Essen. Der Bürgerkrieg hat mal Pause: Neun Jugendliche aus Kiew sind an der Hauptschule Wächtlerstraße in Essen zu Gast. Gesprochen wird über die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten: In Kiew haben die Schulen keine Namen, dafür tragen die Jugendlichen Uniformen.

Es kommt nicht oft vor, dass ein Schüleraustausch ins Fernsehen kommt. Wenn die Jugendlichen aus der Ukraine sind, dann schon. Zumindest, wenn in der Ukraine Bürgerkrieg herrscht. Ein WDR-Team hat den neun Jugendlichen, die seit dem Wochenende an der Hauptschule an der Wächtlerstraße im Essener Südostviertel zu Gast sind, auf den Zahn gefühlt – und ziemlich genau anderthalb Sätze abgerungen zu diesem Thema: Sascha hat gesagt, in der Schule in Kiew hätten sie Geräusche von den Unruhen gehört, und Lera meinte, sie habe keine Angst. Das war’s so ungefähr.

Daraus hat der WDR dann aber zweieinhalb Minuten Beitrag gemacht, mit vielen Bildern der Unruhen vor Ort dazwischen, doch dass die Schüler eigentlich über ganz andere Sachen sprechen wollten, das ist nicht so ‘rübergekommen. An der Hauptschule an der Wächtlerstraße sind sie jetzt einigermaßen entsetzt deshalb. Wegen der Unruhen in Kiew war ihre Schule eine Woche lang geschlossen, und jetzt, in Essen, sagen die Gäste, die alle 15 Jahre jung sind, dass sie gerne später mal in Deutschland studieren möchten: „Bessere Job-Chancen als zu Hause“ erhoffen sie sich dann.

Der Beginn einer echten Freundschaft

Dies ist ein ungewöhnlicher Austausch. Dass Hauptschulen Kontakte pflegen mit Schulen im Ausland, kommt nicht so oft vor. Besuchsreisen sind selten möglich, vor allem des Geldes wegen, das die wenigsten Eltern haben. An der Wächtlerstraße ist die Partnerschaft mit „Schule Nummer 53“ in Kiew – die wenigsten Schulen haben dort Namen – über einen Lehreraustausch 2012 entstanden. Der Besuch von neun Jugendlichen ist jetzt der Anfang einer echten Freundschaft: Auf dem Besuchsprogramm stehen Villa Hügel, Kölner Dom, Gasometer – und shoppen in der Essener City waren die Gäste mit den Neuntklässlern der Hauptschule natürlich auch schon. Die Gäste sprechen gut Deutsch, denn an ihrer Schule wird vom ersten Schuljahr an verstärkt Deutsch gelehrt.

„Es ist sehr grün hier, vieles macht einen wohlhabenden Eindruck“, sagt ein Schüler aus der Ukraine, „die Autos, die Häuser, die heilen Straßen.“ Mit den Gastgebern aus Essen sprechen sie über die Unterschiede: „Schule Nummer 53“ in Kiew hat Schuluniformen, hier gibt es keine. Staunend fassen die Essener Schüler die Geldscheine und Münzen an, die die Gäste in ihren Börsen haben, Hrywnja heißt ihre Währung, 16 Hrywnjas sind ein Euro, eine U-Bahn-Fahrt in Kiew kostet zwei Hrywnjas. Und ist eigentlich bekannt, dass es drei Monate Sommerferien gibt in der Ukraine?

Über solche Dinge reden sie, den ganzen Tag lang. Der Bürgerkrieg hat Pause hier.