Essen. Für die Schausteller bietet das Thurmfeld nördlich der Essener Universität die letzte Chance, Platz für Kirmes und Kultur zu schaffen. Doch Planer, Wirtschaftsförderer und die Hochschule winken ab: Viel zu schade dafür, sagen sie. In Essen ist eine Diskussion darüber entbrannt, wem man das Areal überlassen soll - Schaustellern oder Studenten.

Soll doch noch einer sagen, das ginge nicht zusammen – hier die Fahrgeschäfte und dort der Elfenbeinturm: „Wir laden die Uni gerne zur Kirmes ein, vielleicht können Sie auf dem Karussell ja die Fliehkraft vermitteln.“ – Ja, da hatte Albert Ritter die Lacher an diesem Abend allesamt auf seiner Seite.

Ansonsten aber, das muss auch dem Präsidenten des Deutschen Schaustellerbundes bei der jüngsten Diskussion ums Thurmfeld klar geworden sein, geht es vielen dort nicht ums Sowohl-als -auch, um das auskömmliche Nebeneinander von Hochschule und Halligalli, sondern ums Entweder-oder. Und die Mehrzahl scheint der Uni zuzuneigen. Typische Spaßbremsen?

Seit Dezember liegt ein Ratsantrag vor, für das insgesamt rund 100.000 Quadratmeter große Areal zwischen Bottroper, Grillo- und Gladbecker Straße auch eine Nutzung als „Platz der Kulturen“ zu prüfen – für Zirkusveranstaltungen und Volksfeste, Kirmessen und als Busparkplatz, Letzteres vor allem zur Weihnachtszeit.

Der Stadt schwebt "höherwertige" Nutzung vor

Der Politik, so verriet Planungsdezernent Hans-Jürgen Best jetzt vor dem Arbeitskreis „Essen 2030“, wird die Stadt demnächst eher Skepsis signalisieren: Theoretisch machbar, aber... Das Aber betrifft zum einen den Standort: Kirmes-Rummel auf der prominent gelegenen Südspitze des Grundstücks gilt als verkehrlich nicht akzeptabel: zu viel Ablenkung durch bunte Lichter für den rauschenden Verkehr von 40.000 Autos auf den beiden ankommenden Straßen.

Im Ostteil des Geländes liegen drei Studentenwohnheime, da sind Konflikte programmiert, heißt es. Bliebe das Herz des weitläufigen Areals, doch das müsste saniert werden, weil hier der hoch belastete Bodenaushub des Schwimmbad-Neubaus gelagert wird – ein teures Unterfangen, für das es vom Verband für Flächenrecycling und Altlastensanierung (AAV) nur dann das nötige Geld gibt, wenn eine „höherwertige“ Nutzung in Aussicht steht: Wohnen also oder Büronutzung. Im Herbst will der Altlasten-Verband eine Entscheidung fällen, ob er Geld locker macht, aber klar ist auch: Man muss sich vorher klar sein, was entstehen soll, davon hängt die Art der Sanierung ab – und auch die Kosten.

Die Uni verweist auf ihren Flächenverbrauch

Rainer Ambrosy appelliert, fast möchte man sagen: fleht, das Areal um Himmels willen nicht so einfach herzugeben: „Sämtliche Flächenreserven, die wir uns durch Anmietungen erst vor kurzem geschaffen haben, sind schon wieder aufgebraucht“, sagt der Kanzler der Universität Duisburg-Essen von gegenüber, „dabei wollten wir davon eigentlich fünf Jahre zehren“. Er könne nur dringend werben: „Verbauen sie uns unsere Zukunft nicht – auch wenn ich ihnen jetzt nicht die zehn Baumaßnahmen nennen kann, die sie gerne hören möchten.“

In der Tat ist der Plan, das Areal für die Uni freizuhalten, eine Wette auf die Zukunft. Ambrosy hält das Risiko für gering, weil er in die Vergangenheit schaut: Auch vor fünf Jahren gab es keinerlei Projektzusagen, doch gebaut wurde und wird wie verrückt – vom Hörsaalzentrum bis zur Sporthalle, dazu gibt’s Anmietungen im Dutzend billiger.

Essens oberster Wirtschaftsförderer Dietmar Düdden – selbst in Not wegen des eklatanten Mangels an Gewerbeflächen – hält sich denn auch mit Plänen für klassisches Gewerbe zurück, schwärmt lieber von einem „Technikum der Energiewende“ vor Ort, von der Vernetzung von Wirtschaft und Wissenschaft.

Nichts, wofür nicht auch Schausteller-Chef Ritter Verständnis hätte. „Wir wollen auch nicht mit Gewalt aufs Thurmfeld“, sagt er, einerseits. Andererseits scheint dies für ihn und seine Branche „die letzte Chance, eine Freifläche zu bekommen“, innenstadtnah.

Braucht Essen überhaupt eine große Kirmes?

Immer schon seien die Kirmesbetreiber Opfer der Planung geworden, „ich sitze hier nicht freiwillig, sondern als Planungsverdrängter, dem geholfen werden muss; dafür möchte ich werben“, so Ritter. Die Kirmes in die City zu bringen? Hat nicht hingehauen. Es fehlt die Tradition und vielerorts längst auch buchstäblich an der geeigneten Grundlage. Denn Tiefgaragen, Kaufhaus-Untergeschosse und alte Löschwasserzisternen unter den innerstädtischen Plätzen schließen den Aufbau moderner (also dynamischer) Fahrgeschäfte aus.

Die Frage, ob Essen überhaupt eine große Kirmes braucht, ob man nicht vielleicht zugunsten von Sterkrade oder Crange verzichten kann, findet Ritter unfair: „Überall gibt’s Theater und Philharmonie - warum bei den Schaustellern anfangen, die nicht subventioniert sind?“

Den alten Rummelplatz erwähnt an diesem Abend keiner. Ein Flop, er lag zu weit vom Schuss.

Heute dient er als Straßenstrich.