Essen. Am zweiten Tag im Prozess gegen den Essener Starchirurgen Christoph Broelsch sind dessen Spendensammel-Methoden in den Mittelpunkt gerückt. Broelsch räumte ein, Gelder nicht immer versteuert zu haben. Zudem war er, trotz zugesicherter Chefarzt-Behandlung, bei manchen OPs nur kurz anwesend.
Zumutung, Karl-May-Geschichten, tendenziöse Ermittlungen: Zum Prozessauftakt hatten der Essener Starchirurg Christoph Broelsch und seine Verteidigung mit Kritik an der Polizei nicht gespart. Am Freitag wehrte sich Ralf Steffen, Leiter der „EK Klinik”, dagegen: „Wir konnten das nicht glauben und wurden bei den Ermittlungen überrollt. Es ging immer nur ums Geld. Unglaublich.” Tatsächlich ergibt sich am zweiten Prozesstag vor dem Landgericht Essen das Bild eines Mediziners, für den Geld im Patientengespräch keine Nebenrolle spielte. Am Uniklinikum vorbei kassierte er Geld von Kassenpatienten.
Zwei Gruppen sind unter den Zeugen auszumachen. Einmal die, die nach dem Eingriff in Essen überlebt haben. Auch sie mussten zahlen, betonen aber, dass „der Herr Professor” eher nebenbei nach „Spenden” gefragt und sie nicht unter Druck gesetzt habe.
Spende um sieben Uhr abgegeben
Anders reden die, die einen Angehörigen verloren haben. Morgens um sieben Uhr habe sie 7500 Euro bei der Sekretärin von Broelsch abgeben müssen, sagt eine 42-Jährige aus dem Kreis Warendorf. Ein 75-Jähriger aus Koblenz betont, dass Broelsch die Operation seiner Frau vom Geld abhängig gemacht habe. Von einer Spende für die Forschung sei keine Rede gewesen: „Es sollte für seine Mitarbeiter sein.”
Aber alle Zeugen des ersten Prozesstages sagen, sie hätten bereits bei der Patientenaufnahme die Chefarztbehandlung angekreuzt. Broelsch habe ihnen dann beim ersten Kontakt angeboten, dass dies gegen eine Barspende an ihn rückgängig gemacht werden könne. 150 bis 210 Euro kassierte der Chefarzt schon für das Gespräch von den Kassenpatienten.
"Minimal-Geld" nicht versteuert
Er räumt ein, dass er es nicht immer versteuert habe: „Die Abrechnung wurde von mir sehr lax vorgenommen und das Geld nicht erfasst. Es war Minimal-Geld.” Bei der Durchsuchung im Büro seiner Mitarbeiterin hatte die Polizei rund 30 000 Euro in Umschlägen und in einer Stofftasche gefunden.
Nicht einmal die erbetene Spende garantiert, dass bei einer Operation wirklich der Chefarzt das Skalpell führt. Christoph Broelsch machte deutlich, dass er es schon als seine Operation ansehe, wenn er „die wesentlichen Teile des Eingriffs” vornähme: „Mein physischer, intellektueller, praktischer Input ist also gegeben.” Anlass dazu gaben OP-Protokolle, bei denen sein Name nachträglich eingefügt wirkt oder gar nicht aufgelistet ist. Und dies bei Patienten, die im Schnitt 7500 Euro „Spenden” zahlten, damit der Professor sie operiere. Von dieser Verknüpfung, die Broelsch bestreitet, gingen sie zumindest aus.
Mehrere Operationen zeitgleich
Broelsch erklärte auf Fragen des Gerichtes, es sei nicht nötig, dass er zu Beginn und Ende eines Eingriffs selbst schneide: „Ich komme später hinzu und gehe auch wieder eher.” Es gehöre zu seinem Berufsalltag, dass er durch die Säle „hüpfe”, zeitgleich an mehreren Operationen teilnehme und manchmal nur zusehe. Was genau er denn mache, fragt Richter Wolfgang Schmidt. „Ich mache die entscheidenden Dinge, die zum Erfolg führen.”
Offenbar gibt es auch unterschiedliche Protokolle zu ein und derselben Operation, die mal seine Anwesenheit bestätigen und mal nur die des Oberarztes. Das hänge damit zusammen, dass der Oberarzt sie als eigene OP bei einer Bewerbung angeben müsse. Staatsanwalt Bolik zeigt sich verwundert: „Das fördert nur neue Fragen, die gestellt werden.” Broelsch: „Das sind doch nicht meine Fragen.”
Geld für Reisen?
Fragen gibt es eher, wie die OP-Spenden verwendet wurden. Ralf Steffen von der Essener Kripo erinnert daran, dass die Patienten unterschreiben mussten, mit der Spende seien auch Aufwendungen rund um Forschungsreisen abgegolten. Das würde dann auch teure Hotels und Essen beinhalten. Doch dazu gibt es keine weiteren Erklärungen.
Unüblich in diesem Prozess ist die Reihenfolge bei der Zeugenvernehmung, die Richter Schmidt diesmal wählt. Erst wird der Zeuge vernommen und entlassen. Erst dann äußert sich der Angeklagte. So sagt er erst nach der Aussage eines 75-Jährigen, dass dessen Angaben nicht stimmen. Dem Zeugen kann man das nicht mehr vorhalten. Schade. Der hatte gesagt, der Professor habe das Geld „bar und in kleinen Scheinen” verlangt.