Essen-Ruhrhalbinsel. .
Der Bühnenplastiker Sebastian Ludwig ist stets auf der Suche nach kreativen Herausforderungen. Von der Kabakov-Insel im Baldeneysee bis hin zu integrierten Handschellen im Bett - für Ludwig ist nichts unmöglich.
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Sie kennen Sebastian Ludwig nicht? Aber sicherlich einen Teil seiner Arbeiten, haben im Vorbeifahren auf Plakatwänden einen Blick darauf geworfen, sie mit Füßen betreten. Herr Ludwig, genannt Sebo, ist Künstler, Bühnenplastiker, um es auf den Punkt zu sagen. Nun ist ihm nicht an kreativer Selbstverwirklichung gelegen, sondern es geht ihm um das Ausloten des Machbaren - aus handwerklicher Profession. „Wenn z.B. Schreiner oder Glasbauer sagen, ,das geht nicht‘, dann fange ich an zu denken - und mache es möglich.“
Die Wege hierher, sie sind oft ungewöhnlich, die Anfragen nicht minder. Nehmen wir die Kabakov-Insel, die derzeit vor dem Wehr in Werden dümpelt. Gemeinsam mit einem Team aus Handwerkern hat er die Haut, die über Stahlträger und Luftkissen gespannt ist, nach den Entwürfen des in New York lebenden Künstlers gestaltet. So lernen wir Sebastian Ludwig kennen, als er in einem Hafen am Baldeneysee Erde mit Polyester anmischt und den „Matsch“ auf die Insel schmiert. Da das Atoll begehbar sein muss, „darf der Untergrund nicht irgendwann abbröckeln“, erklärt er. Windräder hat er hiernach auf die Insel montiert, eine Hütte, eine Wasserpump-Anlage.
Dabei begeistern ihn nicht nur die Herausforderungen seiner Arbeit. „Man kommt bei so großen Projekten mit vielen Menschen zusammen, die unglaubliche Lebensgeschichten haben.“ Einer war darunter, der unter Christo den Reichstag verhüllte, einer, der seit Jahren in einem ausgebauten MAN-Truck lebt. „Aus solchen Begegnungen nimmt man sehr viel mit.“ Und nicht zuletzt entstünde ein Netzwerk unter den Freischaffenden.
„Wenn man auf einen Knopf drückt, springen automatisch Handschellen heraus“
Dies trug ihm nun den nächsten Auftrag ein, die Arbeit an Figuren für einen Horrorfilm. „Zur Zeit arbeite ich an den Special Effects und den Aufbauten für den Film, der demnächst in der Nähe von Essen gedreht werden soll.“ Körperteile formt er ab, bildet sie nach, damit sie möglichst realistisch aussehen, wenn sie filmreif mit der Kettensäge zerlegt werden. Der Produzent des Streifens, der in der Underground-Spaßecke zu verorten sei, produzierte zuvor in den USA und Kanada den Film „Slasher“.
Dass Ludwig, der auf der Ruhrhalbinsel lebt, nun dabei mitarbeiten dürfe, sei ein Glücksfall. Noch ein bisschen bekannter wird hierdurch seine Manufaktur für Bühnenplastik. Dem Ruf nicht abträglich sei aber auch die RWE-Reklame, die derzeit überall plakatiert ist. „Das Bild von dem Mann mit den elektrisierten Haaren wirkt auf den ersten Blick wie eine Computer-Animation.“ Tatsächlich jedoch ist es ein Modell, das Ludwig konstruiert hat.
Und damit ist die Bandbreite der Arbeiten des 33-Jährigen noch nicht einmal zur Hälfte abgebildet. Ein Bett, eine Einzelanfertigung, baute er, dessen Kopfteil das Bild einer Schlachtenszene aus dem Mittelalter ziert, „wenn man auf einen Knopf drückt, springen automatisch Handschellen heraus.“ Dann baute er den aufwändigen Eingangsbereich für eine Arztpraxis. Die Herren, die das Plexiglas um eine Rundung legen sollten, die Schreiner, sie waren nach dem Urteil „nicht machbar“ abgezogen - was wiederum den Essener auf den Plan rief: „Wir haben es gebaut und dafür sogar einen Designpreis bekommen.“
Tretboot ist die nächste Herausforderung
So macht der Name die Runde, hat Ludwig zwischenzeitlich seine Bochumer Werkstatt erweitert und arbeitet nun mit einem Metallbauer Hand in Hand, „wir haben“, sagt er, „zur Zeit doppelt so viele Anfragen und Aufträge, wie wir bewältigen können.“ Was dem Freiberufler wiederum ein wenig Sicherheit beschert. Denn die Zeit, in der sich der zweifache Vater Gedanken machen musste, woher der nächste Auftrag kommt, sie sind zunächst einmal vorbei. Doch trotz aller Unsicherheiten, langer Durststrecken, „so eine Festanstellung wäre nichts für mich. Ich brauche Herausforderungen, abwechslungsreiche Projekte, denn das macht ja grade den Reiz des Berufes aus. Der Umgang mit verschiedenen Materialien, die unterschiedlichen Herangehensweisen, die Menschen, mit denen man zusammen arbeitet.“ Selbst sein Werkzeug baut sich Ludwig selbst, wenn er mit dem herkömmlichen an Grenzen stößt.
Und wenn nun die Trickfilm-Beine „gebastelt“ sind, es an der Kabakov-Insel nichts mehr nachzujustieren und warten gibt, dann hat er auch schon das nächste Modell in der Tasche. Eine Computer-Animation in 3D zeigt die nächste Herausfoderung. Ein Tretboot. Und was immer sie sich für Aufbauten für ein Tretboot vorstellen können - der Wunsch des Kunden dürfte ausgefallener sein. Der nämlich wünscht sich einen Stealth Fighter, einen Tarnkappenbomber, der unter dem Radar durchfliegt, oder das Wasser eines Sees durchpflügt, so schnell die Beine eben trampeln. Wo sonst Bomben aus dem Flugzeug fallen, wünscht König Kunde sich ein Reservoir für Weinflaschen. Wenn das keine Herausforderung ist, oder, wie Sebo sagen würde: „Ein Riesenspaß.“