Fast zwei Jahre nach der Suspendierung von Prof. Christoph Broelsch, dem Top-Transplantationschirurgen, werden die Vorwürfe gegen ihn vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichtes verhandelt werden. Unabhängig von der rechtlichen Bewertung sehen sich Patienten als die Opfer des Verfahrens.
Ihre bittere Klage: Menschen sterben nicht nur inEssen, weil kein Mediziner mehr das von Broelsch wesentlich mit entwickelte Verfahren der Leber-Lebendspende anwenden kann - oder will.
„Aus Betroffenensicht ist eine Folge der Suspendierung gewesen, dass sämtliche der vormals in Essen befindlichen Experten auf dem chirurgischen Gebiet der Lebend-Lebertransplantation in andere Zentren im In- und Ausland abgewandert sind. Dies hat zur Folge dass sowohl das Gebiet der Lebend-Leberspende in Essen als auch in ganz NRW zum Erliegen gekommen ist”, sagt Ulrich Coppel, Sprecher eines Netzwerkes von Leberpatienten. Er beklagt eine tief greifende Verunsicherung unter den Transplantationsmedizinern angesichts der Ermittlungen gegen Broelsch und des Scheitern eines Gesetzentwurfes zur Erweiterung des Spenderkreises für Lebertransplantationen letzte Woche im Bundestag: „Auch ist es so, dass mir von vielen Ärzten aus anderen Häusern bekannt ist, dass sie Lebend-Lebertransplantationen deshalb nicht mehr oder sehr viel seltener durchführen, weil sie im Falle möglicher Probleme um ihre politische Rückendeckung fürchten.”
Die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichtes hat gestern im Detail erläutert, warum sie wesentliche Vorwürfe gegen den Chirurgen anders bewertet als die Staatsanwaltschaft. Sie hatte unter anderem acht Fälle, die Staatsanwalt Koch als räuberische Erpressung angeklagt hatte: Broelsch soll von lebensgefährlich erkrankten Patienten eine Spende verlangt haben; sonst könne sich die Behandlung verzögern. Die Strafkammer wertet dies nicht als Erpressung. Aber sie weist darauf hin, dass „eine Verurteilung wegen Nötigung in Betracht komme”.
Prof. Rainer Hamm und Jürgen Pauly, die Strafverteidiger des Chirurgen, werten das Abrücken vom Erpressungsvorwurf ganz anders: „Dies steht in seiner rechtlichen Wirkung einem Freispruch gleich.” Ihr Mandant, so die Verteidiger „sieht der bevorstehenden Hauptverhandlung mit Zuversicht entgegen. Sie wird Gelegenheit bieten, die realitätsfernen Vorstellungen der Staatsanwaltschaft ... im Detail zu widerlegen.”
22 Tatvorwürfe aus der zweiten Anklage der Staatsanwaltschaft, die im März erhoben wurde, hat die Strafkammer ausdrücklich zur Hauptverhandlung zugelassen. Es geht um den Vorwurf, Broelsch habe sich vertragliche verpflichtet, Privatpatienten persönlich zu behandeln, stattdessen aber einen seiner Ärzte operieren lassen. Trotzdem habe er sein Honorar verlangt und erhalten. Die Staatsanwaltschaft wertet das als Betrug in einem besonders schweren Fall.
Abstriche macht die Strafkammer auch bei den Vorwürfen, Broelsch habe das Uni-Klinikum um dessen Anteil an den gezahlten Spenden in einer Gesamthöhe von 219 000 Euro geprellt. Hier hat die Kammer nur zwei von elf angeklagten Fällen zur Hauptverhandlung zugelassen.
Link zum Patienten-Netzwerk: http://www.ulrich-coppel.de
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