Essen. Der Künstler VA Wölfl bewegt sich zwischen Malerei, Fotografie und Choreografie. Zurzeit sind Arbeiten von ihm in der Ausstellung „Best of Ruhrgebiet“ in der Essener Galerie Frank Schlag & Cie. zu sehen.

Ortstermin bei VA Wölfl. Die Wohnung des Künstlers liegt im Parterre einer wuchtigen Villa hoch über dem Ruhrtal in Kettwig. Die Haustür öffnet ein Mann im blauen Anzug und mit feinem Oberlippenbärtchen. VA Wölfl stellt sich vor und entschuldigt sich erst einmal für den Zustand seiner Wohnung. Ein Wasserschaden hat zwei Räume unbewohnbar gemacht. Wölfl musste alles ausquartieren. Wir gehen ins unversehrte Wohnzimmer, das eigentlich aus einer Zimmerflucht besteht: immens hohe Räume, große Fensterfronten. Das macht Eindruck und zeugt von der einstigen Noblesse des Ortes.

Hier im Wohnbereich verschmelzen die Kunst und das Leben. Auf den Tischen stapeln sich malerische Arbeiten auf Papier, Plattencover, Bücher. Hinter einem alten Flügel stehen große Fotos mit zerschlagenem Deckglas und andere Dinge, bei denen offen ist, ob sie schon Kunst sind oder erst noch werden.

Ein Crossover-Leben

Vielleicht in einer von VA Wölfls Installationen. So stand beispielsweise im Zentrum seines süß duftenden Raumkunstwerks „Fontaine de Chocolat“, das er 2007 für den Kunstverein Ruhr am Kopstadtplatz realisierte, ein handelsüblicher Schokoladenbrunnen. Eine ähnliche Arbeit war noch Anfang des letzten Jahres in einer Soloschau im Marler Skulpturenmuseum „Glaskasten“ zu sehen.

Der Eindruck vom Crossover von Leben und Kunst ist der Schlüssel zum Selbstverständnis des Künstlers VA Wölfl. Ergo: Man kann ihn in keine Schublade stecken oder mit einem gängigen Etikett versehen. Maler, Fotograf, Performancekünstler, Theaterregisseur, Choreograf? Wölfl ist all das und alles mit der gleichen Intensität und dem gleichen Selbstverständnis.

Kontakt in die USA

Eine Standortsbestimmung wage ich trotzdem: „Könnte man Sie als Grenzgänger bezeichnen?“ Wölfl lacht. „Dazu müsste ich die Grenzen links und rechts wahrnehmen.“ Wölfl setzt sich keine Schranken, keine inhaltlichen und auch keine formalen.

Begonnen hat er als Maler. Studierte bei dem großen Oskar Kokoschka in Salzburg. Dann entdeckte er die Fotografie. Das Fach durfte er unter den Fittichen von Otto Steinert an der Folkwangschule erkunden. Seine Abschlussarbeit ist eine Reihe mit Fotografien aus den USA. Ich bekomme ein Foto mit dem jungen Joe Cocker in die Hand. „Das ist während des Konzerts in Woodstock entstanden“ erzählt Wölfl. „Damit kann ich heute klasse angeben“, setzt er kokett hinzu. Andere Porträts zeigen die Kunstprominenz der amerikanischen 60er Jahre: Andy Warhol, Allen Ginsberg. Den Kontakt in die USA hat VA Wölfl gehalten. Sein Galerist ist in New York zu Hause. Zurzeit läuft in der Galerie Reader eine Einzelausstellung mit seinen Arbeiten.

Wagnisse eingehen

„Alles unter künstlerischem Blick sehen“, dieser Prämisse folgt VA Wölfl auch bei seiner erfolgreichen Arbeit als künstlerischer Leiter der Company „Neuer Tanz“, die im Marstall von Schloss Benrath in Düsseldorf beheimatet ist. Seit Mitte der 80er Jahre ist er als Regisseur und Choreograf tätig. Sein Gespür für Gestaltung bringt er auch als Bühnenbildner oder als Designer von Einladungskarten ein. „Da gibt es für mich keinen Unterschied“, erklärt das Multitalent. Das Machen ist ihm wichtig, auch wenn das Unternehmen zum Wagnis wird.

Die Ideen frei umsetzen

„Mich langweilen Künstler, die sich immer wiederholen“, gesteht Wölfl. Über sich hinaus zu gehen, ohne Seil und doppelten Boden zu arbeiten, das ist sein Stil. Sein bevorzugtes Terrain sind deshalb Kunstvereine und Museen, wo er Ideen frei umsetzen kann. Für einen Liebling der Galerieszene ist er einfach zu sperrig.

Zum Schluss bleibt die Standortfrage: Warum lebt VA Wölfl in Essen? „Das liegt auf der Tangente London, Düsseldorf, München, Basel ziemlich in der Mitte“, erklärt er. Das lokalpatriotische Bekenntnis bleibt aus. Der Mann im blauen Anzug ist eben ein Freigeist und viel unterwegs.

VA Wölfl ist u.a. Preisträger des World-Wide-Video-Award (Den Haag, 1982). Er erhielt den 1. Deutschen Produzentenpreis für Choreografie (1995) und den Kritikerpreis 2006, ist Mitglied der Berliner Akademie der Künste. 2008 wurde VA Wölfl in der Kategorie „Beste Choreographie“ für den Deutschen Theaterpreis „Der Faust“ nominiert. Das Ensemble „Neuer Tanz“ zeigt am 3. und 4. März um 20 Uhr „Ich sah: Das Lamm auf dem Berg Zion, Offb.14,1“ nach einer Chor(e)ographie von VA Wölfl im Marstall, Schloss Benrath/Düsseldorf.