Gelsenkirchen. Gelsenkirchen wurde kritisiert wegen der Corona-Informationspolitik. Wie die Stadtverwaltung ihre Vorgehensweise begründet.
Kritik an der Corona-Informationspolitik der Stadt hat die CDU geäußert. Im Fokus standen aktuelle Meldungen über das Infektionsgeschehen an den hiesigen Schulen. Die WAZ hat das zum Anlass genommen, die Verwaltung zu fragen, welche Schritte unternommen werden, um das Infektionsgeschehen an Schulen generell transparenter zu machen. So veröffentlicht die Stadt Essen beispielsweise im Gegensatz zu Gelsenkirchen sogar detaillierte Infektionszahlen aus ihren neun Stadtbezirken.
„Anfangs haben wir noch sehr kleinteilig über Infektionsfälle an Schulen berichtet“, sagt Gelsenkirchens Sozial- und Gesundheitsdezernent Luidger Wolterhoff. „Heute nicht mehr.“ Der Stadtrat ist am Montag gerade auf dem Weg zur Sitzung des Krisenstabes unter der Leitung von Stadtkämmerin Karin Welge, um über die vom Land in Aussicht gestellten Corona-Regeländerungen zu beraten und über Schutzmaßnahmen, wenn Gelsenkirchen den Corona-Grenzwert von 50 Infektionen pro 100.000 Einwohner überschreitet – was nach Lage der Dinge mehr als wahrscheinlich erscheint. Die Ergebnisse aus der Sitzung des Krisenstabes werden am Dienstag bekannt gegeben.
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Gelsenkirchener Schulen haben sich nicht als Infektionsherde erwiesen
„Schulen sind nicht als Infektionsherde in Erscheinung getreten“, begründet Wolterhoff die Informationspolitik der Verwaltung. Bei den Einzelfällen sei das Virus bislang stets von außen hereingetragen worden, entweder durch eine Lehrkraft oder einen Schüler, worauf Schulleitungen und Gesundheitsamt jeweils die Kontakte ermittelt und Quarantäne-Maßnahmen eingeleitet hätten. Eine Verbreitung in der Fläche hat es danach nie gegeben, „deshalb sind wir davon ausgegangen, dass bei diesem zweifelsfrei hoch emotionalen Thema außer bei der Elternschaft wenig Interesse am Infektionsgeschehen an Schulen besteht. Darum haben wir den Fokus nicht weiter auf sie gelegt“.
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Während der Herbstferien soll aber beraten werden, die öffentliche Corona-Statistik der Stadtverwaltung um die Infektionszahlen an Gelsenkirchener Schulen zu erweitern oder gar eine zweite, eigenständige für die Schulen einzupflegen. Luidger Wolterhoff zeigt sich grundsätzlich offen dafür, abgeneigt ist der Gesundheitsdezernent aber, die Corona-Fälle an den Einrichtungen „schulscharf zu veröffentlichen“.
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Seit dem Lockdown im Frühjahr hält die Stadt daran fest, die Gesamtzahl an Corona-Fällen zu veröffentlichen, Gesundungen, aktuell währende Infektionen und Todesfälle inklusive. Details wie in der Nachbarstadt Essen, wo das Geoportal das Infektionsgeschehen in neun Stadtbezirken ausführlich abbildet, gibt es in Gelsenkirchen nicht. Warum eigentlich?
Info zu möglichen Auflagen und zusätzliche Beschränkungen
Gesundheitsdezernent Luidger Wolterhoff und Klaus Mika, Leiter des Referates Gesundheit, werden am Dienstag, 13. Oktober, darüber informieren, welche möglichen zusätzliche Auflagen und Beschränkungen ergriffen werden für den Fall, dass Gelsenkirchen den kritischen Corona-Grenzwert erreicht.
Bundesweit steigen die Coronazahlen derzeit deutlich an. Viele Nachbarstädte von Gelsenkirchen liegen inzwischen über dem kritischen Sieben-Tage-Inzidenzwert von 50. Dieser gibt die Zahl der Infektionen je 100.000 Einwohner an. Diese Entwicklung zeichnet sich auch für Gelsenkirchen ab.
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Verhalten der Gelsenkirchener spielt entscheidende Corona-Rolle, nicht der Wohnort
„Man könnte das Infektionsgeschehen in Gelsenkirchen nach Postleitzahlen abbilden“, erklärte Wolterhoff. „Wir machen das aber nicht, weil unserer Erkenntnis nach das Verhalten eine entscheidende Rolle spielt, nicht der Ort, an dem jemand lebt und wohnt.“ Im Frühling und Sommer waren Virenverteiler Urlaubsrückkehrer oder auch Teilnehmer von Großveranstaltungen wie Hochzeiten, jetzt aber dürften die Gründe anders aussehen. Gewöhnung und Nachlässigkeit könnten eine Rolle spielen. Wohl ein Thema unter anderem bei der Sitzung des Krisenstabes.
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In einer Stadt wie Gelsenkirchen mit vielschichtigen Herausforderungen birgt die Veröffentlichung von stadtteilscharfen Infektionszahlen natürlich auch die Gefahr, „dass falsche Rückschlüsse zur Lebenssituation im Quartier gezogen werden“, sagt Luidger Wolterhoff. Das will man tunlichst vermeiden. Heißt: Nach der Stigmatisierung Gelsenkirchens durch vielfach schlechte Rankings könnte ein weiteres negatives Bild entstehen. Nämlich, dass die Infektionszahlen dort besonders hoch sind, wo viele Menschen mit Migrations- oder Zuwanderergeschichte leben.
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Wobei: Ein Blick nach Essen hat bislang dieser Behauptung nicht standgehalten. Das Infektionsgeschehen nördlich der A 40 ist nicht anders als in gutbürgerlichen Essener Vierteln wie Burgaltendorf, Kupferdreh oder Stadtwald. Mehr Transparenz könnte demnach Vorurteilen und Klischees entgegentreten.