Scholven/Horst. 1929 wurde der Grundstein für die Raffinerien in Horst und Scholven gelegt. Ein kleiner Streifzug durch eine große Geschichte.

„90 Jahre Energie aus Leidenschaft“ – Mit dem Slogan feiert die Ruhr Oel das 90-jährige Jubiläum ihrer Werke in Scholven und Horst Anfang Juli. Auf Kohle geboren, entstanden ab 1929 im Gelsenkirchener Norden gigantische Chemieunternehmen, die bis heute mit Superlativen aufwarten können. Werke, die Wandel symbolisieren, globale wirtschaftliche Entwicklungen lokal verankern, heute für tausende Menschen eine sichere Lebensgrundlage schaffen, in der Vergangenheit aber auch Leiden schafften. Ein kleiner Streifzug durch eine große Geschichte.

Das staatliche Bergbauunternehmen Hibernia gab 1929 den Anstoß und gründete die Veba. 1931 geht in Scholven die erste Anlage zur Düngemittelproduktion in Betrieb. In Zeiten der Weltwirtschaftskrise und dem erstarkenden Nationalsozialismus Anfang der 30er Jahre wollte man die Energiewirtschaft in einem an Kraftstoff armen Land verbessern.

Benzin und Flugkraftstoff aus Kohle

Hitlers Autonomiebestrebungen und Kriegsfantasien kurbelten die Produktion an. Ab 1936 wird in Scholven, ab 1939 in Horst Benzin und vor allem Flugkraftstoff aus Kohle hydriert. „Das Staatsunternehmen Veba geht voran, obwohl die Produktion zu teuer ist, sich wirtschaftlich nicht rechnet“, sagt der Historiker Dietmar Bleidick, der für den BP-Konzern die Geschichte aufarbeitet.

„Die halbe Stadt war am 31. Mai 1949 auf der Straße, um die beiden Werke zu retten“, berichtet der Historiker Dr. Dietmar Bleidick.   
„Die halbe Stadt war am 31. Mai 1949 auf der Straße, um die beiden Werke zu retten“, berichtet der Historiker Dr. Dietmar Bleidick.    © BP

Ab 1943 werden die kriegswichtigen Anlagen von den Alliierten bombardiert. „Bis zum Sommer 1944 sind beide Anlagen jedoch in Betrieb“, so Bleidick.

Perfides System der Vernichtung durch Arbeit

Tausende Zwangsarbeiter – in Horst gibt es eine Außenstelle des Konzentrationslagers Buchenwald – beseitigen die Schäden. „Viele von ihnen sind umgekommen“, Bleidick. Für sie gab es bei Angriffen keine Bunkerplätze. „Es ist ein perfides System der Vernichtung durch Arbeit“.

Nach dem Zweiten Weltkrieg lief in den Werken zunächst nichts. In dieser Zeit der Ungewissheit ging 1949 halb Gelsenkirchen auf die Straße und demonstrierte für den Erhalt der Werke. Die Genehmigung wurde nach Gründung der Bundesrepublik Ende 1949 erteilt. Ab 1951 durften auch wieder Hydrieranlagen, nun allerdings bereits auf Erdölbasis, in Betrieb genommen werden.

Öl wird zum Schmiermittel der Welt

In den 50er Jahren boomt das Geschäft. „Öl wird zum Schmiermittel der Welt“, sagt Bleidick. Der wachsende Kfz-Markt fordert seinen Tribut, der Mineralölverbrauch verzeichnet Wachstumsraten von 25 Prozent. Horst wird zur größten Raffinerie Deutschlands.

„Das Wirtschaftswunder ist auch ein Kunststoffwunder“, so Bleidick. Nylons, bunte Polyester-Hemden, Resopal, Verpackungen. „Bis Anfang der 70er Jahre gibt es kaum Umweltbewusstsein“, erinnert Dietmar Bleidick. Erst nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl im April 1986 wird in der Bundesrepublik das erste Umweltministerium eingerichtet.

Zweitgrößte Raffinerie Deutschlands

Die Jahrzehnte sind geprägt durch Besitzerwechsel und neue Kooperationen. Eine Staatsgesellschaft aus Venezuela wird durch den russischen Rosneft-Konzern ersetzt, Veba von Eon abgelöst. 1975 wird Horst Scholven zugeschlagen. Produktionsketten verändern sich durch die Kohlekrise und die Ölkrisen in den 70er Jahren. 2001 steigt BP bei der Ruhr Oel ein. In den Raffinerien sollen keine Abfallprodukte entstehen. Hier werden hochwertige Benzin- und Dieselsorten, Heizöle, Flugkraftstoff und petrochemische Grundstoffe erzeugt.

Inzwischen ist der Raffineriestandort Gelsenkirchen hinter Wesseling zum zweitgrößten Deutschlands aufgestiegen. Damit das so bleibt, will BP, das seit 2017 alleiniger Eigentümer ist, in den nächsten zehn Jahren zwei Milliarden Euro in den Standort Gelsenkirchen investieren.

>>>>>>BP lädt zum „Tag der offenen Tür“

Anlässlich des Jubiläums lädt BP am Samstag, 6. Juli, zum Tag der offenen Tür auf die Sportanlage Lüttinghof. „Wir hoffen auf eine rege Beteiligung unserer Nachbarn und aller interessierten Bürgerinnen und Bürger aus Gelsenkirchen und den anliegenden Gemeinden“, sagt Raffinerieleiter José Luis García-Galera. „Der ganze Standort freut sich darauf, einen Einblick in unsere Raffinerie und Transparenz über unsere Aktivitäten zu geben.“

Die Besucher können sich an verschiedenen Ständen über die Raffinerie informieren. Zum Beispiel erfahren sie, welche Prozesse in einer Raffinerie ablaufen, welche Produkte entstehen und wie diese über eine moderne Logistik zum Endkunden gelangen. Ebenso wird es einen großen Stand zum Thema Umweltschutz geben. Daneben präsentieren sich die Werkfeuerwehr, die Ausbildungsabteilung, der Betriebsrat und viele weitere Bereiche. Natürlich gibt es auch die Möglichkeit, eine geführte Tour durch das Werk Scholven zu machen.

Show-Acts für Kinder

Jeder Besucher erhält zur Begrüßung einen Verzehrgutschein in Höhe von zwei Euro. Durch den Tag führt der bekannte TV und Radiomoderator Dirk Große-Schlarmann. Das Programm umfasst neben kurzen Interviews mit Raffinerievertretern und Informationen rund um den Tag auch kleinere Show-Acts für Kinder, unter anderem eine Zaubershow und einen Bauchredner. Für Kinder und Familien gibt es zusätzlich eine Kids-Area mit verschiedenen Aktionen.

Die Ruhr Oel wird den Gesamtbetrag, der für Speisen und Getränke umgesetzt wird, noch einmal an soziale Einrichtungen in Gelsenkirchen spenden.