Essen. Der Vorstoß des neuen Essener Kämmerers, Lars Martin Klieve, angesichts der hohen Defizite im städtischen Haushalt die Eintrittspreise für Philharmonie, Oper, Theater und Ballett deutlich zu erhöhen, hat in der Stadt eine breite Debatte ausgelöst.

Dabei erntet Klieve zwar scharfe Gegenstimmen aus der Kulturszene, findet aber trotz seines unpopulären Vorschlags durchaus Unterstützung aus der Wirtschaft und der Politik. Vielen führenden Repräsentanten der Stadt ist offensichtlich die Finanzmisere Essens mit einem Schuldenberg von 3 Milliarden Euro sehr bewusst.

So halten sowohl SPD-Fraktionschef Thomas Fresen als auch CDU-Fraktionschef Thomas Kufen eine Prüfung der Ticketpreise für sinnvoll. „Die Eintrittspreise dürfen kein Tabu sein, darüber muss man diskutieren”, meint Fresen. Dabei seien allerdings soziale Aspekte zu berücksichtigen. Kufen meint: „Man muss sich das Ganze im Einzelfall anschauen.” Einen konkreten Vorschlag des Kämmerers werde man genau prüfen.

Auf Ablehnung stößt Klieve bei der städtischen Gesellschaft „Theater und Philharmonie” (TuP). „Die TuP war schneller als der Kämmerer und hat bereits zu Beginn der Spielzeit die Preise spürbar erhöht. Eine erneute Anhebung ist nicht vermittelbar”, meint Aalto-Sprecher Reinhard Beuth im Namen der TuP.

Der Vorschlag des neuen Essener Finanzchefs ist eben sehr konkret und deutlich - und deshalb angreifbar. Gleichwohl zeigen erstaunlich viele Menschen in Essen auch Verständnis für die Idee, mehr Geld für hochwertige Kulturveranstaltungen in der Oper, Philharmonie und im Theater zu verlangen. So schreibt etwa unsere Leserin Julia Schlusen: „Der Benzinpreis liegt bei fast 1,40 Euro - und trotzdem fahren die Leute mit ihrem Auto. Entweder geht man gerne ins Theater oder nicht - und wenn ja, wird der Liebhaber auch die Eintrittspreise nicht scheuen.”

Auch vom früheren Kulturdezernenten, Oliver Scheytt, dem heutigen Geschäftsführer der Ruhr2010-GmbH, gibt es keine schroffe Ablehnung. Er gibt aber zu bedenken: „Es sollte immer die soziale Verträglichkeit gewahrt bleiben, indem beispielsweise die unterste Preisklasse auf ihrem niedrigen Niveau bleibt. Nur so können wir den Anspruch einlösen, eine Kulturhauptstadt für alle Menschen zu sein.“ Ebenso sagt SPD-Fraktionschef Thomas Fresen: „Durch eine Veränderung der Ticketpreise dürfen Bevölkerungsgruppen nicht davon abgehalten werden, Kulturveranstaltungen zu besuchen.”

Dass die Stadt-Politiker bei einem prognostizierten 400 Millionen Euro Defizit für 2010 handeln müssen, scheint allen Beteiligten klar zu sein.

So sieht denn auch Gerald Püchel, Hauptgeschäftsführer der IHK Essen, bei den Entgelten für Leistungen der Stadt und ihrer Gesellschaften insgesamt Handlungsbedarf. „Man muss über alles nachdenken, aber dann nicht nur über die Eintrittspreise zu den Spielstätten der Theater und Philharmonie GmbH, sondern auch über alle anderen öffentlichen Dienstleistungen”, so Püchel.

Ins gleiche Horn bläst auch Udo Bayer, Fraktionschef des Essener Bürgerbündnisses. „Die notwendigen Sparbemühungen müssen auch die Einnahmen im Blick behalten. Es darf keine Tabuzonen mehr geben. Die Eintrittspreise können angehoben werden - Maßstab sollten dabei Ticketpreise kommerzieller Anbieter sein.” Allerdings sollten Kartenpreise weiterhin sozial gestaffelt sein, meint Bayer.

Auch der jüngste Ratsherr der Stadt, der FDP-Politiker Andreas Hellmann, stellt sich hinter die Forderung nach einer Preiserhöhung. „Die Haushaltslage der Stadt Essen ist so desolat, dass jede Möglichkeit zu einer Verbesserung genutzt werden muss. Die Qualität der städtischen Kultur muss sich nicht vor der privater Anbieter verstecken.”

Aalto-Theater-Intendant und Generalmusikdirektor Stefan Soltesz findet die Debatte dagegen schrecklich. „Ich finde ganz furchtbar, wie in dieser Diskussion völlig unterschiedliche Kategorien vermischt werden: Schwimmbäder, kommerzielle Musicaltheater und das Aalto-Theater als ein Betrieb, der einen Kulturauftrag erfüllt. Dieser Kulturauftrag ist doch einer der Grundwerte dieses Staates und Begründung für subventioniertes Theater. Nur dadurch wird die hohe künstlerische Qualität für jedermann erschwinglich.” Alle TuP-Sparten versuchten „mit einigem Erfolg ein abwechslungsreiches Programm zu bieten.” Das breite Kinder- und Jugendprogramm etwa generiere keine Einnahmen, sei also voll auf Subvention angewiesen.

Zudem hält die TuP-Geschäftsführung eine erneute Preiserhöhung für gefährlich. „Jede Anhebung ist ein wirtschaftliches Risiko: Wenn durch Preiserhöhungen die Zahl verkaufter Karten sinkt, können trotz höherer Preise die Einnahmen sinken”, sagt Aalto-Sprecher Reinhard Beuth für die TuP. Zudem erfülle die TuP unter großer Anstrengung die Sparauflagen seitens der Stadt und halte sich an die Etatdeckelung. „Daher ist eine Diskussion über Preiserhöhungen unverständlich.”