Essen. Die Essener SPD tut sich weiterhin schwer, einen Kandidaten als Alternative zu Reinhard Paß zu finden. Die bisher gehandelten Namen überzeugen jeweils nur wenige Sozialdemokraten - wenn sie nicht gleich absagen, wie Dortmunds Stadtdirektor Jörg Stüdemann, der von den „Ruhrbaronen“ ins Spiel gebracht wurde.
Wenn derzeit drei Sozialdemokraten zusammenstehen wie jüngst bei „Reden mit Essen“, dann sind neugierige Frager nicht weit: „Und? Wer wird’s denn nun bei euch?“ Fast ebenso sicher kassiert man dann genervte Blicke und erhält Antworten wie: „Weiß keiner“, „Die hat jedenfalls keine Chance“, oder „Der ist in der Partei nicht durchsetzbar.“ Unstrittig ist: Die neue Parteivorsitzende Britta Altenkamp hat nicht sehr geschickt agiert, als sie dem amtierenden Oberbürgermeister Reinhard Paß die Eignung für das Amt absprach, ohne aber für die OB-Wahl am 13. September 2015 einen anderen, der SPD genehmeren Kandidaten benennen zu können. Am Mittwoch wurde die Schar der gehandelten Namen um einen weiteren bereichert: Jörg Stüdemann, Stadtkämmerer und Kulturdezernent in Dortmund, interessiere sich für die OB-Kandidatur in Essen, hieß es.
„Ich kann das weder bestätigen noch dementieren“, sagte Britta Altenkamp knapp auf Anfrage. Stüdemann selbst ließ allerdings gegenüber der WAZ die Luft aus dem Ballon: „Klare Ansage: Ich bleibe in Dortmund.“
„Ich wünsche Essen alles Gute, stehe aber nicht zur Verfügung“
Leute, die den 57-Jährigen gut kennen, halten seinen Ehrgeiz zwar für allemal ausreichend, und zusätzlich hat der Sozialwissenschaftler mit Wurzeln im Milieu der Alternativkultur sogar ein bisschen Essen-Erfahrung, war von 1987 bis 1992 als Berufsanfänger mal im Zentrum Zeche Carl in Altenessen angestellt. „Locker im Umgang, bürgernah“, so beschreibt ihn ein Mitarbeiter. Der robust und bodenständig wirkende Stüdemann hätte sein können, was sich die Essener SPD als Alternative zu Paß vorstellt. Allein: „Ich wünsche Essen alles Gute, aber ich stehe nicht zur Verfügung.“
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Es gibt weitere, die sich was zutrauen: Oliver Scheytt (56) zum Beispiel. Der frühere Essener Kulturdezernent, heute freiberuflicher Personalberater, würde gerne kandidieren, wenn die SPD ihn rufen würde. Aber da ruft bislang niemand, und wenn, dann so, dass es kaum einer hört. Ähnliches gilt für den früheren Bundestagsabgeordneten Rolf Hempelmann, der im Essener Norden einige Fürsprecher hätte, aber wohl nur da. Dem 66-jährigen gelernten Studienrat fehlt zudem jegliche Verwaltungserfahrung.
Angelika Kortfelder hält sich die Kandidatenoption offen
Die zumindest kann man Angelika Kortfelder nicht absprechen. Die 59-jährige gebürtige Essenerin ist seit zehn Jahren Bürgermeisterin in Rheine, mit 73 000 Einwohnern immerhin zweitgrößte Stadt des Münsterlands. Zuvor war sie zehn Jahre im Rat der Stadt Essen, ohne dort allzu große Spuren zu hinterlassen. „Die kennt doch keiner mehr, die muss bei null anfangen“, bemerkte jüngst spitz ein SPD-Mann, der einer Kandidatur der promovierten Verwaltungs- und Erziehungswissenschaftlerin wenig abgewinnen könnte.
In Rheine selbst hält man es aber für gut möglich, dass sich Kortfelder für Essen interessiert. „Auch bei uns wird 2015 gewählt, und sie hat einen starken Herausforderer, der die Unterstützung von CDU und Grünen hat“, berichtet ein Redakteur der örtlichen „Münsterländschen Volkszeitung“. Ihre Wiederwahl sei unsicher, zumal ihr Gegner „von hier“ sei.
Kortfelder will (noch) nichts sagen, dementiert andererseits mögliche Ambitionen nicht und weist auf den 18. November, dem Datum, das sich die Essener SPD gesetzt hat. Bis dahin können sich bei Britta Altenkamp oder in der SPD-Parteizentrale Sozialdemokraten melden, die gerne mal Oberbürgermeister von Essen werden möchten. Um exakt 17 Uhr soll klar sein, ob Reinhard Paß einen Gegenkandidaten erhält. Darüber entschieden wird wohl im Januar.
Wenn es bei Paß bleiben sollte, bekommt die SPD ein Erklärungsproblem
DemokratiePaß wiederum hat sich bereits am Abend der Kommunalwahl im Mai 2014 festgelegt: Er will die zweite Amtsperiode. Nur: Das wollen eben Altenkamp und andere einflussreiche Sozialdemokraten nicht. Aber wie heißt es so schön: Alles eine Frage der Alternativen. Schon mancher ist gegen Widerstände geblieben, weil sich schlicht kein anderer fand.
Nur müsste dann Parteichefin Altenkamp den Bürgern erklären, warum die Essener SPD einen Kandidaten hat, den sie selbst für ungeeignet hält.