Gelsenkirchen. Soziale Medien werden durch Corona noch wichtiger für den Kommunalwahlkampf. Wie erfolgreich sind Gelsenkirchens OB-Kandidaten im Netz?

Der Wahlkampf unter Corona-Bedingungen macht einen überzeugenden Online-Auftritt bedeutsamer denn je. Wenn Türwahlkampf eingeschränkt ist und Gesprächstermine ausfallen, geht es umso mehr um Klicks und digitale Gefolgschaft. Aber haben das auch alle Parteien und OB-Kandidaten in Gelsenkirchen erkannt?

AfD-Kandidat Schneider: oft sarkastisch, nicht selten diffamierend

Die AfD hat es, natürlich. Sie nährt sich seit jeher vom digitalen Erfolg. Die aufgeheizte Diskussionskultur und Blasenbildung auf Facebook kommt ihrer eigenen Dauer-Zuspitzung sehr entgegen. Kein Wunder, dass AfD-Bundestagsmitglied Jörg Schneider der Gelsenkirchener OB-Kandidat mit den meisten „Gefällt mir“-Angaben (zirka 3.300) auf Facebook ist – und das nettere Instagram von ihm eher stiefmütterlich behandelt wird. Seine kurzen Beiträge drehen sich allerdings im seltensten Fall um die Situation in der Kommune oder seine politischen Forderungen als Wunsch-Stadtoberhaupt.

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Schneider interessiert sich stattdessen vor allem für die große Innen- und Außenpolitik und ist dabei im Dauerangriffsmodus. Der Ton: oft sarkastisch, nicht selten diffamierend. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet heißt bei ihm nur „Luschet“ und soll „auf dem Posten des Bundespräsidenten entsorgt“ werden. Dass Vielfalt für Firmen ein Erfolgsfaktor sein kann, bedeutet für Schneider nicht, „dass es für den Landmaschinenverkäufer im Münsterland sinnvoll ist, einen japanischen Transsexuellen zu beschäftigen“. Und Grüße zum Opferfest seitens der CDU werden hämisch als „Glückwünsche zur blutigen Massenschlachtung ohne Betäubung“ bezeichnet.

Wahlwerbung von FDP-Kandidatin Cichos: prägnant und ästhetisch aufpoliert

Knapp hinter Schneider liegt mit rund 3200 Likes auf Facebook die FDP-Kandidatin Susanne Cichos. Sie setzt auf direkte Ansprache der Nutzer und positioniert nicht selten ein „Und wie seht ihr das?“ am Ende ihrer Beiträge. Dazu: professionell-schicke Kampagnen-Fotos mit kurzen politischen Botschaften wie „Bessere Beleuchtung für unsichere Plätze“ oder „Mehr Nachbarschaftshilfe in der Pflege wagen“.

Prägnant und ästhetisch aufpoliert – und damit auch ideales Teil-Futter für Instagram, wo Susanne Cichos mit rund 1400 Abonnenten die aktivste Bewerberin um den OB-Posten ist. Im ohne Frage professionell gemachten Talk-Videoformat „Cichos trifft“ spricht die Liberale mit lokaler Prominenz wie Olivier Kruschinski oder der Buerer Citymanagerin Aylin Gimmerthal.

Podcast der SPD

Nicht nur die OB-Kandidaten, auch die Social-Media-Adressen der Gelsenkirchener Parteien machen digitalen Wahlkampf. Neben den üblichen Kandidatenvorstellungen und digitalen Wahlplakaten hat die örtliche SPD auch einen Podcast gestartet.

Zu Gast war bereits der noch amtierende OB Frank Baranowski. Am aktivsten unter den Parteien ist ebenfalls die AfD Gelsenkirchen, die allerdings, wie auch ihr Spitzenkandidat, viel auf Entwicklungen außerhalb von Gelsenkirchen eingeht – und dabei meist sehr konfrontativ vorgeht.

Auch CDU-Kandidat Malte Stuckmann deckt die Videosparte ab – mit seinem Format „Küchentalk“. Weil die drei Anwesenden – neben Stuckmann Künstler Christian Nienhaus und der CDU-Bundestagsabgeordnete und Ex-OB Oliver Wittke – aber nicht wirklich zum Schnibbeln, Marinieren und Braten kommen, sondern sich eher in ihren Wunschvorstellungen an ein besseres Gelsenkirchen verlieren, erschließt sich der Sinn des Drehorts nicht ganz. Immerhin stehen Inhalte im Mittelpunkt.

