensivstation beatmet werden. Doch auch bei leichteren Verläufen ist die schnelle Genesung keineswegs sicher, hat das Team des frisch zertifizierten Lungenfachzentrums am Bergmannsheil Buer im Lauf der Pandemie feststellen müssen.
Unterschiedlichste Symptome über Monate
Bis zur Hälfte der in der Klinik versorgten Patienten hätten über Monate deutliche Probleme und Symptome. Ihnen mache Husten zu schaffen, aber auch Erschöpfungszustände und Konzentrationsprobleme noch nach mehreren Monaten seien keine Ausnahme, hat Firat festgestellt. „Wir haben bei einigen Patienten auch noch Restsymptome nach einem Jahr beobachtet. Auch bei Jüngeren.“
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Auch seelische Probleme bei schweren Verläufen
„Viele Patienten bekommen auch seelische Probleme, entwickeln Angst vor neuen Infektionen. Die Situation bei schweren Verläufen ist für Patienten sehr belastend,“ schildert Firat. Ob es bleibende Folgen an der Lunge nach einer überstandenen Covid-Infektion gibt, sei sehr unterschiedlich. Vernarbungen seien bei undramatischen Verläufen zwar die Ausnahme, andere Funktionsstörungen oder Kurzatmigkeit jedoch nicht.
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„Was wir noch nicht bis ins Letzte wissen ist, welche Auswirkungen etwa ein schwerer Verlauf mit Beatmung auf das zelebrale System (das Gehirn) hat, welche Schäden langfristig bleiben“, gibt Firat zu bedenken. Covid-Patienten seien unter Beatmung deutlich unruhiger als andere. Unter Beatmung habe es anfangs viele Komplikationen gegeben. Deshalb werde nur als letztes Mittel zur Beatmung mit Intubation gegriffen, wenn Sauerstoffzufuhr über eine Maske allein nicht ausreiche zur Versorgung.
Künstliche Lunge des Kooperationspartners genutzt
Krankenhaus- Was der neue Chef des Bergmannsheil Buer vorhatDank Kooperation mit dem Lungenzentrum-Standort der Knappschaft in Dortmund ist dem Bergmannsheil auch möglich, in Einzelfällen die künstliche Lunge (ECMO) der Partnerklinik zu nutzen. Dabei wird der Sauerstoff über Venen direkt ins Blut gebracht. Diese Methode sei allerdings nicht für jeden Patienten geeignet. Bei betagten Patienten mit vielen Vorerkrankungen komme dies eher nicht in Frage, so Firat.
Häufigkeit von Long Covid schwer zu beziffern
Kaum schwere andere Infekte
Normalerweise sind im Lungenfachzentrum in Buer regelmäßig neben den Lungenkrebspatienten, auf die man spezialisiert ist, auch Menschen mit COPD, einer chronischen Einschränkung der Lungenfunktion. In der Pandemie allerdings waren diese nur selten in der Klinik. „Durch den Schutz der Masken und die verstärkte Hygiene haben die sonst so anfälligen Patienten weniger bis keine Infekte gehabt, brauchten daher auch seltener stationäre Behandlung“, erklärt Firat.
Auch die sonst bei anderen Patienten alljährlich anfallenden schweren Grippeerkrankungen – 15 bis 20 im Jahr allein im Bergmannsheil – seien deshalb ausgeblieben. Dass Covid überstanden ist, glaubt der Lungenexperte indes nicht: „Das wird uns noch viele Jahre begleiten. Aber hoffentlich haben wir aus der Pandemie gelernt, wenn wir jetzt ins soziale Leben zurückkehren, ohne Maske.“
Zahlen zur Häufigkeit von Long Covid nennt Firat nicht. Das Krankheitsbild Long Covid ist noch nicht klar definiert, zudem kommen Patienten mit Langzeit-Auswirkungen ohne vorherigen Klinikaufenthalt nicht unbedingt in die stationäre Behandlung des Pneumologen. Auch beschränken sich Long-Covid-Auswirkungen nicht auf die Lunge, sondern können alle Organe betreffen. Die ambulante Nachbehandlung übernehmen in der Regel niedergelassene Ärzte. Eine Heilbehandlung nach überstandener Erkrankung in Form einer Reha allerdings empfiehlt Firat ausdrücklich.
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