Gelsenkirchen. Die Vorsitzenden Adrianna Gorczyk und Jan Dworatzek geben sich im Gespräch bescheiden. Doch für die Kommunalwahl 2020 haben sie klare Ziele.

Wir treffen die beiden Vorsitzenden der Gelsenkirchener Grünen im Garten der Pizzeria Venezia in der Von-Oven-Straße in der Innenstadt. Und es passt zu dieser Begegnung, dass Adrianna Gorczyk und Jan Dworatzek hier zwei lange Tische mit rund 20 Plätzen reserviert haben. Nicht für die Zeitung – sondern für die Neumitglieder, die in den letzten Monate bei der Ökopartei in Gelsenkirchen eingetreten sind. Und die man heute Abend treffen wolle, als Dankeschön für das Engagement und Vertrauen

Grüne holen 15,6 Prozent bei Europawahl

„In den letzten Monaten hatten wir einen Zuwachs von 35 Prozent auf 140 Mitglieder“, sagt Jan Dworatzek. Seit Mai steht der 30-jährige Lehrer dem Ortsverein der Ökopartei vor, zusammen mit Adrianna Gorczyk (32), die als Geschäftsführerin der Grünen Landesjugend auch beruflich mit den Grünen verbandelt ist. Spricht man die beiden auf den jüngsten Höhenflug der Partei an – bei den Europawahlen im Mai holten die Grünen in Gelsenkirchen mit 15,6 Prozent mehr als doppelt so viele Stimmen wie bei der vorherigen Europawahl, Meinungsforschungsinstitute sehen die Grünen zurzeit bundesweit sogar vor der SPD – reagieren sie bescheiden. „Wir freuen uns natürlich über das Interesse und den Zulauf“, kommentiert Gorczyk die Entwicklung. Man wolle sich aber auf die inhaltliche Arbeit konzentrieren. „Das war ja immer unsere Stärke.“

Neumitglieder für Gremienarbeit interessieren

Robert Habeck, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen und die Gelsenkirchenerin Terry Reintke, NRW-Spitzenkandidatin und Europaabgeordnete aus dem Ruhrgebiet im Europawahlkampf.
Robert Habeck, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen und die Gelsenkirchenerin Terry Reintke, NRW-Spitzenkandidatin und Europaabgeordnete aus dem Ruhrgebiet im Europawahlkampf. © FFS | Tanja Pickartz

Dennoch: Wären nächstes Wochenende Kommunalwahlen und die Grünen schnitten mit einem ähnlich hohen Ergebnis ab wie bei der Europawahl, hätte die Partei vermutlich ein Problem. Denn dann müssten Leute gefunden werden, die Gremien besetzen, die Ratssitzungen besuchen, die für die Grünen in Ausschüsse und Aufsichtsräte ziehen. Gorczyk sieht die Personalfrage gelassen. „Bis zu den Kommunalwahlen nächstes Jahr haben wir noch genug Zeit. Wir versuchen jetzt schon, uns darauf vorzubereiten. Wir versuchen, Neumitglieder für Gremienarbeit zu interessieren, sie darauf anzusprechen. Es laufen dazu Workshops und Schulungen auch auf Landesebene. Wir bleiben da am Ball.“

Bündnis mit AfD ausgeschlossen

Ob sich seit ihren sensationellen Umfragewerten das Verhältnis zu den anderen Parteien im Rathaus verändert habe? „Hier und da merke ich schon ein Umdenken“, räumt Adrianna Gorczyk ein. „Mir reicht das aber noch nicht.“ Sollten das Wahlergebnis bei der Kommunalwahl 2020 in Gelsenkirchen ähnlich ausfallen wie bei der Europawahl, könnte Gelsenkirchen nur von einer Koalition reagiert werden. Gorczyk kann sich das mit den Sozialdemokraten durchaus vorstellen, „wenn sich gerade bei den älteren Parteimitgliedern die Einstellung ändert. Denen muss klar werden, dass sie die Stadt nicht mehr nach Gutsherrenart regieren können. Ich bin mir nicht so sicher, ob das schon angekommen ist.“ Grundsätzlich sei man bei den Gelsenkirchener Grünen aber für Bündnisse offen, auch mit der CDU, meint Jan Dworatzek. „Wenn wir inhaltliche Linien finden, auf die wir uns einigen können.“ Die AfD schließen die Vorsitzenden als Bündnispartner allerdings aus. Gorczyk: „Diese Partei ist nicht konstruktiv. Das weiß jeder, der schon einmal mit ihren Vertretern in einem Gremium gesessen hat.“

Schüler, Mütter und Ältere kommen

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Portraitfoto von Matthias Korfmann am Dienstag,28.02.2017, als Kommentarfoto. Foto: Kai Kitschenberg/Funke Foto Services
Von Matthias Korfmann

Was macht es mit einer ehemaligen Nischenpartei, die plötzlich umschwärmt wird wie eine Popband, deren VorsitzenderRobert Habeck schon als neuer Bundeskanzler gehandelt wird? „Wir stellen fest, dass Menschen aller Altersgruppen zu uns stoßen. Ob das Schüler sind, Studenten oder Mütter oder Ältere, wir spüren die Lust, etwas in der Stadt, wo sie Zeit zu gestallten – das ist ein tolles Gefühl“, findet die Vorsitzende. Und ihr männlicher Co meint: „Ich glaube, bei uns als Grünen kann man gut andocken, weil wir auch ungewöhnliche Organisationsformen finden. Eine Alleinerziehende kann nicht abends zu einer Sitzung kommen – wir finden Alternativen. Nicht jeder möchte zu jedem Termin anwesend sein – auch auf dieses Lebensgefühl gehen wir ein.“ Mit welchem Ergebnis rechnen die Gelsenkirchener Grünen Vorsitzenden bei der Kommunalwahl 2020? „Wir werden ganz viel Arbeit in den Wahlkampf stecken. Wir hoffen, dass sich das auszahlt.“