Essen. . Der Landtagsabgeordneten Britta Altenkamp schadete ihre im Juli geäußerte Generalkritik an Reinhard Paß („als OB die falsche Person“) am Samstag beim Parteitag der Essener SPD nur wenig, obwohl sie selbstkritische Töne in ihrer Antrittsrede vermied. Paß selbst saß in der ersten Reihe und schwieg.
Es war nur ein mittelprächtiges Ergebnis, aber nach ihrer heftigen, teils umstrittenen Kritik an der Amtsführung von Oberbürgermeister Reinhard Paß hätte es schlimmer kommen können: Mit 73,2 Prozent wählte am Samstag ein SPD-Parteitag Britta Altenkamp zur neuen Vorsitzenden der Essener SPD. Von 153 Delegierten stimmten 112 mit Ja, 35 mit nein, sechs enthielten sich. Die 49-jährige Landtagsabgeordnete folgt auf Dieter Hilser, der nach elf Jahren an der Spitze der Essener SPD nicht wieder antrat.
„Wer polarisiert, bekommt eben keine 96 Prozent“
Während Altenkamp ziemlich vergrätzt wirkte und an den Parteitag kein Wort des Dankes richtete, sahen andere die 73 Prozent entspannter. „Mit dem Ergebnis kann sie leben“, meinte einer aus dem Parteivorstand, der ihr nahesteht, „wer polarisiert, bekommt eben keine 96 Prozent“. Altenkamp hatte im Juli ihre Kandidatur für den Parteivorsitz mit einer öffentlichen Generalkritik an der Amtsführung des OB verknüpft und Reinhard Paß („als OB die falsche Person“) die Eignung für das Amt abgesprochen. Unter Parteifreunden ein durchaus ungewöhnlicher Vorgang, der auch zu parteiinterner Kritik an Altenkamp führte.
Obwohl Altenkamp nachgesagt wird, sie habe dies selbst als Fehler eingesehen, vermied sie am Samstag in ihrer Antrittsrede selbstkritische Andeutungen oder gar selbstkritische Worte über ihr Vorgehen. Sie kündigte an, die OB-Kandidaten-Frage in der SPD breit diskutieren zu wollen. „Ich glaube, dafür brauchen wir etwas mehr Zeit.“ Ein ursprünglich für November geplanter erneuter Parteitag zur OB-Kandidatur sei wohl nicht zu halten, meinte Altenkamp.
Zeit für die Basis - und für die Suche nach einer personellen Alternative?
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Auf dem Parteitag wurde spekuliert, dass die neue Vorsitzende weniger für die Beteiligung der Basis Zeit benötige, sondern vielmehr für die alles andere als einfache Suche nach einer Alternative für Reinhard Paß. Der amtierende OB saß in der ersten Reihe und hörte sich schweigend an, wie Altenkamp über das Amt sprach, ohne dabei seinen Namen auch nur einmal zu nennen. „Ich will, dass auch künftig ein Sozialdemokrat Oberbürgermeister in Essen bleibt“, schloss die neue SPD-Vorsitzende ihre wenigen Sätze zu diesem Thema. Das immerhin war im Saal gewiss unstrittig.
Die OB-Wahl ist im September 2015. Paß’ Aussichten, erneut Kandidat zu werden, dürften nach dem für ihn ernüchternd verlaufenenen Parteitag aber weiter gesunken sein - so wurde es jedenfalls allgemein am Rande der Veranstaltung diskutiert. „Nur ein sehr schwaches Ergebnis für Britta wäre ein Zeichen gewesen, dass ihre Paß-Kritik in der SPD auf breiten Widerspruch trifft“, formulierte ein Delegierter. Dieses Zeichen blieb aus - und dass, obwohl Altenkamp zuvor in ihrer Antrittsrede die Gelegenheit verstreichen ließ, auf den amtierenden OB zuzugehen, wie Paß und seine wenigen Getreuen gehofft hatten.
Altenkamp forderte vom Parteitag ein „überzeugendes Votum“
Altenkamp hatte für den Fall eines zu schlechten Wahlergebnisses vorgebaut und angedeutet, dass sie das Amt dann nicht annehmen werde: „Es muss ein überzeugendes Votum sein, sonst kann man diese Aufgabe nicht stemmen“, ließ die 49-Jährige die Delegierten wissen. Sie verteidigte ihr Vorgehen bei der OB-Frage indirekt, als sie in ihrer Antrittsrede bemerkte, es sei in Ordnung „bestimmte Diskussionen ruhig öffentlich zu führen“. Sie habe auch kein Problem mit abweichenden Meinungen - „ich nenne mal das Thema Messe“ -, sofern die Partei nach der Mehrheitsbildung und der Abstimmung dann geschlossen handele. Während sie Dieter Hilser anerkennend zugestand, die SPD nach den schweren Jahren des Machtverlusts und der Skandale „beruhigt und stabilisiert“ zu haben, gehe es nun darum, „eine Zeit des Aufbruchs zu versuchen“.
Sorge bereite ihr die geringe Wahlbeteiligung vor allem im Essener Norden. Die SPD habe zwar im Norden mehr Ratsmandate, jedoch teilweise im Süden der Stadt deutlich mehr Stimmen gewonnen, weshalb die überwiegende Fixierung der Partei auf die Nord-Stadtteile auf den Prüfstand gehöre.
Zu stellvertretenden Vorsitzenden wählte die Essener SPD NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (94,3 Prozent), die Bundestagsabgeordnete Petra Hinz (77,8 Prozent) und Arno Bischof (75 Prozent).