Gelsenkirchen-Bulmke-Hüllen. Am Ricarda-Huch-Gymnasium in Gelsenkirchen ist digitales Lernen schon Alltag. Ein Praxistest in einer schon fast komplett ausgestatteten Schule.

In der 6a am Ricarda-Huch-Gymnasium steht das Foto eines halben Fußballfelds auf der elektronischen Tafel. Lehrerin Elisabeth Kramza fragt: Welche der drei mit Bällen markierten Schusspositionen ist die beste für den Torschützen? Die Schüler sind ganz bei der Sache, der fremde Gast fragt sich: Welches Fach läuft hier gerade?!? Die Aufklärung folgt schnell: Es ist Mathe. Und es geht um Winkel. Ein Thema, bei dem die Aufmerksamkeit gemeinhin nicht zwingend leidenschaftlich ist. Anders hier. Elisabeth Kramza zeigt, wie der Ball laufen könnte, welche Winkelgröße welche Chancen birgt, wie es der Torwart am schwersten hat. Hier hilft Digitaltechnik eindeutig, Unterricht spannend zu machen.

Nur der Access Point für die Netbooks fehlt noch

Isabel Asmus-Werner gerät gar ins Schwärmen, wenn sie von den neuen Möglichkeiten erzählt. Die stellvertretende Schulleiterin des Ricarda-Huch-Gymnasiums zeigt im Schnelldurchlauf, was alles geht, seit die ganze Schule mit Whiteboards, Dokumentenkamera, Audiosystem, Beamer und Rechnern ausgestattet ist. Fehlt nur noch der Access Point, die gemeinsame Ladestation für die Netbooks.

Dabei – wie auch bei Whiteboards und anderer Hardware für Schulen – sei die Liefersituation zum Teil derzeit schwierig, erklärt Thomas Sowa, Leiter des IT Teams Schulen. Der Förderung über „Gute Schule 2020“ wegen, die von ganz NRW genutzt wird. Gelsenkirchen war landesweit digitaler Vorreiter, verfügte bereits über ein komplettes Glasfasernetz für Schulen, als das Landesprogramm startete. So konnte hier Vieles vor dem Lieferengpass und den steigenden Preisen angeschafft werden.

Diese Tafeln können auch Klavierspielen

Die stellvertretende Schulleiterin Isabel Asmus-Werner ist Digitalbeauftragte am Ricarda-Huch-Gymnasium Gelsenkirchen.
Die stellvertretende Schulleiterin Isabel Asmus-Werner ist Digitalbeauftragte am Ricarda-Huch-Gymnasium Gelsenkirchen. © Joachim Kleine-Büning

Zurück zur Praxis: Der Klaviertastatur, die Isabel Asmus-Werner jetzt auf die Tafel projiziert hat, entlockt sie auch Töne. „Es ist viel anschaulicher, wenn ich das ‘C’ zeigen und anspielen kann.“ Spricht es und switcht weiter zur Neurobiologie, wo sie auf der Tafel mit einer Wischbewegung eine Membran öffnet. „Das ist eigentlich sehr abstrakt, aber so man kann es begreifen im wahrsten Sinne des Wortes!“ Weiter geht es mit Biologie, Thema „Meiose“, Zellteilung. „Da haben die Schüler selbst ein kleines Video erstellt – das vergessen sie nie wieder!“ Hätte es das nur schon zu meiner Schulzeit gegeben . . .

Neurobiologie digital lernen: Die Membran lässt sich öffnen.
Neurobiologie digital lernen: Die Membran lässt sich öffnen. © Screenshot

Bei der Vorführung der digitalen Uhr, die beim Lernen der Uhrzeiten im Englischen hilft, weil sie für alle sichtbar verstellbar ist, steige ich geistig wieder ein. Nur beim Vokabellernen bevorzugt die Digitalbeauftragte der Schule für sich das gute alte Karteikartensystem: „Was mit der Hand geschrieben ist, haftet besser im Gedächtnis.“ Und selbst viele Schüler zögen Karteikarten noch der Vokabel-App vor.