CDU-Kandidat Stuckmann versendet Updates per Whatsapp

Stuckmann – rund 1420 „Gefällt mir“-Angaben bei Facebook, rund 340 Abonnenten auf Instagram - verkündet mal per Selfie-Clip, wie er sich eine digitale Modellstadt wie Gelsenkirchen vorstellt, mal wie ein Wahlkampftermin in der Pauluskirche ablief. Emojis sind für ihn kein Zeichen mangelnder Seriosität, genauso wenig Fotos in Superman-T-Shirt, kurzer Hose oder Hoodie.

CDU-Kandidat Malte Stuckmann postet auf Facebook auch mal lockerere Inhalte. Oft mit dabei: seine Ehefrau.
CDU-Kandidat Malte Stuckmann postet auf Facebook auch mal lockerere Inhalte. Oft mit dabei: seine Ehefrau. © Malte Stuckmann

Stuckmann postet als einziger Kandidat auch über Whatsapp Neuigkeiten. Er dokumentiert seine Treffen mit Unternehmen und Stadtpersönlichkeiten, Feierabend oder Flyer-Verteilungen. Oft dabei an seiner Seite: Seine Ehefrau, die für ihn online ordentlich die Werbetrommel schlägt. All das wirkt wenig orchestriert und viel mehr aus dem Bauch heraus als bei Stuckmanns Hauptgegnerin – Kämmerin und OB-Anwärterin Karin Welge von der SPD.

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Der Kämmerin und derzeitigen Krisenmanagerin hängt der Ruf der tüchtigen und eloquenten, aber sicher auch etwas steifen und überkorrekten Karriere-Frau an. Passend dazu wirkt ihr Online-Auftritt, als würde sie den Facebook-Beitrag als einen Punkt auf der täglichen To-do-Liste abhaken. 99 Tage vor der Wahl fing sie damit an, jeden Tag etwas über Gelsenkirchen, ihre Ideen, den Wahlkampf und „ab und an etwas Privates“ zu posten. Und so hat sich Welge mal bei den Imkern, mal bei ThyssenKrupp, mal in der Küche vor dem Topf mit Bolognese gezeigt. Facebook- und Instagram-Inhalte sind dabei deckungsgleich. Welges Twitterprofil zeigt sie noch mit blonden Haaren – als unabhängige OB-Kandidatin für Xanten.

Grünen-Kandidat postet nur selten etwas

Auffällig: Welge ist online meist eher im Monolog und nicht im Dialog. Auch in ihrer Videoreihe „Echt.Welge“ spricht sie ausschließlich selbst, ganz im Stile ihres Wahlwerbevideos. Es ist eine vorsichtige, unauffällige und dadurch auch wenig klickträchtige Online-Strategie – Welge liegt mit knapp 1000 Facebook-Likes und knapp 430 Instagram-Abonnenten hinten im digitalen Rennen der OB-Kandidaten.

SPD-Kandidatin Karin Welge in einem Facebook-Post zusammen mit ihrer Oma.
SPD-Kandidatin Karin Welge in einem Facebook-Post zusammen mit ihrer Oma. © Karin Welge

Noch weiter abgeschlagen: Grünen-Kandidat David-Fischer, der offenbar online noch nicht so ganz aus der Sommerpause zurückgekehrt ist. Sein aktuellstes Facebook-Posting: Ein Video, fast schon einen Monat alt. In dem geradezu dilettantisch gemachten Statement liest Fischer ab, wie er sich Gelsenkirchen als Oberbürgermeister vorstellt – mehr Begrünung, Sanierung bewährter Schulen und Ausbau der Wasserstoffwirtschaft. Die Belohnung für die spärlichen Inhalte: Weniger als 800 „Gefällt mir“-Angaben. Immerhin sind die Grünen damit noch Linken-Kandidat Martin Gatzemeier weit voraus - der verzichtet nämlich ganz auf einen eigenen Facebook-Auftritt.