Essen. Grüne Hauptstadt Europas: Essens Umweltdezernentin Simone Raskob sieht gute Chancen für Essen, den Zuschlag für 2017 zu bekommen. Nach Orkan Ela neue Schwerpunkte in der Bewerbung.

„And the winner is...“ – tja, und dann verkündet der scheidende EU-Umweltkommissar Janez Potocnik aus Slowenien am 24. Juni in Kopenhagen sichtlich erfreut: „Ljubljana“ – die Hauptstadt seines wunderschönen Heimatlandes darf sich nun als „Grüne Hauptstadt Europas 2016“ präsentieren. Zufälle gibt’s im Leben. Das dürfte sich diesmal sicher nicht wiederholen: Der neue EU-Umweltkommissar Karmenu Vella kommt aus Malta, dessen Hauptstadt Valletta nicht einmal 10.000 Einwohner zählt. Gut 90.000 zu wenig, um sich um den EU-Titel und die damit verbundenen Fördergelder zu bewerben.

In Essen, das erst im Finale scheiterte, ist das alles Schnee von gestern. Selbstbewusst nach der guten Vorstellung vor der EU-Jury im Sommer richtet Umweltdezernentin Simone Raskob den Blick nach vorne: „Wir haben wieder ein starkes Bewerber-Feld. Und dennoch sehe ich für uns gute Chancen.“ Mit Essen haben am 20. Oktober fristgerecht elf weitere Städte ihre Bewerbung in Brüssel abgegeben: Istanbul und Bursa (Türkei), Lissabon, Porto und Cascais (Portugal), Cork (Irland), Nimwegen und ’s-Hertogenbosch (Niederlande), Lahti (Finnland), Pécs (Ungarn) und Umeå (Schweden).

„Widerstandsfähige Stadt“

Neben Nimwegen und Umea sieht sich auch Essen als Ex-Finalist im Vorteil: „Wir haben mit den Erfahrungen im Rücken an unserer Bewerbung gearbeitet“, sagt Simone Raskob. Die alten Unterlagen boten dafür die Basis, Daten, Texte und Bilder wurden in den vergangenen drei Monaten deutlich aktualisiert: „Aber es ist heute doch ein anderes Bild. Vor allem haben wir mehr Wert darauf gelegt, Umweltziele deutlicher zu formulieren. Und wir haben bei jedem Themenfeld „Best-Practice-Beispiele“ gegeben.“

Mit den Folgen des Orkans Ela hat sich der Stadt dazu ein starkes Themenfeld eröffnet: Essen als „widerstandsfähige Stadt“, die gemeinsam mit dem Engagement ihrer Bürger erfolgreich gegen die Naturkatastrophe ankämpft. Als weitere Schwerpunkte dürfte Essen mit seiner einzigartigen Transformationsgeschichte einer Stadt von Kohle und Stahl hin zu einer der grünsten Großstädte Deutschlands punkten, dazu mit den Folgen des Klimawandels und den Folgen für die Stadtentwicklung, oder mit den Beschäftigungseffekten durch den milliardenschweren Emscherumbau.

Daneben steht die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements im Umweltbereich, die das Bewerber-Team herausstellen will. „Wir haben neue Akzente gesetzt“, sagt die Umweltdezernentin, die auch in diesem Jahr die Bewerbung im Internet öffentlich präsentieren und diskutieren wird: „Wir halten das Verfahren offen und transparent. Wer mag, kann uns dann seine Meinung dazu schreiben.“ Dass andere Bewerber daraus einen Nutzen ziehen könnten, glaubt sie nicht: „Es hat uns in der vergangenen Runde auch nicht geschadet.“ Vieles sei auch nicht übertragbar.

Am Bewerbungsverfahren indes hat sich ohnehin nichts geändert: In der 1. Stufe wird ein unabhängiges und international besetztes Experten-Gremium bis April 2014 die Bewerbungen anhand von zwölf Themenfeldern bewerten, die von der Schadensminderung und Anpassung an den Klimawandel, über den Nahverkehr, die städtischen Grünflächen, die Luftqualität oder das Abfall-Management bis hin zur Abwasserwirtschaft oder einem integrierten Umweltmanagementsystem reichen.

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Tagesform entscheidend

In der zweiten Stufe schlägt dieses Expertengremium der entscheidenden Jury drei bis fünf Städte vor, die im Juni 2015 nach Bristol, der Grünen Hauptstadt 2015, eingeladen werden, um ihre Vorreiterrolle und Vorbildfunktion für alle europäischen S tädte überzeugend herauszustellen. Ob dann am nächsten Tag tatsächlich Essen auf dem Zettel des EU-Umweltkommissars steht? „Es hängt sehr viel von der Tagesform ab“, sagt Simone Raskob, „wir müssen unsere Themen emotionaler darstellen“. Dies war im Juni vor allem dem Team aus Nimwegen gelungen, das seine Stadt und die Bewerbung mit Liebe und Humor präsentierten.

Essen 2010 als Kulturhauptstadt, dazu die Bewerbung als „Unesco City of Design“, nun noch Grüne Hauptstadt Europas – ein bisschen viel auf einmal? „Keineswegs“, findet Simone Raskob und erinnert daran, dass sich viele der Mitbewerber ebenfalls mit dem Titel „Kulturhauptstadt Europas“ schmücken durften: Istanbul, Cork, Pecs, Lissabon, Porto – oder Umea in diesem Jahr. „Der Titel Design City ist ein Unesco-Titel, insofern hat er mit den EU-Titeln nichts zu tun. Auf der anderen Seite werden beide Titel, so wir denn den Zuschlag erhalten, Essen international positionieren. Sie helfen uns dabei“, sagt die Umweltdezernentin, „und wir müssen auch Mitklappern, um in Europa Beachtung zu finden, wir dürfen das nicht einfach den anderen Großstädten überlassen.“ Dies werde in den Mitbewerberstädten nicht anders gesehen: „Wir müssen uns da nicht kleiner machen. Das bringt uns nicht weiter.“