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Zwei Fotografen, zwei Generationen, zwei Arbeitsweisen zeigt das Museum Folkwang: Unter dem Titel „Dabeisein“ stehen sich die Reportagefotografie von Jürgen Heinemann und die weltentrückt-lebensnahen Jugendporträts von Tobias Zielony gegenüber.

Die Fotografie hat viel verändert und ist selber ständigen Veränderungen unterworfen. Mit „Dabeisein“ stellt das Museum Folkwang jetzt zwei fotografische Positionen gegenüber. Technische Entwicklung, thematische Konzentration, die wachsende Bedeutung der Bilder, aber auch der künstlerische Freiheits-Verlust der berichtenden Fotografie stehen im Fokus der angeregten Bilderdebatte.

Fast 40 Jahre liegen zwischen den fotografischen Anfängen von Jürgen Heinemann und Tobias Zielony. Während der Otto Steinert-Schüler Heinemann (Jahrgang 1937) seit den 1960er-Jahren im Auftrag der kirchlichen Hilfsorganisation Adveniat für seine engagierte Reportagefotografie nach Lateinamerika reiste, findet Tobias Zielony (Jahrgang 1973) seine Motive heute an den Peripherien der Stadt. Seine Serie Ha Neu über Jugendliche in einem sozialschwachen Stadtteil von Halle entstand 2003.

Zwei Fotografen, zwei Generationen, zwei Arbeitsweisen, Schwarz-Weiß und Farbe – und das gemeinsame Interesse an sozialen Themen, an Menschen und Schicksalen, die sich oft jenseits unserer Wahrnehmungsgrenze bewegen.

Menschenbilder, jenseits vom Promikult

Heinemann reist bis Anfang der 80er mehrfach nach Lateinamerika, später auch Afrika und Asien. Davon erzählen: eine Hochzeitsfeier in Peru, eine Kinderbeerdigung in Brasilien, die Ziegenhirtin in Obervolta.

Er fotografiert nicht nur, um die Öffentlichkeit in Europa für Hilfsprojekte zu interessieren. Er sucht immer auch das Alltagsmoment, das Universelle und Existenzielle in diesen von Armut und Kult, aber auch von Einfachheit und Erhabenheit geprägtem Leben.

Die Art von Reportagefotografie, wie Heinemann sie damals noch ohne Auflagendruck und enge Veröffentlichungs-Vorgaben praktizieren konnte, ist Vergangenheit. Wer sich heute einem Thema verschreibt, wer Menschenbilder macht, jenseits von Promikult und globaler Verwertbarkeit, der fotografiert wie Zielony und wendet sich an ein Museum- und Kunstbuch-Publikum. Zielonys wie beiläufig-inszenierte, ebenso weltentrückte wie lebensnahe Jugend-Porträts sind in einen einzigen Blick verdichtete Lebensgeschichten ohne echte Handlung. Eine Zustandsbeschreibung aus Licht, Isolation und Hoffnungslosigkeit. Generationen-Porträts, die Steinerts subjektive Fotografie ins 21. Jahrhundert hinüberretten.

Druckgrafische Experimente

Nicht nur in der Fotografie stand das Museum Folkwang mit dem wegweisenden Aufbau der fotografischen Sammlung 1978 als Kunstadresse von Ausnahmerang da. Schon die Künstler des Informel konnten sich Ende der 1950er auf das seit Karl-Heinz Osthaus legendäre Folkwang-Gespür für künstlerische Qualität und Modernität verlassen. Davon zeugt nun die Ausstellung „Formexperimenten. Druckgrafische Folgen des Informel“, die sich mit der Experimentierlust damaliger Kunstheroen von Hans Hartung bis Pierres Soulage, von Fritz Winter bis Alfred Manessier beschäftigt. Man darf es durchaus als Ausweis kluger Ankaufspolitik lesen, dass das Thema der seriellen Arbeit an druckgrafischen Blättern fast komplett anhand eigener Bestände bearbeitet werden kann. Einzig das Märkische Museum Witten hat eine Mappe bedeutender Holzschnittvariationen von Hann Trier beigesteuert, der sich schon mal mit einem Tennisschläger behalf, wenn das Druck-Material knapp wurde.