Essen. . Die Biographie von Pascal Rücker zeigt: Wem droht, als „blöd“ abgestempelt zu werden, der braucht das Glück der intensiven Begleitung – und guter Schulen. Der frühere Förderschüler Rücker führt heute ein Leben weitgehend ohne Handschrift – denn das Schreiben mit der Hand war sein Problem.

Pascal Rücker führt ein Leben ohne Handschrift – so gut es geht. Schon das Verfassen kurzer Notizen bereitet ihm Mühe. Heute weiß man, woran das liegt. „Mein Sohn litt bei der Geburt an Sauerstoffmangel, das hat das Gehirn beeinflusst“, sagt Pascal Rückers Mutter Ansbyll.

Das muss man Leuten erst mal klarmachen – Erziehern, Lehrern, Freunden, Bekannten. Dass ein Kind allgemein fit ist, nur dass das mit dem Schreiben halt nicht klappt. „Ich habe mir auf diesem jahrelangen Weg“, sagt Ansbylll Rücken, „viele blaue Flecken geholt. Er hat dieses eine Handicap, aber mehr eben nicht.“

Alles musste angeleitet werden

Als Säugling und Kleinkind hatte Pascal Schwierigkeiten mit der Bewegung: „Das Drehen, das Krabbeln, das Laufen – nichts kam von selbst, alles musste ich anleiten“, erinnert sich die Mutter. In der Grundschule fiel dann auf, dass Pascal das Schreiben nicht hinbekommt. Er wechselte an eine Förderschule für körperbehinderte Kinder. „Es war viel Arbeit, die Pädagogen davon zu überzeugen, dass es nur eine motorische Sache ist“, sagt Ansbyll Rücker. „Ihm drohte immer der Weg zur Schule für Lernbehinderte.“

An der Schule für Körperbehinderte hatte irgendein kluger Mensch dann die Idee, Pascal mit einer elektrischen Schreibmaschine auszustatten. „Da stieg meine Deutsch-Note in einem Halbjahr von fünf auf zwei“, berichtet Rücker. Denn plötzlich wurde deutlich: Rechtschreibung, Grammatik, Satzbau – alles funktioniert. Bloß das Schreiben war das Problem gewesen. „Ich selbst finde meine Handschrift heute immer noch unleserlich“, sagt Rücken.

Uni-Klausuren wie alle anderen

Mathe und Naturwissenschaften liefen sowieso gut. Ergebnis: Pascal machte Hauptschulabschluss mit Qualifikation, später ging er zum Nixdorf-Berufskolleg nach Frohnhausen. Dort gibt es die „Höhere Berufsfachschule“: Man macht das Fach-Abi und gleichzeitig eine Lehre zum „informationstechnischen Assistenten“. Schulleiter Wolfgang Meyer erinnert sich: „Dass Pascal von einer Förderschule kam, war für uns überhaupt kein Thema. Obwohl das berühmte Wort von der ,Inklusion’ noch gar nicht erfunden war.“

Bei der Tauglichkeitsprüfung der Bundeswehr durchleuchteten sie Pascals Gehirn. Man konnte sehen, dass einige Areale nicht entwickelt sind (trotzdem wurde Pascal übrigens für tauglich befunden). Zurzeit studiert er noch Informatik; er legt Wert darauf, dass er Klausuren mit der Hand schreibt, so wie alle anderen. Auch, wenn es ihn wahnsinnig anstrengt.

Schon vor Jahren hat Rücker angefangen, seine Computerleidenschaft in berufliche Bahnen zu lenken; schon vor Jahren gründete er eine Software-Entwicklungs-Firma. Derzeit arbeitet man an einem Zeiterfassungs-System für ein mittelständisches Unternehmen. Und private Notizen, wenn er sich mal schnell was notieren muss? „Wozu gibt’s denn Smartphones“, sagt Rücker und lacht.