Gelsenkirchen. Die Leerstandsquote in Gelsenkirchen steigt. Doch noch behauptet sich der Handel in der Corona-Zeit. So analysieren Wirtschaftsförderer die Lage.

Seit Anfang 2020 analysiert die kommunale Wirtschaftsförderung die Situation des (Einzel)-Handels in den Hauptzentren Gelsenkirchen-Zentrum und Buer und greift dafür auf die lokale Infrastruktur-Datenbank zurück. Analyse Nummer drei liegt aktuell vor. Sie bildet auch schon das schwierige Corona-Jahr 2020 ab: Insgesamt, stellt die Verwaltung fest, sei der Besatz in beiden Hauptzentren trotz schwieriger Rahmenbedingungen "relativ stabil geblieben".

Was für 2020 galt, muss nicht auch 2021 richtig sein. "Zum aktuellen Zeitpunkt" ließen sich die langfristigen Folgen der Pandemie nicht abschätzen, betonen die Wirtschaftsförderer. Sicher ist: Das Leerstandsmanagement und die Akquisition von Nachfolgenutzern werden bestimmende Themen, so Bernd Gebert, Leiter der Abteilung Strukturentwicklung bei der städtischen Wirtschaftsförderung.

Leerstandsquote stieg in Buer stärker als in Gelsenkirchen

Die Gesamt-Leerstandsquote im Zentrum stieg von Februar bis Dezember 2020 von 17,2 auf 19,2 Prozent. Im März 2019 wurde der Wert noch mit 13,2 Prozent angegeben. Noch drastischer ist die Entwicklung in Buer. Von 9,6 Prozent im März 2019 stieg die Quote im Februar 2020 auf 14,6 und im Dezember gar auf 18,7 Prozent. Ihre Läden schlossen demnach unter anderem Rasierer Elras, Fusion, Herrenmoden Werner, die Parfümerie Pieper oder auch Vodafone am St. Urbanus Kirchplatz.

Buer hat die kleinteiligere Einzelhandelsstruktur

Buer zeigt mit knapp 8000 Quadratmetren Verkaufsfläche eine klare Konzentration im Bekleidungsbereich. Rund 49 Prozent der Gesamtfläche belegen 139 Einzelhändler (Zentrum 197, ebenfalls 49 Prozent), 25 Prozent Dienstleister (Zentrum 22 Prozent), 17 Prozent die Gastronomie (Zentrum 19 Prozent). Auch wenn Buer im Vergleich zum Zentrum die kleinteiligerer Einzelhandelsstruktur hat, sind doch mit Saturn, C&A und H&M mehrere großflächige Filialisten vor Ort.

Schwach aufgestellt (was die Verkaufsfläche in Quadratmetern betrifft) ist Buer bei diesen Warengruppen: Blumen/Zooartikel: 320 Quadratmeter; Elektro/Leuchten: 320; Baumarktsortimente 250; Spielwaren/Hobby: 200; Sport und Freizeit: 100. Wobei bei mancher Zahl Erklärungsbedarf besteht: 11.250 Quadratmeter führt die Statistik für das Zentrum und den Bereich Spielwaren/Hobbyartikel auf - nicht etwa, weil irgendwo in der City ein größeres Kinderparadies wäre. In die Summe, erklärt Gebert, fließen Flächen von beispielsweise Kaufhof, Woolworth oder den Action-Märkten mit ein.

Rund die Hälfte der Fläche geht an den lokalen Einzelhandel

Auch im Zentrum liegt - mit rund 22.700 Quadratmetern Verkaufsfläche - der Schwerpunkt klar auf dem Bekleidungsbereich. Hier auf den letzten Plätzen bei den Warengruppen liegen Blumen/Zooartikel mit 240 Quadratmetern, Foto (130), Elektro/Leuchten (60) und Reisen (50). Die Magnete und großflächigen Filialisten und Kaufhäuser in der City sind Primark, C&A, Kaufhof, H&M und Saturn. Rund 7000 Quadratmeter Fläche belegt der Lebensmittel-Einzelhandel - trotz der REWE-Schließung im Bahnhofcenter. Dort hat auch der dm-Drogeriemarkt geschlossen, Schlatholt-Schuhe und Nordsee machten beide auf der Bahnhofstraße zu.

Feierabendmärkte als "Treffpunkte mit hohem Erlebniswert"

Den Wochenmarkt und Buer, aber auch die Feierabendmärkte im Norden und Süden der Stadt werten die Wirtschaftsförderer als "Treffpunkte mit hohem Erlebniswert" und "wichtigen Baustein zur Ergänzung der Nahversorgung". Vor allem die Feierabendmärkte und die Markthändler haben allerdings unter den Corona-Folgen gelitten. Coronabedingt fielen auch die Weihnachtsmärkte aus, untersagt wurden sämtliche verkaufsoffene Sonntage. Um die von der Pandemie massiv betroffene Gastronomie zu stützen, halfen sogenannte Pop-up-Biergärten wie in Buer auf der Skulpturenwiese, am Wissenschaftspark und auf dem Heinrich-König-Platz.

Stadtweites digitales Stadtgutscheinsystem geplant

Das Instrumentarium, um den lokalen Handel und die Gastwirte zu unterstützen, ist begrenzt: Sondernutzungsgebühren wurden 2020 teils erlassen, auch im laufenden Jahr gibt es Bestrebungen der Politik, Geschäftsleute von zusätzlichen Kosten zu entlasten. Im Frühjahr soll ein stadtweites digitales Stadtgutscheinsystem an den Start gehen, um verstärkt lokale Kaufkraft zu binden. Dafür wurde im Dezember der Verein Stadtgutschein Gelsenkirchen gegründet, der das System aufziehen will. Eingebunden sind drei Werbegemeinschaften, Handelsverband und das Stadtmarketing.

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Einen Standortnachteil werden Engagement und Ideen kaum aufwiegen können. Den Gelsenkirchenern fehlt es - im Vergleich - deutlich an Kaufkraft. Gelsenkirchen schwächelt bei den sogenannten einzelhandelsrelevanten Verbrauchsausgaben.

Deutliche Unterschiede bei der individuellen Kaufkraft

Dieser Schätzwert ist zwar von 2017 (4832 Euro) bis 2020 (5023 Euro) pro Kopf leicht gestiegen. Der Index liegt in Gelsenkirchen aber mit 83,6 deutlich unter dem NRW-Schnitt (100). Das Nord-Süd-Gefälle zwischen den Stadtzentren bleibt dabei deutlich: Im Hauptzentrum Buer hat jeder Einwohner rein rechnerisch 5837 Euro zur Verfügung, in der Gelsenkirchener City waren es 2020 nur 4701 Euro. Zum Vergleich: Jeder Bonner kommt auf 6446 Euro Kaufkraft, 6175 Euro sind es in Münster, 5980 Euro im Landesschnitt.

Wirtschaftsförderung verstärkt Betriebsbesuche

- Digitalisierung, verändertes Einkaufsverhalten, die Folgen der Pandemie, aber auch der demographische Wandel treffen Handel, Gastronomie und Dienstleister, aber auch Immobilienbesitzer, Standort- und Werbegemeinschaften.

- Die Wirtschaftsförderung werde sich der Dynamik der Innenstadtentwicklung anpassen und mit entsprechenden Maßnahmen reagieren müssen. Digitalisierung ist dabei aus Sicht der Akteure ein großes Thema. Geplant seien zudem verstärkt Betriebsbesuche, "um frühzeitig und regelmäßig die Anliegen der Gewerbetreibenden zu erfahren" und Unterstützung anzubieten.

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