Essen. Erst seit Beginn dieses Schuljahrs steht im Gesetz, dass auch Schüler mit Behinderungen an Regelschulen aufgenommen werden müssen. Viele Essener Schulen haben damit schon vor Jahren begonnen – zum Beispiel die Hauptschule an der Wächtlerstraße im Südostviertel.

Seit Beginn dieses Schuljahres ist die „Inklusion“ offiziell, das heißt, sie steht im Schulgesetz, das heißt, es soll der Normalfall sein, dass Schüler mit Behinderungen an eine Regelschule dürfen, an ein Gymnasium oder eine Grund-, Gesamt-, Real- oder Hauptschule.

Viele Essener Schulen machen das schon seit Jahren, bei den weiterführenden sind das vor allem die Gesamtschule Holsterhausen, und auch die Hauptschule an der Wächtlerstraße: „Als Hauptschule mussten wir immer sehen, dass wir einen Pluspunkt haben“, erinnert sich Lehrerin Christiane Sotmann. Deshalb entschied man im Südostviertel, zum Schuljahr 2009/10 auch Schüler mit besonderem Förderbedarf aufzunehmen, vor allem jene mit Lernschwierigkeiten. Seitdem wird in jedem Jahrgang in einer Klasse eine sogenannte „integrative Gruppe“ von fünf bis Sieben Schülern gebildet, die am gleichen Unterricht teilnimmt wie alle anderen, aber andere Lernziele hat und eigenes Lehrmaterial.

Alles in Eigenarbeit

Die ersten Schüler mit Behinderungen, die damals anfingen, sind jetzt in Klasse zehn und stehen vor dem Abschluss. „Bei drei von ihnen konnten wir offiziell den Förderbedarf aberkennen“, berichtet Schulleiterin Roswitha Tschüter. Heißt: Aus Fünftklässlern, die eigentlich auf die Förderschule hätten gehen sollten, wurden im Lauf der Jahre ganz normale Hauptschüler.

Von 405 Schülern an der Wächtlerstraße haben derzeit rund 55 einen diagnostizierten Förderbedarf; das Kollegium (42 Lehrer) wird ergänzt um acht Sonderpädagogen, die im Schnitt mit 16 Stunden pro Woche als Zweitbesetzung in der Klasse stehen. Heißt andersherum: Etwas mehr als die Hälfte des Unterrichts findet mit einem Lehrer statt und zusätzlich einem Sonderpädagogen. „Wir mussten uns das alles selbst erarbeiten, es gab weder Lehrmaterial, noch Fortbildungen“, erinnert sich Christiane Sotmann an die Anfangsjahre. „Wir haben das alles aus dem Bauch heraus gemacht.“

Doch der Aufwand habe sich gelohnt; das Niveau in der Klasse mit den Kindern mit Förderbedarf sei nicht abgerutscht im Vergleich zu den anderen Klassen. „Sie erkennen die Schüler mit Förderbedarf nicht mehr im Unterricht“, berichtet auch Sonderpädagogin Nicole Skodda. „Erst an den schriftlichen Leistungen kann man Unterschiede sehen.“ Die Schüler mit Behinderungen erhalten einen Teil des Unterrichts in einem benachbarten Klassenzimmer, diese Art der Differenzierung gilt bei der „Inklusion“ als unverzichtbar; in ihrer Klasse 10A2, der ersten inklusiven Klasse der Schule, sagt Nicole Skodda, seien es noch rund fünf Stunden pro Woche, in der der zusätzliche Raum benötigt werde. Am wichtigsten sei die sonderpädagogische Unterstützung in Fächern wie Deutsch, Englisch und Mathe: „Jene, die bei der Jobsuche entscheidend sind.“