Essen. Die Bewerber-Doku der Essener SPD auf der Suche nach einem Kandidaten für die Wahl des Oberbürgermeisters geht in die entscheidende Phase: Mögliche Herausforderer von Amtsinhaber Reinhard Paß sollen sich bis zum 18. November melden. Notfalls gibt’s einen Mitgliederentscheid.
Es fällt einem schwer sich vorzustellen, das da an jenem November-Dienstag zu nachmittäglicher Stunde noch einer der ihren zur Severinstraße spurtet. Dass dieser Jemand in Höhe Hausnummer 44, an der Parteizentrale, nach Luft schnappend ein Bewerbungsschreiben mit Lebenslauf in den Briefkasten wirft – froh, es gerade so bis zum Ablauf der Frist geschafft zu haben.
Aber irgendwie muss ja wohl in die über Monate ungeordnet bis chaotisch laufende Debatte um den sozialdemokratischen OB-Kandidaten in Essen Ordnung hinein, also hat der neu gewählte Vorstand der hiesigen Genossen gestern ein förmliches Verfahren beschlossen.
Das sieht zunächst eine Art Bewerbungsschluss vor: Wer immer Ambitionen hat, Reinhard Paß im Oberbürgermeister-Amte zu folgen, der möge, so heißt es nun, bis zum 18. November um 17 Uhr seinen Hut in den Ring werfen. Das kann zwar kein juristisch belastbares Ultimatum sein, weil das Wahlrecht dergleichen gar nicht zulässt. Politisch aber darf man wohl annehmen, dass – wer sich nicht selbst aus dem Rennen katapultieren will – bis dahin seine Kandidatur erklärt haben sollte.
Reinhard Paß selbst kann dem Termin gelassen entgegensehen: Er hat sich ja bereits am Abend der Kommunalwahl (und damit sehr zum Ärger vieler Parteifreunde) selbst für eine zweite Amtszeit aufgestellt. Ob dieser unabgestimmte Vorstoß hilfreich war, zumal Paß sich ja zuvor standhaft geweigert hatte, die eigene Amtszeit zugunsten eines gemeinsamen Wahlauftritts zu verkürzen, darf bezweifelt werden. Spätestens der jüngste Parteitag hat noch einmal aller Welt deutlich gemacht, dass der OB in seiner eigenen Partei keinen sonderlichen Rückhalt hat.
DemokratieDennoch: Bislang hat noch kein Alternativ-Kandidat die sozialdemokratische Bühne betreten. Es bleibt bei den seit Monaten getuschelten Namen, von Ex-Kulturdezernent Oliver Scheytt bis zu NRW-Justizminister Thomas Kutschaty, vom einstigen Bundestagsabgeordneten Rolf Hempelmann bis zur Bürgermeisterin von Rheine, Angelika Kordfelder, die einst zehn Jahre dem Essener Rat angehörte.
Wenn es denn eine echte Alternative gibt, dann sollen die rund 4.300 Sozialdemokraten zwischen Karnap und Kettwig ihren Favoriten im Rahmen eines Mitgliederentscheids küren – auch das ist Bestandteil des SPD-Beschlusses vom gestrigen Abend. Und auch der wäre nicht juristisch, wohl aber moralisch bindend. Was natürlich voraussetzt, dass OB Reinhard Paß die parteiinterne Konkurrenz nicht als so starkes Signal des Misstrauens versteht, dass er lieber gleich von sich aus das Feld räumte, als dass ihm jemand anderes den Job streitig macht.
Hielte er seine Kandidatur aufrecht, dann stünde den Genossen eine Tour durch die Stadtteile bevor. Ältere werden sich erinnern: Einen ähnlichen Zweikampf erlebte Essens SPD schon einmal, anno 1999, als der scheidende Europa-Abgeordnete Detlev Samland und die damalige Umweltdezernentin Eva-Maria Krüger um die Gunst der Genossen buhlten. Am Ende siegte Samland parteiintern – und verlor später die Wahl gegen Wolfgang Reiniger (CDU).
Seit jener Zeit geben Christdemokraten Wahlen in Essen nicht von vornherein verloren, zumal der Urnengang am 13. September 2015 womöglich nur eine Vorentscheidung beinhaltet: Anders als 2009 gibt es wieder eine Stichwahl, sollte im ersten Wahlgang kein Kandidat die absolute Mehrheit holen. Auch deshalb dürfte der CDU-OB-Bewerber Thomas Kufen gespannt auf den 18. November schauen. Es ist ein offenes Geheimnis: Wenn Paß antritt, rechnet er sich höhere Chancen aus.