Essen. Die Schülerinnen Alisa Jakob und Nadine Maihoff haben das 14-jährige Mädchen Luise interviewt, das an Magersucht litt. Der Artikel wurde im September als bestes Interview des Projektes „Zeus – Zeitung und Schule“ der Journalistenschule Ruhr ausgezeichnet. Luise wurde gemobbt, weil sie nicht die Dünnste war.
„Zeus – Zeitung und Schule“ ist das medienpädagogische Projekt der Journalistenschule Ruhr, die zur Funke Mediengruppe gehört. Sieben Wochen lang schreiben Schüler Artikel, die gedruckt werden und auch online erscheinen. Die besten Texte werden von einer Jury gekürt. Sie besteht unter anderem aus Chefredakteuren der Zeitungstitel der Funke Mediengruppe. Die Preise sind vor einiger Zeit im GOP-Varieté in Essen verliehen worden. An dieser Stelle dokumentieren wir noch einmal kompakt die Sieger-Texte von Essener Schülerinnen, unter denen sich echte journalistische Talente befinden. Wir glauben, dass diese Texte für ein größeres Publikum interessant sind und gratulieren den Gewinnern herzlich!
Hannah Gerling und Emma Capitain, Klasse 8d, Maria-Wächtler-Gymnasium gewannen den Sonderpreis "Zeus auf Schalke" für ihr Interview mit Sportler Markus Rehm, der sein rechtes Bein, aber nie den Glauben an sich selbst verlor. Zum Bericht.
Ihre Klassenkameradinnen Alisa Jakob und Nadine Maihoff vom Maria-Wächtler-Gymnasium siegten in der Kategorie "Bestes Interview": Die beiden sprachen mit dem Mädchen Luise. Die 14-Jährige litt an Magersucht, erst professionelle Hilfe brachte in ihrem Fall die Wende. Das ist der Sieger-Beitrag von Alisa Jakob und Nadine Maihoff:
Wenn Essen eine Qual ist
„Anorexia nervosa“, auch bekannt als Magersucht, ist eine psychische Krankheit. Es ist eine selbst herbeigeführte Gewichtsabnahme, wobei das Gewicht weit unter dem Normalwert liegt. Schätzungen zufolge ist jedes vierte Mädchen in Deutschland essgestört, begibt sich somit in die Gefahr einer Magersucht. Und es ist eine folgenschwere Krankheit: 2012 starben bundesweit 70 Menschen daran. Weltweit Beachtung fand der Tod des französischen Models Isabelle Caro, die 2010 ihrer Essstörung erlag. Wir Zeus-Reporterinnen haben mit Luise gesprochen. Bei der 14-Jährigen wurde die Krankheit vor eineinhalb Jahren diagnostiziert.
Was waren deine ersten Gedanken, als du die Diagnose bekamst?
Luise: Ich wollte mir nie eingestehen, dass ich magersüchtig bin. Als die Ärztin meinte, dass ich es bin, habe ich mir gedacht: Nein, das stimmt nicht. Ich wollte mich selbst verteidigen und mir den Fehler nicht eingestehen. Ich meinte, dass ich nur abnehme. Als ich dann zu Hause war und vor dem Spiegel stand, habe ich nur das „Schöne“, also die Knochen und das wenige Fett gesehen, dann kamen mir wieder die Worte der Ärztin in den Sinn. Doch diese Gedanken habe ich schnell wieder verdrängt, weil ich immer gedacht habe, dass man nie dünn genug sein kann.
Weißt du, woher deine Magersucht kommt?
Luise: Ich wurde gemobbt, weil ich nicht die Dünnste war. Ich war aber nicht dick, sondern normal. Und deshalb habe ich gesagt, dass ich abnehmen will. Dann habe ich immer weiter abgenommen und es wurde irgendwann zur Sucht.
Wovon hast du dich in dieser Zeit ernährt?
Luise: Viel Gemüse, hauptsächlich Gurken, da die ja entwässern. Karotten habe ich auch gegessen, weil die mehr sättigen als Gurken. Naja, aber eigentlich habe ich mich eher satt getrunken.
Wie gehst du heute mit deiner Magersucht um?
Luise: Ich gehe offen damit um. Man sieht es mir nicht mehr so an, und ich binde es niemandem auf die Nase, aber wenn das Thema zur Sprache kommt oder wenn jemand etwas von meiner Vergangenheit wissen will, dann stehe ich dazu, denn die Magersucht war ein Teil von mir und wird es auch immer bleiben.
Wie standen deine Klassenkameraden zu deiner Krankheit?
Luise: Ganz unterschiedlich: Es waren ein paar, die mich deswegen fertig gemacht haben. Sie haben immer gesagt, dass ich eine Bohnenstange, hässlich und abgemagert wäre, und es das Beste wäre, wenn ich sterben würde. Dann haben die Anderen mich verteidigt.
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Wie hat deine Familie versucht, dir zu helfen?
Luise: Ich wurde ja gemobbt, da haben mir meine Lehrerin und meine engsten Freunde geholfen. Zu Hause haben mir meine Eltern geholfen, indem sie mich nicht zum Essen gezwungen haben. Das hört sich jetzt negativ an, war aber positiv. Sie haben mich abgelenkt, damit ich nicht die ganze Zeit an die Kalorien denke.
Trotzdem hast du dir auch professionelle Hilfe geholt.
Luise: Ich war für eine Zeit in einer Klinik, dort wurde mir durch Einzel- und Gruppentherapie geholfen. Man hat dort immer Mut gemacht bekommen. Ich habe mehr Selbstvertrauen bekommen und dadurch habe ich mich öfters überwinden können, etwas zu essen. Jetzt wird mir noch durch die Therapie, Freunde und Familie geholfen, da sie mich ans Essen erinnern und mich unterstützen, wo sie nur können.
Wie kam es, dass du dich bereit erklärt hast, in eine Klinik zu gehen?
Luise: Meine Ärztin hat mir gesagt, dass ich nicht überlebe, wenn ich so weiter mache. Ich habe dann das erste Mal dazu gestanden, dass es eine Sucht ist. Dann meinte sie, dass ich in die Klinik gehen solle. Doch das kam für mich nicht in Frage. Meine Lehrerin meinte, dass ich es mir dann noch einmal überlegen soll.
Wie war es dort für dich?
Luise: Es war ungewohnt, und ich hatte dort richtig Angst. Ich wusste zwar, dass mir geholfen wird, aber ich wusste nicht, ob ich es wirklich will. Später, nach einiger Zeit, habe ich dann bemerkt, dass es das Richtige ist.
Was isst du jetzt, um zuzunehmen?
Luise: Ich esse eigentlich ziemlich das Gleiche: Gurken, Karotten, Paprika, aber ich kombiniere es mit Fleisch. Ich esse auch Bananen, die ungefähr so viele Kalorien wie Schnitzel haben.
Hattest du die typischen Symptome von Magersucht?
Luise: Mir war oft schwindelig und kalt. Ich hatte vor allem niedrigen Blutdruck und bin öfter umgekippt.
Glaubst du, dass Serien wie „Germany’s next Topmodel“ die Magersucht unterstützen?
Luise: Ja, glaube ich, da eine Freundin von mir, die ich in der Klinik kennengelernt habe, meinte, dass sie auch so sein wollte wie die Serien-Models.
Was würdest du anderen Betroffenen raten?
Luise: Auf jeden Fall Klinik, Therapie und offen darüber reden, da man sich erstmal eingestehen muss, dass man ernsthaft krank ist.