Essen.
„,Kalle’ ist schön und gut, aber du brauchst noch einen schönen Spitznamen, der zum Ruhrpott passt“, grübelt Constanze Behrends. „Was ist mit Pommes?“ „Genial, besonders wenn er Fan von Rot-Weiß Essen ist“, meint Schauspieler Marcel Schäfer. Nee, das ist schon von Frank Goosen besetzt“, entgegnet Hausherr Markus-Beutner Schirp. „Rot-Weiß? Wie wär’s mit Schranke?“, beweist die Berlinerin Behrends Fremddialektkenntnisse. „Genial!“ – Und schon ist ein neuer Rollenname für die erste Bühnen-Soap der Stadt geboren, die gerade im Theater Freudenhaus entsteht.
Vor gut zehn Jahren war es, als Constanze Behrends die Berliner Szene aufwirbelte in einem Stadtteil, der bis dahin eher zu den wenig wahrgenommenen der pulsierenden Metropole gehörte: in Wedding. Dort gründete die heute 32-Jährige nicht nur ein eigenes Theater, sondern verpasste diesem ein völlig neues Konzept: Angelehnt an Dauerfernsehsendungen wie „Unter uns“, „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, gewürzt mit typischem Sitcom-Humor à la „How I Met Your Mother“, konzipierte sie eine Seifenoper für die Bühne. Wichtig dabei war der Lokalkolorit: Die Berliner sollten sich und die „Typen“ ihrer Stadt wiedererkennen. Die erste Folge von „Gutes Wedding, schlechtes Wedding“ schlug ein, schnell wurde die Idee Kult. Alle sechs Wochen gibt es seitdem eine neue Episode, 85 sind bisher über die Bühne gegangen, sogar an einer Adaption fürs Fernsehen wird gearbeitet.
"Gutes Essen, schlechtes Essen"
Auf der Suche nach frischem Wind für sein Haus stieß der Halbberliner und „Theater-Freudenhaus“-Intendant auf eben dieses Phänomen. „Warum soll das Phänomen nicht auch aufs Ruhrgebiet bezogen funktionieren?“, fragte er – und da er keine Antwort wusste, kontaktierte er seine Berliner Kollegin mit der Idee für „Gutes Essen, schlechtes Essen“.
Mit Erfolg: Am Wochenende reiste sie nach Essen, um das neue Ensemble zu beschnuppern, dem sie nun eigene- ruhrgebietseske Episoden auf die Leiber schreiben will – und dies, obwohl sie vorher noch nie im Pott war. Dies sei jedoch kein Problem, ist Markus Beutner-Schirp überzeugt. „Constanze hat einen speziellen Humor, den sie in die Episoden einbringt – deswegen wollte ich unbedingt sie an Bord haben“, sagt er.
Auch als Regisseurin, denn ihre Arbeitsweise ermögliche den Darstellern, Impulse in die Inszenierung einzubringen – und die stammen alle Vier aus der Umgebung.
"Essen ist genauso unterschätzt wie Wedding"
Und so ist das neue Team beim ersten Kennenlernen fleißig dabei, herauszufinden, bei welchen Berliner Eigenschaften und -arten Essener Entsprechungen zu finden sind. Eine Gemeinsamkeit hat Constanze Behrends bereits entdeckt: „Essen ist genauso unterschätzt wie Wedding“, findet sie. „Ich hätte nie gedacht, dass es hier so schön ist.“
Doch die Suche geht weiter: „Gib es hier Ossis?“, fragt Behrends etwa – was sie darf, schließlich stammt sie selbst aus Sachsen-Anhalt. Aber typisch sind Bewohner aus den neuen Bundesländern nun nicht fürs Ruhrgebiet, muss Mitspielerin Johanna Wagner enttäuschen. Beim Thema Dorffeindschaften, die im Berliner Umland offenbar Thema sind, gibt es mit gepflegten Fußballfehden schon eher Schnittmengen
Zwar lebe die Serie auch davon, Klischees aufs Korn zu nehmen, aber nie zu bösartig, so Behrends: „Es wird nie nach unten getreten, die Underdogs sind zum Schluss immer die Gewinner.“ Und das ist auf jeden Fall ein Klischee, das im Ruhrgebiet Gefallen finden dürfte.