Gelsenkirchen/Bochum. . Ein Umweltskandal rund um die Raffinerie von BP in Gelsenkirchen zieht weite Kreise. Neben BP gerät auch der Energiekonzern Uniper unter Druck.

Schon vor einigen Jahren lag das Thema „Ölpellets“ auf den Tischen der Konzernjuristen von BP. Zwei Mitarbeiter der BP-Tochterfirma Ruhr Oel hatten jahrelang die Vergabe von Aufträgen manipuliert. Es ging auch den Vertrag zur Vermarktung der Rußpellets aus der Gelsenkirchener Raffinerie an ein Unternehmen, dessen Geschäftsführer den BP-Beschäftigten finanzielle Anreize geboten hatte. „Die beiden ehemaligen Mitarbeiter haben von Anfang an in verbrecherischer Absicht gearbeitet, Vorgesetzte belogen und Akten manipuliert, um sich zu Lasten der Ruhr Oel zu bereichern“, heißt es in einer Stellungnahme von BP. Das Unternehmen geht offen mit den Vorgängen aus der Vergangenheit um.

In dem vor drei Jahren – und inzwischen rechtskräftig – abgeschlossenen Strafverfahren wurden die beiden ehemaligen Mitarbeiter Unternehmensangaben zufolge wegen Korruption beziehungsweise Bestechlichkeit verurteilt. Auch der Geschäftsführer des Ölpellet-Vermarkters sei neben weiteren Verurteilten wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr, Betruges zu Lasten der Ruhr Oel und Steuerhinterziehung verurteilt worden. Die BP-Tochterfirma Ruhr Oel trat in diesem Verfahren als Nebenklägerin auf. „Direkt nach Bekanntwerden der Korruption“, betont BP, „haben wir unser Abfallmanagement komplett überprüft und – wo notwendig – neu organisiert“.

Ölpellets in Tongrube gekippt

Doch dieser Tage laufen wieder Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bochum gegen mehrere BP-Mitarbeiter – diesmal wegen des Vorwurfs des unerlaubten Umgangs mit Abfällen. Erneut spielen die sogenannten Ölpellets aus der Gelsenkirchener BP-Raffinerie eine Rolle.

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„Es besteht der Anfangsverdacht, dass eventuell nicht hinreichend darauf hingewiesen wurde, dass man die Ölpellets speziellen Analysen unterziehen muss“, sagte Oberstaatsanwältin Cornelia Kötter auf Anfrage unserer Redaktion. „Damit hängt zusammen, ob die Ölpellets schadlos für Mensch und Umwelt genutzt werden konnten. War das nicht der Fall, dann sind die Ölpellets als gefährlicher Abfall zu betrachten.“

Es sind Ermittlungen in einem Umweltskandal, der weite Kreise zieht. Denn klar ist: Die Ölpellets, die nach Angaben von BP als Brennstoff insbesondere im Kraftwerk dienen sollten, landeten in großem Stil in einer Tongrube zwischen Hünxe und Schermbeck. In der Tongrube lagern nun Justizangaben zufolge rund 25.000 Tonnen Material, das in der Gelsenkirchener Raffinerie entstanden ist. Die Ölpellets bestehen aus Ruß, der mit Schweröl vermischt wird. Der Ruß stammt aus der Schweröl-Vergasung. Was mit dem schadstoffhaltigen Material geschieht, das möglicherweise das Grundwasser gefährdet, ist unklar. BP wies eine „Erzeugerhaftung“ zurück.

Thema im Gelsenkirchener Stadtrat

Offen ist auch, was in Zukunft mit den Ölpellets geschieht. Derzeit werden die Pellets im Gelsenkirchener Steinkohlekraftwerk des Düsseldorfer Energiekonzerns Uniper verbrannt. BP-Manager Rick Johnson verteidigte vor dem Gelsenkirchener Stadtrat das Vorgehen. „Die Rußpellets verfügen über einen sehr hohen Heizwert und werden deshalb zur Energieerzeugung seit den 1970er Jahren ins benachbarte Kraftwerk geliefert“, sagte er. An der Rechtmäßigkeit der Verbrennung der Pellets gebe es „keinen Zweifel“.

Auch die Staatsanwaltschaft Bochum sieht nach eigenen Angaben bislang keine Hinweise auf ein strafrechtlich relevantes Vorgehen von Uniper bei der Verbrennung der Ölpellets in Gelsenkirchen.

Uniper und BP überprüfen Praxis

Eine Verbrennung der Ölpellets als Sondermüll hält BP allerdings für nicht erforderlich. „Das würde im Prinzip bedeuten, wir produzieren etwas, um es im Anschluss daran wieder zu entsorgen“, erklärte das Unternehmen, das mit seiner Europa-Zentrale in Bochum zu den großen Arbeitgebern im Ruhrgebiet gehört. Die Verbrennung der Ölpellets im Gelsenkirchener Uniper-Kraftwerk Scholven erfolge mit einem „wesentlich höheren Wirkungsgrad“ als zum Beispiel in einer Müllverbrennung, argumentierte BP. Dies bedeute, dass bei einem Einsatz im Kraftwerk die Kohlendioxid-Bilanz besser sei, da mit den Rußpellets mehr Strom erzeugt werde, als es in einer Müllverbrennungsanlage der Fall wäre.

Auf Anfrage unserer Redaktion erklärten BP und Uniper allerdings, die bestehende Praxis zu überprüfen. „Wir nehmen die entstandene Verunsicherung und Sorge der Bürgerinnen und Bürger Gelsenkirchens rund um die Verbrennung der Rußpellets im Kraftwerk sehr ernst“, teilte BP mit. „Vor diesem Hintergrund prüfen wir aktuell sorgfältig den Appell des Rates der Stadt Gelsenkirchen, den Verkauf der Rußpellets bis zur Klärung der Sachlage auszusetzen.“