Essen. Zwischen dem Essener Oberbürgermeister Reinhard Paß und seiner Partei SPD tut sich ein Graben auf. Viele Sozialdemokraten wollen den umstrittenen OB loswerden. „Paß ist für den Posten nicht geeignet“, meint zum Beispiel die Landtagsabgeordnete Britta Altenkamp. Das Problem der Paß-Kritiker: Es gibt keine Alternative.

Dass Oberbürgermeister hin und wieder mit ihren Parteien über Kreuz liegen, ist normal. Wer eine Stadt regiert, kommt mit Weltanschauungen und wörtlicher Auslegung von Parteiprogrammen nicht weit, braucht vielmehr Sinn für das Machbare, Offenheit für die Anliegen aller und Geschick beim gerechten Verteilen der knappen Mittel. Der jüngst in Essen losgetretene Streit zwischen der örtlichen SPD und OB Reinhard Paß übersteigt aber weit die übliche und im besten Fall fruchtbare Rivalität.

„Reinhard Paß ist für den OB-Posten die falsche Person“, befand die Essener SPD-Landtagsabgeordnete Britta Altenkamp, er sei „nicht dialog- und kompromissfähig“, gehe mit Kritik „nicht rational“ um und sei zu sehr aufs Sparen fixiert. Ihr Fazit: „Es waren fünf Jahre voller Enttäuschungen für die SPD.“

Der OB wehrt sich: Die Kritik ist ehrverletzend und unbegründet

Starker Tobak, der die lokalpolitische Sommerpause abrupt beendete, zumal die als streitbar bekannte Landespolitikerin ihre Generalkritik mit der Bewerbung für den Vorsitz der Essener SPD verband. Auf einem weiteren Parteitag soll es dann um die Frage gehen, ob die SPD dem Wunsch von Reinhard Paß entspricht und ihn für eine zweite Amtszeit nominiert. Die dann womöglich mit frischer Macht ausgestattete Altenkamp will genau dies verhindern.

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Reinhard Paß parierte die Attacke mit gebremster Wut. Die Kritik sei „ehrverletzend und unbegründet“, er hätte sich „sehr gefreut, wenn Britta Altenkamp das direkte Wort mit mir gesucht hätte, statt mich in aller Öffentlichkeit zu diskreditieren“, erklärte der OB. Paß appellierte unterschwellig an die zwar oft verletzten, aber als Anspruch dennoch gültigen Werte der innerparteilichen Solidarität: Wer ein Problem mit einem Genossen hat, der möge das hinter verschlossenen Türen klären, Sozialdemokraten hauen sich nicht via Medien in die Pfanne! So sehen es jedenfalls an der Basis immer noch viele.

Tiefer Graben zwischen dem OB und der Partei

Andererseits steht die 49-Jährige in der Essener SPD alles andere als allein mit ihrer Kritik. Paß, von Beruf Diplomingenieur, gilt nicht als Kommunikationsgenie, dafür aber als einer, der gerne das unter Parteileuten verhasste Wort „alternativlos“ verwendet. Der OB reagierte mitunter genervt und hochfahrend auf innerparteiliche Vorhaltungen an seiner Politik der Haushaltskonsolidierung, die das Land NRW einer hochverschuldeten Stadt wie Essen nun einmal vorschreibe. Was gebe es da noch zu diskutieren? Richtig mies wurde die Stimmung, als er sich dem einstimmigen Wunsch des SPD-Vorstands verweigerte, sein Amt nach dem Vorbild anderer OBs in einem Aufwasch bei der Ratswahl im Mai 2014 zu verteidigen.

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Auch in der Bürgerschaft, für direkt gewählte OBs oft eine Bastion, ist sein Ansehen eher mäßig. Der unbeholfene Umgang mit einem Skandal um Privilegien bei den Essener Entsorgungsbetrieben und die Niederlage beim Bürgerentscheid um den Messe-Teilneubau haben Sympathien gekostet und Kritikern neue Munition geliefert. Ob der 58-Jährige seinen Job gut macht, bezweifeln viele. Oft heißt es: Essen wird unter Wert regiert.

NRW-Justizminister Thomas Kutschaty will offenbar nicht OB werden

In einem Gespräch mit dieser Redaktion streute Paß jetzt dosierte Selbstkritik. Ja, auch er habe Fehler gemacht und werde am Thema Kommunikation arbeiten. Ansonsten gab er sich selbstbewusst. Die SPD-Kritik habe viel mit Missverständnissen über die Rolle eines OB zu tun, der nun einmal kein Parteisoldat sein dürfe. Nicht ohne Behagen ließ Paß durchblicken, Altenkamps ungestüme Art habe ihm vielleicht sogar geholfen, „seiner“ SPD wieder näher zu kommen. Er lese viele für ihn positive Reaktionen. Motto: So geht man mit einem OB nicht um.

DemokratiePaß’ größter Trumpf dürfte aber sein, dass die SPD bislang keinen anderen geeigneten OB-Kandidaten hat und die Suche schwierig ist. Der einzige, auf den sich alle rasch verständigen könnten, wäre NRW-Justizminister Thomas Kutschaty. Der hat aber standhaft alle Avancen aus seiner Essener Heimat-SPD abgelehnt. Paß hält deshalb neben seiner Politik auch sich selbst für genau das: alternativlos.