Essen. . Was denken Essener Landwirte über fleischlose Ernährung? Und was genau ist eigentlich Bio? Im dritten Teil der NRZ-Serie über gesunde Ernährung kommen zwei Bauern zu Wort, die nicht immer der gleichen Meinung sind.

„Ja, es ist Fakt, dass sich immer mehr Menschen fleischlos ernähren. Man muss das respektieren“, sagt Christoph Ridder, Vorsitzender der Kreisbauernschaft der Ruhrgroßstädte. „Aber wenn alle Menschen auf der Welt vegan leben würden, bräuchte man keine Bienen mehr“, so der Landwirt aus Leithe. „Nur wer soll dann die ganzen Pflanzen bestäuben?“

Ridder sitzt an seinem Wohnzimmertisch und schaut auf die Getreidefelder vor seiner Haustür. In seinem Szenario würde auch die wirtschaftliche Verwertung von Grasland wegfallen. Und ohne Nutztiere, so der Bauer, gäbe es auch keinen Naturdünger mehr. Das gesamte Landschaftsbild würde sich verändern. „Der Hauptersatz, die Sojabohne, wächst überwiegend in Südamerika“, betont Ridder. Und: Tierische Produkte hätten eine sehr hohe Energiedichte, die man mit der gleichen Menge Rohkost bei weitem nicht aufnehmen könnte.

Insgesamt 45 landwirtschaftliche Betriebe gibt es in Essen. Die meisten davon sind Pferdehöfe. Dazu kommen große Getreideflächen und Biogasanlagen. Bei Günter Maas wird dagegen Fleisch produziert. Auf seinem Hof in Heidhausen gibt es Schweine, Schafe, Hühner und Kühe, wobei Letztere hauptsächlich wegen der Milch gehalten werden. Als einer von wenigen Essener Bauern darf sich Maas als Bio-Landwirt bezeichnen.

Besuch von TIerschützern

Wenn der 51-Jährige nicht im Stall arbeitet, führt er Kindergartenkinder und Grundschüler über seinen Hof. Bei den Besichtigungen betont er, dass die Tiere kein Hobby sind, sondern dass ihr Fleisch später genutzt werden soll. „Ich sage klar, dass ich Nutztierhalter bin, und dass es einige Tierarten in der Form nicht mehr geben würde, wenn sie nicht landwirtschaftlich genützt würden, weil sie für den Privatmann einfach nicht interessant sind“, erklärt der promovierte Landwirt.

Ein paar Mal seien auch Tierschützer da gewesen, so Maas. Aber viele Verbraucher würden sich nicht richtig auskennen und wissen, was gut für die Tiere ist. „Häufig werden menschliche Grundbedürfnisse auch auf Tiere übertragen, dabei macht es vielen Arten nichts aus, wenn sie bei minus zehn Grad im Stall stehen. Das ist denen sogar lieber als permanent 22 Grad. Ich kenne mich da aus.“

Sowohl Maas als auch Ridder verweisen auf die ihrer Ansicht nach erheblich verbesserten Unterbringungen auf den Höfen. So seien Ställe heute deutlich höher gebaut und besser belüftet als noch zu Zeiten ihrer Ausbildung. Kritik sei daher weitaus weniger angebracht als noch vor 30 Jahren. „Die Tiere werden nicht ausgenutzt“, betont Ridder. „Meine Hühner können nur dann ausreichend Eier legen, wenn sie auch gut versorgt sind und keine Angst haben. Also sorgen die Bauern entsprechend für ihre Tiere.“

Mehr Verletzungen durch Bodenhaltung

Bei seinen Legehennen ist Ridder vor sechs Jahren zur Bodenhaltung übergegangen. Die 4.000 Hühner können sich jetzt in einem abgegrenzten Bereich frei bewegen und sogar kleine Strecken fliegen. Die meiste Zeit über ist es ruhig in den insgesamt vier Hühnerställen. Eine rot gestrichene Lampe soll die Tiere beruhigen und auf kleinen Treppen können die Tiere zwischen den Gehegen umherwandern, ohne die anderen Hennen aufzuschrecken. Ridder: „Weil die Tiere umherlaufen können, gibt es allerdings häufiger Rangeleien und Verletzungen, was bedeutet, dass die Tiere einem höherem Stresswert ausgesetzt sind, als bei der Käfighaltung.“

Günter Maas hält seine Hennen in Freilandhaltung. Er und Ridder sind in dem Punkt unterschiedlicher Meinung. Schließlich sei der Aufwand unverhältnismäßig größer, der Verlust durch Füchse oder Vögel viel höher, findet Ridder. Nur fünf Prozent aller deutschen Landwirte sind Bio-Bauern. Warum sich Maas gerade für diese Nutzung entschieden hat? „Zum einen geht es um die artgerechte Haltung, aber auch eine mit wenig Außenenergie betriebe Produktion“, so der Bauer. „Fast alles, das ich heute Mittag gegessen habe, stammt von meinem eigenen Hof.“

Maas argumentiert mit einer breiter aufgestellten Produktpalette, wodurch er weniger anfällig für Preisschwankungen bei einzelnen Güter ist. Außerdem sieht er sich als Vermarkter, der nahe beim Kunden ist. In Werden hat Maas hierfür einen eigenen Verkaufsladen eingerichtet. Der vegane Supermarkt ist seiner Ansicht nach nur geringfügig anders als ein Discounter. „Ich glaube, viele Menschen wollen möglichst wenig Geld für Ernährung ausgeben. Meine Kunden können jederzeit vorbei kommen und sich die Tiere ansehen. Im Supermarkt mit seinen Hausmarken ist das alles unendlich anonymer.“