Essen. Am 1. Dezember ist Johannes Bultmann, Intendant der Essener Philharmonie, ein Jahr im Amt. Im Interview spricht er über Kultur in Zeiten von Sparplänen, höhere Eintrittspreise und über den neuen Kulturdezernenten der Stadt Essen.
Wo steht die Philharmonie nach einem Jahr Bultmann? Halten Sie das Budget ein – und die Besucher dem Haus die Treue?
Johannes Bultmann: Es geht uns derzeit gut. Vor allem in den letzten zweieinhalb Monaten haben wir auch schöne Verkaufszahlen. Schon jetzt haben wir 60 Prozent der angesetzten Tickets verkauft, was die anderen 40 Prozent betrifft, dafür haben wir noch sieben Monate. Ich kann sagen: Die Maßnahmen zur Stabilisierung greifen. Und was das Budget angeht, so liegen wir im Moment mit allen Kosten im Plan. Mit Glück können wir am Ende sagen, wir gehen nicht über das Budget hinaus. Trotz weniger Veranstaltungen haben wir fast die gleiche Besucherzahl, wie zur gleichen Zeit in den Vorjahren.
Wie hoch ist der Philharmonie-Etat?
Bultmann: Wir bekommen von der Stadt 2,5 Millionen Euro, das sind zehn Prozent weniger als in der Saison davor. Mehr als die Hälfte geht direkt in die Kunst. Dazu kommen Sponsoren- und Fördergelder von knapp 900 000 Euro pro Spielzeit.
Was halten Sie von einer Erhöhung der Eintrittspreise, wie sie der neue Stadtkämmerer angeregt hat?
Bultmann: Die Preise machen ja nicht die Intendanten, sondern der Aufsichtsrat. Wenn Essen da allein vorpreschte, gingen viele nach Dortmund oder Düsseldorf. Ein Vorstoß von einer Kommune allein führt da meines Erachtens in eine Sackgasse. Wir erreichen mehr Menschen, wenn wir nicht teurer werden. Man kann nicht Preise gegen den Markt machen, aber man muss sachlich darüber reden können.
Der politische Wind scheint sich zurzeit zu drehen. Offensichtlich will ein neuer Rat vor allem dort kürzen, wo die höchsten Ausgaben liegen, das sind Oper, Schauspiel und Philharmonie. Ist das nicht ein Tod auf Raten?
Bultmann: Natürlich muss jeder sparen, aber das haben wir gerade in der TuP wieder getan. Die Kunst direkt sollte aber nie zur Disposition gestellt werden. Und schließlich betreiben wir als große städtische Häuser ja mit unseren Kinder- und Jugendangeboten nicht nur Bildungsarbeit sondern zugleich Sozialarbeit, und das auf hohem Niveau. Ich behaupte, eine Stadt, die nicht auf Kultur setzt, hat keine Zukunft. In der NRW-Landesregierung hat Jürgen Rüttgers das offensichtlich erkannt. Gerade bei der Kulturförderung sagt der nicht, man muss es irgendwie tun, sondern: Ich will. Das unterscheidet ihn von so manchen anderen Politikern.
Was erwarten Sie da vom neuen Kulturdezernenten?
Bultmann: Den genannten Kandidaten kenne ich persönlich nicht. Aber ich hoffe, dass er seine Aufgabe gegenüber allen Kulturinstitutionen dieser Stadt wahrnimmt und versucht, vor allem auch die Häuser angemessen zu erhalten, die den kulturellen Ruf der Stadt auch jenseits der Grenzen begründen. Der Titel Kulturhauptstadt wurde für 2010 errungen. Was nützte der, wenn ab 2011 alles den Bach runter geht.
Sie gaben ein Stichwort: Bildungsarbeit in der Philharmonie. „ReSonanz und AkzepTanz” ist nun außen vor. Was erwarten wir künftig in dieser Richtung?
Bultmann: Wir stellen die Nachwuchsförderung, den soziokulturellen Aspekt, wenn Sie so wollen, auf fünf Säulen: Die Peter-Ustinov-Stiftung ermöglicht uns die Einrichtung einer neuen Education-Stelle, damit betreuen wir unter anderem pro Saison zwei Produktionen für Schüler vor allem auch mit Migrationshintergrund, die hier aufgeführt werden. Dann entsteht gerade eine Kooperation mit der Folkwang-Hochschule. Jedes Eigenkonzert der Philharmonie soll künftig in ausgewählten Schulen vorbereitet werden. Dann gibt es Seminare für Studenten aller Fachrichtungen der Uni Duisburg-Essen mit musikalisch-kulturellem Inhalt. Für Erwachsene wird die Reihe „Kunst des Hörens” ausgeweitet, spezielle Einführungen, zum Teil mit internationalen Solisten. Und schließlich ist mit Folkwang-Dozentin Lesley Olson eine Reihe für Neue Musik mit Schulklassen etabliert. Also alles tolle Projekte auf der neuen Kulturachse zwischen Museum, Philharmonie und Oper.