Essen. Mit dem früheren Kulturdezernenten Oliver Scheytt könnte die Essener SPD einen Kandidaten aufbieten, der für die CDU eine Art Angst-Gegner wäre, weil er bis weit ins christdemokratische Milieu hinein einige Zugkraft hätte. Ob die SPD ihn will, ist allerdings offen. Ein Kommentar.
In der OB-Frage macht die SPD es spannend. Mit Reinhard Paß will sie nicht mehr in die Wahl im September 2015 ziehen, daran kann es seit dem Parteitag vor zwei Wochen keinen vernünftigen Zweifel mehr geben. Andererseits ist niemand ersichtlich, auf den die Oberbürgermeister-Kandidatur automatisch zuliefe, nachdem Justizminister Thomas Kutschaty am Düsseldorfer Kabinettstisch offenbar unabkömmlich ist.
Hinter den Kulissen werden Namen erwogen und verworfen, und natürlich ist dieses Gerangel formell zunächst Sache der SPD. Wen die Partei auf ihr Schild hebt, ist aber eben auch wichtig für die Stadt insgesamt. Essen ist zwar keine SPD-beherrschte Stadt mehr, dennoch geht ein sozialdemokratischer Kandidat als Favorit in ein solches Rennen. Das gilt erst recht, wenn die CDU mit Thomas Kufen einen Kandidaten dagegen setzt, der auch seine Stärken hat und ein politischer Kopf ist, aber keinen Amtsbonus besitzt.
Die SPD könnte ihre Chancen wahrscheinlich noch vergrößern, wenn sie Oliver Scheytt aufstellt. Der langjährige Essener Kulturdezernent hat gerade genügend sozialdemokratischen Stallgeruch, um in der Partei vermittelbar zu sein. Er könnte aber vor allem wie kein anderer Strahlkraft bis weit ins christdemokratische und liberale Milieu hinein entwickeln und dort Stimmen ziehen, die Kufen bitter fehlen würden.
Mit der Kulturhauptstadt-Geschäftsführung hat der 56-Jährige bewiesen, dass er komplexe Aufgaben bewältigen und sich in politischen Mienenfeldern bewegen kann. Am Wahlstand im Essener Norden mag Scheytt, der kein Kumpeltyp ist, seine Probleme haben. Aber in puncto Leutseligkeit kann Kufen auch nicht viel mehr bieten.
Obwohl Scheytt derzeit taktiert und von seinen Aufgaben als selbstständiger Berater im Kulturbereich schwärmt, so wird man doch den Eindruck nicht los, dass er wirklich Lust hätte in seiner Heimatstadt zu kandidieren - wenn die Partei ihn denn riefe. Ob sie das macht, ist schwer abzuschätzen. SPD-Vorsitzende Britta Altenkamp hätte möglicherweise lieber einen strammen Sozialpolitiker, der am kurzen Zügel der Partei läuft. Ob das reicht, um in Essen eine Mehrheit zu bekommen, steht auf einem anderen Blatt.
Noch etwas spräche für Scheytt: Er wäre abgebrüht genug, um den Kampf mit Reinhard Paß aufzunehmen, der bisher keine Anstalten macht, freiwillig das Feld zu räumen. Auch das ist eine Hürde, die - außer Kutschaty - jeder SPD-Kandidat erst mal zu nehmen hätte.