Essen. Vor zwei Jahren musste Starchirurg Christoph Broelsch sein Skalpell am Essener Uniklinikum aus der Hand legen. Seitdem schwebt über dem "Leber-Papst" der Verdacht, illegal Geld von todkranken Patienten kassiert zu haben. Am Montag traf er auf seine Richter und griff den Ankläger scharf an.
Er lässt sich nichts anmerken. Als säße er in einem Vorlesungssaal lauscht Broelsch der Anklageschrift, die Staatsanwalt Hans-Joachim Koch vorliest. Interessiert hört er zu, wie der Ankläger ihm Bestechlichkeit, Betrug im besonders schweren Fall und Nötigung vorwirft. Manchmal macht er sich Notizen oder grüßt in den vollbesetzten Zuhörersaal, wenn er ein bekanntes Gesicht sieht.
Es ist der Monat, in dem Christoph Broelsch eigentlich mit viel lobenden Worten in Pension gegangen wäre. 65 Jahre alt ist er am 14. September geworden. Doch tatsächlich ist der Ruf des Starchirurgen stark angekratzt. Im Frühjahr 2007 waren von Patienten oder deren Angehörige Vorwürfe laut geworden, er lasse sich von Kassenpatienten zusätzlich und rechtswidrig bezahlen, wenn er sie persönlich operiere. Unter Druck setze er sie, so dass sie bis zu 22 000 Euro für seine Behandlung zahlten. Er selbst hatte das zurückgewiesen, sich als eine Art Samariter bezeichnet, der auch den kleinen Leute helfe.
Mit scharfen Worten in Richtung Staatsanwaltschaft behält er diesen Kurs bei. Nie habe er, der international hoch angesehene Chirurg, die Notlage eines Patienten ausgenutzt, betont der Pfarrersohn in einer persönlichen Erklärung vor Gericht. Er nennt die Vorwürfe der Anklage "eine Zumutung", die ihn persönlich diskreditiere. In seinen neun Jahren an der Uniklinik in Essen habe er 5000 Patienten behandelt, sei dabei bis an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit gegangen. Nie sei auch nur ein Kassenpatient abgewiesen worden.
Dass er die Patienten, die mit ihm eine Operation besprechen wollten, um Spenden bat, räumt Broelsch ein. Es sei nämlich seine Aufgabe als Landesprofessor gewesen, Spendenmittel einzuwerben. Dies sei aber lediglich eine Bitte gewesen, von ihm aber keinesfalls mit einer bevorzugten Behandlung verbunden worden. Möglicherweise habe er kleinere Fehler gemacht, meinte er und sagte dabei sinngemäß, er sei schließlich Chirurg und kein Buchhalter.
In diesem Sinne hatte er auch schon im Vorfeld des Prozesses seine Unschuld betont. Es nutzte ihm nichts. Ende 2007 suspendierte das Essener Universitätsklinikum seinen Chefarzt, den Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie; ein Jahr später legte die Staatsanwaltschaft ihre Anklage vor: Seit 2002 habe Broelsch von seinen Kassenpatienten rund 220 000 Euro an "Spenden" eingeworben.
An den Fotografen vorbei
Am Montag kommt die XXI. Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht Essen schnell voran. Rainer Hamm, Verteidiger von Broelsch, hatte kurz vor Prozessbeginn noch anfragen lassen, wie er seinen Mandanten an Fotografen und Kameraleuten vorbei in den Saal bekomme. So sitzt er schon drinnen, als draußen noch Unterstützer und Kritiker seiner Arbeit bereitwillig Interviews geben. "Korrekt", antwortet Broelsch später im Saal, als Richter Wolfgang Schmidt die Personalien des Angeklagten abfragt. "Der Beruf? Chirurg oder Hochschulprofessor?" "Beides."
Laut Anklage Todesangst ausgenutzt
Es hört sich für einen solch ehrenwerten Mann nicht schön an, was Staatsanwalt Koch danach vorliest. Zu Beginn seiner Anklage stellt Koch fest, dass es zu den Aufgaben des Angeklagten gehörte, "in erster Linie" Kassenpatienten zu behandeln. Wünschten diese die Chefarztbehandlung, mussten sie zwar mehr zahlen, dieses Geld hätte Broelsch aber zum Teil an das Klinikum abführen müssen. Er wirft ihm vor, Kassenpatienten, die ihm rechtswidrig Geld gaben, schneller behandelt zu haben als andere. Und dass er lebensgefährlich erkrankte Patienten mit dem Hinweis auf eine Spende unter Druck gesetzt habe, dass er ihre Todesangst ausgenutzt habe.
Kassiert, aber nicht operiert
Schließlich nennt er noch die Fälle, in denen Broelsch gegen zusätzliches Honorar versprochen habe, selbst zu operieren. Dies habe er aber einem anderen Arzt übertragen, weil er selbst während der Operation gar nicht in Essen war. In einer zweiten Anklage, die am Montag verlesen werden soll, wirft Koch Broelsch vor, Einnahmen nicht ordnungsgemäß versteuert zu haben. Außerdem ermittelt Koch noch, ob der ehemalige Chefarzt gegen das Transplantationsgesetz verstoßen hat. Diese Ermittlungen sind aber noch nicht abgeschlossen. Am Freitag wird der Prozess fortgesetzt.
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