Trotzdem: Die digitale Ausstattung aller Klassen mit Hard- und Software sowie die Schulung aller Kollegen durch das Kompetenzteam der Landesabteilung habe die Schule einen großen Schritt weiter gebracht, so Asmus-Werner. Nicht alle Schulen in Gelsenkirchen sind soweit wie das Ricarda; aber fast alle sind auf dem Weg. # 401?

11.500 Endgeräte an Schulen – Eines für drei Schüler

Ricarda-Huch-Gymnasium: So schön kann Bio sein

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    In Gelsenkirchen kamen die Schulen früh ans Netz. 2008 wurde das IT-Team für Schulen mit heute sechs Mitarbeitern gegründet, die ersten – bereits ausgetauschten – PC wurden installiert. Seit 2011 sind alle weiterführenden Schulen am Glasfasernetz, Bandbreite heute 1Gbit/s. 11.500 Endgeräte wie PC und Netbooks gibt es mittlerweile an Schulen in der Stadt, nur drei Schüler teilen sich derzeit ein Gerät, 4000 zusätzliche Geräte sind geplant.

    Am Schalker Gymnasium, der Gesamtschule Buer-Mitte und der Pfefferackerschule wird derzeit getestet, ob und wie ein „Bring your own Device“-System funktionieren kann. Schüler nutzen dabei ihre eigenen Smartphones oder Laptops. Die Schulkonferenzen haben dem zugestimmt. Auch eine einheitliche pädagogische Software gibt es.

    Nur noch acht Schulstandorte sind ohne WLAN

    An der Gesamtschule Horst wurde die neue Technik Besuchern beim Weihnachtsbasar vorgeführt.
    An der Gesamtschule Horst wurde die neue Technik Besuchern beim Weihnachtsbasar vorgeführt. © Andreas Hofmann

    WLAN gibt es an allen Grundschulen außer an der Stephanstraße, Lange Straße und Röttgersweg, wo größere Baumaßnahmen anstehen inklusive WLAN-Einrichtung. Von den 50 weiterführenden Schulstandorten verfügen 42 über WLAN. Die übrigen acht folgen über „Gute Schule 2020“-Landesmittel. Es handelt sich um alle drei Standorte des Berufskollegs (BK) für Technik und Gestaltung, die Gesamtschule Buer-Mitte, Standort Rathausplatz, die Förderschule für Kranke, Adenauerallee, Gesamtschule Erle, Standort Surkampstraße, BK Königstraße, Standort Augustastraße und das Eduard Spranger BK Goldbergstraße. Bis Ende 2020 sollen alle Standorte WLAN haben.

    Fördersumme über Digitalpakt des Bundes noch offen

    Klaus Rostek, Leiter des Bildungsbüros der Stadt, hofft, dass Gelsenkirchen bei der Zuteilung von Geldern aus dem Digitalpakt nicht wieder für sein Engagement bestraft wird.
    Klaus Rostek, Leiter des Bildungsbüros der Stadt, hofft, dass Gelsenkirchen bei der Zuteilung von Geldern aus dem Digitalpakt nicht wieder für sein Engagement bestraft wird. © Joachim Kleine-Büning

    Wieviel Geld aus demDigitalpakt für Schulennun vom Bund nach Gelsenkirchen fließen wird, ist noch offen. Für Nachbarn gelten Gelsenkirchener Schulen als digitale Vorbilder. „Wir hoffen, dass wir nicht wieder für unser frühes, vorausschauendes Engagement bestraft werden wie beim Sozialdienst Schule“, hofft Klaus Rostek, Leiter des Bildungsbüros. Beim Sozialdienst hatte die Stadt aus eigener Kraft eine langfristigere Besetzung mit Schulsozialarbeitern gesichert, Mittel gestreckt. Und bekommt nun weniger Fördergelder.