Gelsenkirchen-Ückendorf. Adrianna Gorczyk engagiert sich seit Jahren in Gelsenkirchen für die Grünen. Die 32-Jährige glaubt an Dialog. Und an Gelsenkirchen-Schalke.

Ein winziger Punkt, der immer größer wird: Die Person, die auf dem Trampelpfad aus der Ferne heran radelt, lässt sich zunächst kaum erkennen, doch je länger die Zeit fortschreitet, desto mehr gewinnt sie an Gestalt. Am Forsthaus im Rheinelbe-Wald angekommen springt sie von ihrem Fahrrad. „Hallo, ich bin total verschwitzt, aber macht nichts, hier im Wald ist es ja schön kühl!“ Jetzt ist Adrianna Gorczyk, Frontfrau der Gelsenkirchener Grünen, voll da.

Erinnerung an Polen wage

Gorczyk, das lässt bereits der Name erahnen, hat osteuropäische Wurzeln. 1987 wurde sie in der Nähe von Katowice in Polen geboren. Die Eltern, Spätaussiedler, zogen nach Gelsenkirchen, da war die kleine Adrianna vier. „An viel kann ich mich nicht erinnern“, erzählt die heute 32-Jährige. „Ich war in Polen in der Kita, aber die Bilder sind in der Erinnerung wage.“ Die Gorczyks wohnten zunächst in der Kurt-Schumacher-Straße und auch in den folgenden Jahren blieb die Familie dem Gelsenkirchener Süden treu. „Ich bin viel umgezogen, ich habe in fast jedem Stadtteil südlich des Kanals gewohnt.“

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© funkegrafik nrw | Miriam Fischer

Dass sich die Absolventin des Gauss-Gymnasiums schon früh für Politik interessierte, hängt mit ihrem ausgeprägten Sinn für demokratische Strukturen und Debattenkultur zusammen. „An Kommunalpolitik reizt mich, dass ich dabei wirklich mit Menschen ins Gespräch kommen kann. Dass ich mit Aktionen und Projekten auch Leute erreichen kann, die ganz unterschiedlicher Meinung sind.“ Vor neun Jahren trat Gorczyk der Grünen Jugend Gelsenkirchen bei. Parallel dazu schrieb sie sich an der Ruhruni Bochum für Philosophie und Theaterwissenschaften ein. „Eine geniale Kombination für einen kulturafinen, politischen Typ wie mich“, meint Gorczyk.

Ein paar Jahre Herne der Liebe wegen

In ihr Studium fällt auch der erste längere Aufenthalt außerhalb Gelsenkirchens. „Ich bin tatsächlich der Liebe wegen ein paar Jahre nach Herne gezogen – von da aus kam ich gut zur Uni und immer noch gut nach Gelsenkirchen zur Parteiarbeit.“ Im grünen Kreisverband wühlte sie sich mit der Zeit ein, saß als beratendes Mitglied im Kulturausschuss, nahm an Fraktionssitzungen teil. „Als klar war, dass die vorherige Grünen-Vorsitzende Barbara Oehmichen aufhört, haben wir überlegt, wer kann es machen, wer will es machen.“

Grüne im Höhenflug

In den vergangenen Monaten verzeichneten die Grünen in Gelsenkirchen einen Zuwachs von 35 Prozent auf 140 Mitglieder. Bei den Europawahlen im Mai holten die sie mit 15,6 Prozent mehr als doppelt so viele Stimmen wie bei der vorherigen Europawahl.

Meinungsforschungsinstitute sehen sie zurzeit bundesweit sogar vor der SPD. Auf Landesebene organisiert die Öko-Partei darum zurzeit Schulungen und Workshops, um Neumitglieder auf mögliche Gremienarbeit vorzubereiten.

Adrianna Gorczyk konnte und wollte. Seit etwa einem Jahr ist sie in einer Doppelspitze mit Jan Dworatzek Chefin der Gelsenkirchener Grünen. „Ich finde es total wichtig, dass sich jüngere Frauen in der Politik jetzt auch nach vorne trauen. Wenn ich die Herren sehe, die bei anderen Parteien gefühlt schon immer die Chefs sind, dann frage ich mich: Wie war das denn, als die mal jung waren? Die haben auch ihre Fehler gemacht. Natürlich werden Neue erst einmal Fehler machen. Aber wir brauchen eine gesunde Fehlerkultur. Nur so können Neueinsteiger und vor allem Neueinsteigerinnen Erfahrungen sammeln.“

„Fantastische Frauen“ in Spitzenämtern

Umgang mit Frauen: Zumindest in den eigenen Reihen sei der extrem entspannt, betont Gorczyk, die hauptberuflich als Geschäftsführerin der Grünen Jugend NRW in Düsseldorf arbeitet. „Mit Irene (MdB Irene Mihalic, Anm. d. Red.) und Terry (MdE Terry Reintke, Anm. d. Red.) haben wir natürlich auch zwei fantastische Frauen in Toppositionen, von denen ich selbst viel gelernt habe.“

Was ihre eigenen Ambitionen betrifft, äußert sich Gorczyk trotz toller Wahlergebnisse und noch besserer Prognosen für ihre Partei zurückhaltend. „Ich würde gerne nach der Kommunalwahl 2020 in den Rat gehen.“ Ein Amt auf Landes- gar Bundesebene? „Spannend, klar. Aber kann ich mir im Moment nicht vorstellen. Ich möchte in Gelsenkirchen bleiben.“ Noch nicht lange her, da ist sie nach Schalke umgezogen. Auch so ein Thema: „Genau hier, in so einem Stadtteil, brauchen wir mehr Dialog!“ Ein Glas Wein zum guten Gespräch in einer netten Kneipe: „Das ist auch für mich persönlich Glück.“

Starke Frauen in Gelsenkirchen, Folge 6

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