Gelsenkirchen. Gelsenkirchen ist laut einer Studie die ärmste Stadt Deutschlands. Den Einwohnern stehen im Durchschnitt nur 16.274 Euro im Jahr zur Verfügung.

Die Menschen, die in Gelsenkirchen leben, haben deutlich weniger Geld zur Verfügung als viele im Rest der Republik. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Statistischen Ämter der Länder, über die Welt.de berichtet. Demnach bleiben jedem Einwohner Gelsenkirchens nach Abzug aller Abgaben und Steuern nur 1356 Euro pro Monat. Das sind nur drei Viertel des deutschlandweiten Durchschnittswerts von rund 1800 Euro. Damit ist Gelsenkirchen laut der Studie die einkommensschwächste Stadt in Deutschland. Leo Krüll, Sprecher des Statistischen Landesamts NRW, erklärt, auf welcher Grundlage die Statistik entstanden ist:

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" Unter dem verfügbaren Einkommen verstehen die Statistiker die Einkommenssumme, die den privaten Haushalten nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben und zuzüglich empfangener Sozialleistungen, durchschnittlich für Konsum- und Sparzwecke zur Verfügung stehen. Der gesamte Betrag wird daraufhin durch alle in der Stadt gemeldeten Menschen geteilt. Da macht die Statistik keinen Unterschied zwischen Geschlecht, Alter oder Herkunft." Das Ergebnis könne als Indikator für die finanziellen Verhältnisse der Bevölkerung verstanden werden.

Einer von vielen Indikatoren

Aus diesem verfügbaren Einkommen müssen allerdings noch sämtliche private Ausgaben bestritten werden, also zum Beispiel Miete, Heizung, Lebensmittel, Auto oder ÖPNV, aber auch Urlaub und Kinobesuche. Die private Altersvorsorge geht ebenfalls vom verfügbaren Einkommen ab. Die Studie ist demnach nur einer von vielen Indikatoren für die tatsächlichen Lebensverhältnisse in einer Stadt. Ein Topverdiener im Schalker Bundesligakader könnte die Statistik beispielsweise verändern.

"Angenommen, Raúl würde zum FC Schalke 04 zurückkehren und dann auch in Gelsenkirchen wohnen, könnte das einen erheblichen Einfluss auf die Zahlen haben. Solche Schwankungen sind natürlich nicht in der Statistik erfasst", erklärt Krüll. Unberücksichtigt bleibt außerdem die regionale Preisentwicklung. "Mietpreise, Kita-Gebühren oder Lebenshaltungskosten fließen in solche Erhebungen nicht mit ein. Wenn also ein Gelsenkirchener mit durchschnittlichem Gehalt in München leben würde, ginge es ihm dort finanziell ziemlich schlecht. Andersherum würde ein Münchener mit relativ niedrigem Gehalt stark von den geringen Mietpreisen in Gelsenkirchen profitieren."

5000 Menschen besuchen wöchentlich die Tafel

Berücksichtigt man alle deutschen Städte, kann Gelsenkirchen die Rote Laterne abgeben. In der landesweiten Studie sind nämlich ausschließlich die kreisfreien Städte erfasst. Eine umfassendere Statistik für die NRW-Städte liefert das Landesamt. Aber auch hier landet Gelsenkirchen am unteren Ende des Rankings. Von 396 Städten und Gemeinden rangiert die "Stadt der tausend Feuer" auf Rang 395. Auf dem letzten Platz landet Kranenburg im Kreis Kleve. Hier bleiben jedem Einwohner nur 1276 Euro im Monat, also weitere 80 Euro weniger als In Gelsenkirchen. Alls das kann aber nicht über die prekäre Lage in der 250.000-Einwohner-Stadt hinwegtrösten.

Die zeigt sich Woche für Woche bei der Gelsenkirchener Tafel. "Zu uns kommen jede Woche rund 5000 Menschen, die auf der Suche nach ein wenig Unterstützung sind", sagt Hartwig Szymiczek, Geschäftsführer der Tafel. Die kämen, so Szymiczek, aus den unterschiedlichsten Hintergründen. "Zu uns kommen von Altersarmut betroffene Rentner, alleinerziehende Mütter aber auch Akademiker. Das kann man nicht auf einzelne Zusammenhänge runterbrechen." Zu erkennen sei aber ein stetiger Zuwachs derer, die sich nicht mehr ohne fremde Hilfe versorgen können. Das liegt unter anderem daran, dass die Löhne und Gehälter in Gelsenkirchen langsamer steigen als in vielen anderen Städten.

Im Ruhrgebiet ist jeder Fünfte von Armut bedroht

In der 250.000-Einwohner-Stadt ist das Netto nur 13 Prozent höher als vor einer Dekade. Damit sind die verfügbaren Einkommen nur in etwa so schnell gestiegen wie das Preisniveau. Unter dem Strich gibt es für Berufstätige, die sich über ein Lohnplus freuten, also gar keinen echten Zuwachs im Geldbeutel. In einer Untersuchung hatten Forscher des Statistische Landesamts schon im Sommer gezeigt, dass im Ruhrgebiet jeder Fünfte von Armut bedroht ist. Und auch das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) vermeldete Anfang des Jahres, dass sich "Kaufkraftarmut" in deutschen Städten ballt. Besonders in strukturschwachen Gebieten Nordrhein-Westfalens halten die Einkommen nicht mit den gestiegenen Kosten mit.

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